Grußwort von Nuntius Eterovic an die Teilnehmer am "Marsch für das Leben"

Berlin, 19. September 2020

„Bei dir, Herr, ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht“ (Ps 36,10)

Verehrte Teilnehmer am „Marsch für das Leben“!

Schwierige Zeiten liegen hinter uns. Keiner von uns weiß, wie sich die Situation der Covid-19-Pandemie entwickeln wird. In diesem Augenblick der Geschichte, der die ganze Menschheit betrifft, machen Sie sich auf, um für das Leben des Menschen vom ersten Augenblick seines Werdens bis zum letzten Moment seines irdischen Vergehens einzutreten.

Hierfür gilt Ihnen zunächst mein herzlicher Dank, den ich Ihnen im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten, übermittle. Wie sehr das Leben von Menschen in Gefahr ist, wenn andere darüber verfügen, zeigen die erschütternden Beispiele der Abtreibungen und der Aktivitäten, die zum Tode führen. Beides wird nicht selten als Errungenschaft und Wohltat bezeichnet. Als Christen können und wollen wir jedoch nur einer Kultur des Lebens dienen, niemals jedoch einer des Todes. In vielerlei Bereichen setzen sich Menschen in Deutschland hierfür ein: in Krankenhäusern, in der Pflege, in Hospizen, in Beratungsstellen oder durch andere Unterstützungsmaßnahmen. In den zurückliegenden Monaten hat es auch in Deutschland einen Aufbruch gegeben, der mit Worten von Papst Franziskus eine „Kultur der Nähe und der Zärtlichkeit“ prägt. Dies gilt insbesondere bei denen, die unter schwierigsten Bedingungen in der Pflege für das Leben gearbeitet haben. Dies alles wurde in der Gesellschaft wachsam wahrgenommen. Möglicherweise finden dadurch wieder mehr junge Menschen die Ermutigung, in diesen Berufen tätig zu werden. Denn dem Leben hilft man umso eifriger, wenn man ihm dient. „Jetzt hat sich mehr denn je der Anspruch als Illusion erwiesen, alles auf sich selbst auszurichten – das ist illusorisch –, den Individualismus zum Leitprinzip der Gesellschaft zu machen“ (Franziskus, An die Ärzte, Pflegekräfte und im Gesundheitsdienst Tätigen der Lombardei, Vatikan, 20. Juni 2020).

Viele haben die zurückliegende Zeit allerdings auch in Einsamkeit erlebt, weil es unmöglich war, die Kranken und Alten zu besuchen oder die Sterbenden zu begleiten. Auch für viele Kinder gilt das. Im Rückblick müssen Lehren daraus gezogen werden, was wir als kirchliche Gemeinschaft besser machen können, denn Gott hat uns als Gemeinschaft berufen und verpflichtet uns zur Geschwisterlichkeit. So sehr wir nicht wieder in die Illusion des Individualismus verfallen dürfen, umso mehr brauchen wir das Zeugnis der Gemeinschaft. „Als Glaubende sind wir aufgerufen zu bezeugen, dass Gott uns nicht im Stich lässt, sondern dass er in Christus auch dieser Wirklichkeit und unseren Grenzen einen Sinn gibt; dass wir mit seiner Hilfe die härtesten Prüfungen überstehen können“ (Franziskus, a.a.O.).

Insofern ermutige ich Sie alle, den Marsch für das Leben im Licht des Osterfestes zu gehen, das wir in diesem Jahr auf außergewöhnliche Weise gefeiert haben. Bezeugen wir vor aller Welt, daß wir dem Leben dienen, weil Er, der von der Jungfrau Maria geboren wurde und für uns gestorben war, von den Toten auferstanden ist. Und wir wollen ohne jeden Zweifel um jeden werben und sagen: „Wähle das Leben!“ (Dtn 30,19). Dazu segne Sie der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, der die Quelle des Lebens ist und in dessen Licht wir das Licht schauen (vgl. Ps 36,10).

Berlin, 31. Juli 2020 – Hl. Ignatius von Loyola

Erzbischof Dr. Nikola Eterović
Apostolischer Nuntius

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