Grußwort von Nuntius Eterovic beim Nikolausempfang

Apostolische Nuntiatur, 6. Dezember 2022

Exzellenzen,

verehrte Mitbrüder im Priester- und Diakonenamt,

sehr geehrte Ordensleute,

liebe Brüder und Schwestern!

„Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?“ (Mt 8,26).

Diese vorwurfsvollen Worte spricht der Herr Jesus zu seinen Jüngern, die von Angst gepeinigt waren, als ein heftiger Sturm über den See von Tiberias fegte. Während Jesus ruhig schlief, hatten sie Angst, ihr Leben auf diesem aufgewühlten See zu verlieren. Voller Panik weckten sie Jesus und riefen: „Herr, rette uns, wir gehen zugrunde“ (Mt 8,25). Bevor der Herr dem Sturm Einhalt gebot und auf dem See völlige Stille eintrat, machte er den Jüngern ihren schwachen Glauben zum Vorwurf: „Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?“ (Mt 8,26).

Dieser Vorwurf des Herrn Jesus trifft ebenso uns, die Christen im Aufgang des 21. Jahrhunderts. Auch wir ängstigen uns vor den Stürmen dieser Zeit, in welche die Kirche Jesu Christi geworfen ist, die oft als Boot in stürmischer See dargestellt wird. Auch uns heute drängt es, den Herrn aufzuwecken, der angesichts der alten und neuen Herausforderungen an Kirche und Welt zu schlafen scheint. Allein Er kann unseren Glauben stärken, nur Er kann Sturm und Meer Einhalt gebieten und eine tiefe Ruhe bewirken (vgl. Mt 8,26).

Liebe Brüder und Schwestern, nach zweimaliger Unterbrechung aufgrund der Corona-Pandemie versammeln wir uns erstmals wieder zum Fest des heiligen Nikolaus (270 bis 343) in dieser Apostolischen Nuntiatur, dem Haus des Heiligen Vaters Franziskus in Deutschland. Geboren wurde er in Myra in Kleinasien, dem heutigen Demre in der Türkei. Seine Reliquien wurden im 11. Jahrhundert nach Bari in Italien, nach Europa gebracht. Nicht zuletzt wegen der geographischen Lage dieser Orte kann man sagen, dass sich seine Verehrung in der ganzen Welt verbreitet hat, und der heilige Nikolaus im Osten wie im Westen populär wurde, weswegen er ein ökumenischer Heiliger ist, denn er wird von den Christen der lateinischen wie der ostkirchlichen Tradition verehrt.

Vor kurzem hat Berlin eine Ikone im byzantinischen Stil erreicht, die den heiligen Nikolaus in einem Boot auf stürmischer See zeigt. Der Bezug zum Herrn, der den Seesturm beruhigt (vgl. Mt 8,23-27), ist augenfällig. Die Ikone erinnert an die Sendung eines Bischofs, der als Hirte unter anderem für sein Volk eintreten muss, besonders in schwierigen Zeiten. Der Heilige Vater Franziskus hat betont, dass der Bischof nach dem Willen Gottes ein Hirte des ihm anvertrauten Volkes einer Diözese ist; ein Dienst, den er nicht delegieren kann. „Jesus hat keine Bischofskonferenz geschaffen. Jesus hat Bischöfe geschaffen und jeder Bischof ist Hirte seines Volkes“ (Interview mit dem America Magazine, 22. November 2022). Die genannte Ikone zeigt, wie der heilige Nikolaus seine besorgten Begleiter im Boot segnet, die sich an ihn als ihren Bischof wenden. Er ist in liturgischer Kleidung dargestellt, im Messgewand mit dem Omophorion (ὠμοφόριον), dem Pallium in der Ostkirche, auf dem drei Kreuze zu sehen sind. Sein Blick ist zum Himmel gerichtet, in seiner linken Hand trägt er die Bibel und mit der Rechten segnet er die Menschen auf dem Schiff, auf dass sich der Sturm beruhige und völlige Stille eintrete. Er segnet im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit: Gott, Vater und Sohn und Heiliger Geist, worauf die drei erhobenen Finger der Segenshand verweisen. Bemerkenswert ist sodann, dass der heilige Nikolaus einen Schiffbrüchigen retten will und in liturgischer Kleidung ins Meer springt. Der Kranz, der seine Heiligkeit anzeigt, erscheint zweimal, im Boot und im Meer. Das Bild vermittelt die Hirtensorge auch den Menschen gegenüber, die sich aus verschiedenen Gründen von der Kirche entfernt haben. Das erinnert an das Gleichnis vom Hirten, der die neunundneunzig Schafe zurücklässt, um nach dem einen verirrten Schaf zu suchen (vgl. Mt 18,12-13). Die Fische im sauberen Wasser um den heiligen Nikolaus und den Schiffbrüchigen erinnern an die ökologische Verantwortung, die Ozeane zu schützen und die Erde zu bewahren, „das gemeinsame Haus“, wie Papst Franziskus sagt (Laudato si‘, 1).  

Die genannte Ikone wendet sich an erster Stelle an die Bischöfe, denn der heilige Nikolaus war Bischof von Myra, richtet sich aber an jeden Hirten, an Priester und Ordensmänner. Nach dem Willen Jesu Christi haben sie in der Priesterweihe das dreifache Dienstamt (tria munera) empfangen, um die Gläubigen, die in der Taufe Teil des Volkes Gottes geworden und Glieder des allgemeinen Priestertums sind, zu lehren, zu heiligen und zu leiten.

Liebe Schwestern und Brüder, das Fest des heiligen Nikolaus fällt in die Adventszeit, in der wir uns auf das Hohe Weihnachtsfest vorbereiten. Es ist das frohe Fest, welches wir normalerweise in der Familie begehen und in kleiner oder großer Gemeinschaft, wie es die Pfarrgemeinden und Diözesen sind. In diesem Jahr fällt auf das helle Christfest der dunkle Schatten des grausamen Angriffskrieges seitens der Russischen Föderation auf Ukraine. Doch diese große Tragödie soll Ansporn sein, noch mehr zum allmächtigen Gott um Frieden zu beten, den die Engel in der Heiligen Nacht verkündet haben: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lk 2,14). Dies und alles, wofür Sie arbeiten, ist ein wertvoller, wie vielfältiger kirchlicher Dienst, der von Ihnen mit Hingabe und großem Einsatz betrieben wird, wofür ich von Herzen danke, auch und vor allem im Namen des Heiligen Vaters Franziskus.

Das Fest des heiligen Nikolaus öffnet in gewisser Weise das Tor zur Weihnacht, worauf wir uns im Advent vorbereiten, in der Zeit der Gnade und der Erwartung. Daher bitte ich, der Herr Jesus möge unseren Glauben stärken (vgl. Lk 17,6), und schon heute wünsche ich Ihnen allen ein gnadenreiches Weihnachtsfest. Vielen Dank!

 

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