Predigt von Nuntius Eterovic am 1. Fastensonntag

Apostolische Nuntiatur, 21. Februar 2021

(Gen 9,8-15; Ps 25; 1 Petr 3,18-22; Mk 1,12-15)

„Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15)

Liebe Schwestern und Brüder,

mit dem Aschermittwoch hat die Fastenzeit begonnen. Diese vierzig Tage dienen der geistlichen Vorbereitung auf das Hohe Osterfest. Im Licht des Ostergeheimnisses wollen wir auch diese Periode leben und die Gnade Gottes annehmen, die besonders durch das Wort Gottes zu uns spricht, aber auch durch den Nächsten, vor allem durch die materiell und geistlich Hilfsbedürftigen.

An diesem ersten Fastensonntag folgen wir Jesus in die Wüste, wo er versucht worden ist (I). Nach dem Sieg über den Satan beginnt der Herr seine Mission, indem er alle zur Umkehr aufruft (II). Auch in diesem Jahr hat der Heilige Vater Franziskus eine Botschaft an die Gläubigen gerichtet, mit der er uns eindringlich mahnt, diese Zeit der Gnade gut zu leben (III).

1. „Der Geist trieb Jesus in die Wüste“ (Mk 1,12).

Der Evangelist Markus beschreibt sehr konzentriert über die Versuchungen Jesu. Während die Evangelisten Matthäus und Lukas detailreich berichten, heißt es bei Markus kurz und knapp: „Und sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste. Jesus blieb vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm“ (Mk 1,12-13). Mit dem Adverb „sogleich“ verbindet der Evangelist die Taufe Jesu und seine Versuchungen. Hauptakteur ist in beiden Fällen der Heilige Geist. Als Jesus aus dem Wasser stieg, „sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam“ (Mk 1,10). Auch die Stimme Gottes ertönt: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“ (Mk 1,11). Darum sind die Versuchungen Jesu keine improvisierte Handlung. Er wird vom Heiligen Geist in die Wüste geführt, um den Willen Gottvaters zu erfüllen. Durch vierzig Tage hindurch betete Jesus und vertiefte seine einzigartige Beziehung mit dem Vater in der Gnade des Heiligen Geistes. So bereitete er sich geistlich auf seine bald beginnende Mission. Zugleich wurde er vom Satan versucht. Die Versuchungen gehören zum Projekt Gottes und haben zum Ziel, die menschliche Natur Jesu zu stärken, damit er den Herausforderungen und Kämpfen widerstehen kann, die während seines öffentlichen Wirkens auf ihn warten. Die beiden Aspekte der Wüstenerfahrung, wo Jesus sich auf das Wesentliche, auf das Gebet konzentrierte, ohne von überflüssigen Dingen beeinflusst zu werden, wie auch die Versuchung, in die er geführt wird, werden durch Tiere und Engel symbolisiert. Die Tiere stehen für die feindlichen Kräfte, während die Engel Jesus dienen und für die Gegenwart Gottes stehen und für seine Anteilnahme am Sieg über die Versuchungen und deren Verursacher, den Satan.

Diese vierzig Tage der Fastenzeit erlauben auch uns, liebe Brüder und Schwestern, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren, auf die Beziehung zu Gott und dem Nächsten. Das ist in einer konsumorientierten und auf Zerstreuung ausgerichteten Welt unverzichtbar, weil wir sonst oft den wahren Sinn des Lebens vergessen und auch die von der Kirche vorgeschlagene Weise, unsere christliche Berufung zu leben. Auch wir haben geistliche Stärkung nötig, so dass wir dem Beispiel Jesu folgen, um gegen den Teufel und seine Verführung, aber auch gegen die Versuchungen des Fleisches und der Augen, wie auch gegen das Besitzstreben (vgl. 1 Joh 2,16) kämpfen können.

2. „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15)

Nachdem er über die Versuchungen gesiegt hatte, beginnt Jesu öffentliches Wirken. Der Heilige Markus drückt das auf prägnante Weise aus: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Diese Worte fassen den Inhalt der Verkündigung des Herrn zusammen, dessen Wirken in einer dramatischen Zeit beginnt, als Johannes der Täufer ins Gefängnis geworfen und bekanntlich von Herodes Antipas umgebracht worden war. Der Evangelist nennt Galiläa als Gegend, wo Jesus seine Mission beginnt. Mit dem Kommen Jesu ist das Reich Gottes den Menschen und somit auch uns nahegekommen. Die Zeit, die Gott für unsere Vorbereitung vorgesehen hat, ist kurz. Sie eilt dahin, und wir sind angehalten, sie gut zu nutzen, um im Sinn der Anweisungen des Evangeliums zu leben, der guten Nachricht über das Leben, den Tod und die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Diese Wahrheit muss auch in unserem Leben mit all seinen familiären, kirchlichen und sozialen Dimensionen im Zentrum stehen. Glaube und Umkehr sind die zwei Bedingungen, die Aufforderung Jesu anzunehmen: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Der Glaube ist Motor des christlichen Lebens und treibt den Christen zur Umkehr an, was bedeutet, nach der Lehre Jesu zu leben, wie sie im Evangelium aufgezeichnet ist. Das ist keine abstrakte Aufforderung, was allein die Seligpreisungen zeigen (vgl. Mk 5,3-12; Lk 6,20-26) oder das Doppelgebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten (vgl. Mk 12,29-31).

3. „Eine Zeit, Glaube, Hoffnung und Liebe zu erneuern“.

In seiner Botschaft für die Fastenzeit unterstreicht der Heilige Vater, dass die Zeit der vierzig Tage den Christen zur Umkehr dienen muss, das heißt zur Erneuerung ihres Glaubens, wo wir das lebendige Wasser der Hoffnung schöpfen und mit offenen Herzen die Liebe Gottes empfangen, die uns zu Brüdern und Schwestern in Christus macht. Laut Papst Franziskus „ruft uns der Glaube, die Wahrheit aufzunehmen und ihre Zeugen vor Gott und vor all unseren Brüdern und Schwestern zu werden"; "Hoffnung (ist) wie ‚lebendiges Wasser‘, das es uns ermöglicht, unseren Weg fortzusetzen"; "Die Nächstenliebe, die auf den Spuren Christi lebt, in Aufmerksamkeit und Mitgefühl für jeden Einzelnen, ist der höchste Ausdruck unseres Glaubens und unserer Hoffnung". Mit Blick auf die Liebe betont Papst Franziskus, dass sie „ein Geschenk ist, das unserem Leben einen Sinn gibt und dank dessen wir den Bedürftigen als Teil unserer eigenen Familie, als Freund, als Bruder oder Schwester betrachten. Das Wenige, das man in Liebe teilt, wird niemals aufgebraucht, sondern wird zu Vorräten des Lebens und des Glücks“. Mit Bezug auf die aktuelle Situation schreibt der Papst: „Eine Fastenzeit der Liebe zu leben heißt, sich um den kümmern, der aufgrund der Covid-19-Pandemie eine Situation des Leidens, der Verlassenheit oder Angst durchmacht. Angesichts der großen Unsicherheit bezüglich der Zukunft denken wir an das Wort, das Gott an seinen Knecht richtet: ‚Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst‘ (Jes 43,1), während wir durch unsere Liebe ein Wort des Vertrauens anbieten und den anderen spüren lassen: Gott liebt dich wie einen Sohn und eine Tochter“.

Um Glaube, Hoffnung und Liebe zu beleben, werden uns traditionell vor allem in dieser Zeit das Gebet, das Fasten und das Almosen geben ans Herz gelebt, wie Jesus in der Bergpredigt verkündet (vgl. Mt 6,1-18). Dies sind Bedingungen und Ausdruck unserer Bekehrung. „Der Weg der Armut und Entbehrung (des Fastens), der Blick und die Gesten der Liebe für den verwundeten Menschen (Almosen) und der kindliche Dialog mit dem Vater (Gebet) ermöglichen uns, einen aufrichtigen Glauben, eine lebendige Hoffnung und tätige Liebe zu verkörpern“. Der Bischof von Rom schreibt, dass „jeder Lebensabschnitt eine Zeit des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe ist“ und fügt hinzu: „Dieser Aufruf, die Fastenzeit als einen Weg der Umkehr, des Gebets und des Teilens unserer Güter zu leben, soll uns helfen, in unserem gemeinschaftlichen wie persönlichen Erinnern den Glauben, der vom lebendigen Christus kommt, die Hoffnung, die vom Hauch des Heiligen Geist beseelt wird, und die Liebe, deren unerschöpfliche Quelle das barmherzige Herz des Vaters ist, zu erneuern“.

In geistlicher Einheit mit dem Heiligen Vaters schließen wir diese Überlegungen und vertrauen sie der seligen Jungfrau Maria an. „Die Mutter des Erlösers, treu zugegen am Fuß des Kreuzes und im Herzen der Kirche, stehe uns mit ihrer fürsorglichen Gegenwart bei, und der Segen des Auferstandenen geleite uns auf dem Weg zum österlichen Licht“. Amen.

Zurück