Predigt von Nuntius Eterovic am 11. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 17. Juni 2018

(Ez 17,22-24; Ps 92; 2 Kor 5,6-10; Mk 4,26-34)

„Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät“ (Mk 4,26).

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Wort Gottes an diesem 11. Sonntag im Jahreskreis übermittelt uns die Botschaft vom Vertrauen und der Hoffnung. Wir sind eingeladen, unser Vertrauen in Gott zu erneuern, der die Geschicke des Kosmos, der Kirche und des Menschen lenkt, wenn auch oft verborgen, was aber reiche Früchte hervorbringt.

Folgen wir den Lesungen, zuoberst dem heutigen Evangelium des Heiligen Markus (I), sodann auch jener aus dem Buch des Propheten Ezechiel (II). Die biblischen Texte haben als gemeinsames Thema das des Wachstums, was uns den Mut und die christliche Hoffnung gerade in unseren Zeiten voller Herausforderungen zurückgeben kann (III).

1. Die zwei Gleichnisse vom Wachsen.

Jesus Christus hat sich oftmals an seine Zuhörer gewandt und dabei Bilder des Alltags benutzt, vor allem solche aus der Landwirtschaft. Diese Bilder waren den Leuten nahe, und weil sie eine direkte Erfahrung damit hatten, konnten sie die dahinter verborgene Botschaft mittels der Gleichnisse leichter verstehen. Im ersten Gleichnis vergleicht Jesus Christus mit wenigen Worten das Reich Gottes mit dem Schicksal der Aussaat. Die Saat hat in sich eine Dynamik, die es von selbst wachsen lässt und das Zutun des Sämanns nicht braucht. Er bringt den Samen zur Erde, doch „dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie“ (Mk 4,27). Die dem Samen innewohnende Kraft folgt dem natürlichen Prozess des Wachstums: „zuerst der Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre“ (Mk 4,28), bis es zur Ernte reif ist.

Dieser Prozess des Wachstums wird äußerst exemplarisch angewandt im Gleichnis vom Senfkorn. Es handelt sich um „das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät“ (Mk 4,31). Ist es aber in die Erde gesät „geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse“ (Mk 4,32), so daß die Vögel in ihren Zweigen und unter deren Schatten nisten können.
Das Reich Gottes ist daher eine dynamische Wirklichkeit. Wie der Same hat es in sich eine von Gott gewollte Kraft, die es jenseits des menschlichen Willens oder weltlicher Situationen zum Wachsen bringt. Der Same folgt dem gleichen Prozess des Wachsens trotz der Wechsel in den sozialen, politischen, kulturellen und religiösen Umständen.

2. Die Prophezeiung des Ezechiel.

Auch die erste Lesung verwendet ein Bild aus der Natur, indem es das Schicksal eines Zedernzweiges schildert, der auf einem hohen Berg Israels eingepflanzt und „zur prächtigen Zeder“ wird, so mächtig, daß im Schatten der Zweige alle Arten von Vögeln ruhen. Im Wachsen der Zeder sieht der Prophet die Weise, wie Gott sich der kleinen Dinge annimmt, wie es der kleine Zedernzweig war, der ein großes Werk erfüllt und zur mächtigen Zeder wird. Die Worte: „Dann werden alle Bäume des Feldes erkennen, dass ich der HERR bin. Ich mache den hohen Baum niedrig, den niedrigen Baum mache ich hoch. Ich lasse den grünenden Baum verdorren, den verdorrten Baum lasse ich erblühen“ (Ez 17,24) erinnern uns an das Magnifikat, mit dem die selige Jungfrau Maria erfüllt vom Geist Gott lobt, denn „er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,51).

Der Prophet Ezechiel interveniert in einem dramatischen Moment der Geschichte des erwählten Volkes, nämlich als die Juden in die Knechtschaft nach Babylon deportiert waren. Seine Worte wollen daher dem Volk das Vertrauen zurückgeben und vor allem die Hoffnung auf die Rückkehr in die Heimat einpflanzen. In diesem Kontext symbolisiert das Gleichnis von der mächtigen Zeder auch den König, den Messias, unter dem sich die zerstreuten Söhne Israels sammeln. Er ist der Spross der Zeder, der Nachkomme Davids, der alle Glieder des Volkes rufen wird und das Königreich Israel wieder aufrichtet.

3. Gott ist die Quelle der Hoffnung und des Vertrauens.

Das Wort Gottes erfüllt uns mit Freude, denn es erinnert uns daran, daß das Reich Gottes eine Wirklichkeit ist, die uns vorangeht und uns übersteigt. Wie der Same von alleine wächst, so besitzt auch das Reich Gottes eine innere Dynamik, die es von selbst voranbringt und nicht entscheidend abhängig ist von der Kraft des Menschen. In beiden Gleichnissen haben wir erkannt, daß der Mensch lediglich bei der Aussaat eine Rolle spielt. Danach geschieht alles ohne sein direktes Wirken. Die Botschaft des Wortes Gottes ist wichtig für uns, die wir in einer sehr säkularisierten Gesellschaft leben, die scheinbar kein Interesse am Wachsen des Reiches Gottes hat. Nach den statistischen Daten leben viele Menschen in verschiedenen europäischen Ländern einschließlich Deutschland, als ob es Gott nicht gäbe. Auch in der Katholischen Kirche verringert sich die Zahl derer, die praktizieren. Man stellt eine gewisse Müdigkeit fest, ein Mangel an Interesse – und das nicht nur bei den Jugendlichen – und auch eine Gleichgültigkeit dem Glauben gegenüber. Dennoch lädt uns das Wort Gottes ein, nicht in Pessimismus zu verfallen. Sicher, würde das Schicksal des Christentums von den Menschen abhängen, hätten wir wenig Grund, vertrauensvoll zu sein, was dessen Zukunft angeht. Aber es ist das Werk Gottes. Sein Wort hat eine innewohnende Kraft und vermag auch auf feindlichem Boden zu wachsen. Es gab Fälle von Personen, die in einem atheistischen Umfeld, sei es in der Familie, sei es in der Gesellschaft, wie beispielsweise in der DDR, aufgewachsen sind und die der Person Jesu Christi begegneten und daraufhin um die Taufe und die Aufnahme in die kirchliche Gemeinschaft baten. Das Wort Gottes ist „lebendig und wirksam“ (Hebr 4,12), weil Jesus Christus das endgültige Wort Gottes ist, das fleischgewordene Wort (Joh 1,14). Das gilt heute und in jedem Teil der Welt, auch in den Ländern, wo die Christen verfolgt werden. An diesen Orten zeigt das Wort Gottes eine größere Fruchtbarkeit, weil das Blut der Märtyrer zum Samen für neue Christen wird.
Liebe Brüder und Schwestern, sicher verlangt Gott auch unsere Mitarbeit bei der Evangelisierung, in der Verkündigung des Evangeliums, in der Aussaat des Wortes Gottes. Aber wir dürfen nicht ängstlich sein und sollten nicht schnelle Resultate erwarten. Gott hat seine Zeit. Die Gnade des Heiligen Geistes vermag die scheinbar feindlich gesinnten Herzen zu durchdringen. Der Same des Evangeliums am Anfang der Kirche war sehr klein und schwach. Aber durch die Kraft Gottes konnte er seine innere Kraft entfalten und wurde zu dem großen Baum der Kirche. Auch wenn sie nach den Statistiken in Europa kleiner wird, so wächst sie auf anderen Kontinenten, besonders in Afrika und Asien.

Vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, damit wir Christen ihrem Beispiel folgen können und das Wort Gottes aufnehmen und es mit seiner eigenen Kraft wachsen lassen, auf daß es in uns eine reiche Frucht an Heiligkeit hervorbringe. Amen.

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