Predigt von Nuntius Eterovic am 13. Sonntag im Jahreskreis
Apostolische Nuntiatur, 2. Juli 2023
(2 Kön 4,8-11.14-16; Ps 89; Röm 6,3-4.8-11; Mt 10,37-42)
„Und wer einem dieser Kleinen auch nur einen Becher kalten Wassers zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist, wahrlich, ich sage euch: Er wird nicht um seinen Lohn kommen“ (Mt 10,42).
Liebe Brüder und Schwestern!
Das Wort Gottes hebt zwei Grundhaltungen hervor, die das christliche Leben kennzeichnen sollen: die Anforderung des Glaubens (I) und der Lohn im Glauben (II). Öffnen wir unsere Herzen der Gnade Gottes, um gut zu verstehen, was der dreieine Gott jedem persönlich und der Gemeinschaft seiner Jünger in seiner heiligen Kirche mitteilen möchte.
1. Die Anforderung des Glaubens
Die Lehre des Herrn Jesus ist anspruchsvoll. Er weist darauf hin, dass sein Jünger ihn mehr lieben muss als andere, sogar mehr als die Mitglieder seiner eigenen Familie. Schließlich ist Jesus Mensch und Gott und fordert daher jenen Respekt ein, der Gott selbst gebührt. Deshalb sagt er: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert“ (Mt 10,37). Die Worte Jesu setzen seine Antwort an den Schriftgelehrten zum ersten Gebot in die Tat um: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken“ (Mt 22,37). Nur im Licht dieses ersten Gebotes ist die Erfüllung des zweiten möglich, das ähnlich wie das erste Gebot formuliert ist: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt 22,39). Darum können wir Christen nur in der Liebe zu Gott, dem Vater, Sohn und Heiligen Geist, in rechter Weise den Nächsten lieben, unsere Angehörigen oder die Menschen, die uns nahestehen. Dabei ist es keine Liebe ohne Mühen, Herausforderungen und Problemen, mit denen jeder im Verlauf seines Lebensweges und als Christ konfrontiert wird. Daher unterstreicht der Herr, dass jeder Jünger seinem Meister folgen soll, auch im Tragen des Kreuzes, welches das Zeichen des Leidens und des Todes ist, doch auch zugleich Symbol der Auferstehung und des Lebens. Daher braucht man nicht über die Aussage des Herrn Jesus erschrecken: „Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert“ (Mt 10,38). Das Kreuz ist das Symbol der großen Liebe Jesu Christi, der gestorben ist, denn „da er die Seinen liebte, die in der Welt waren liebte er sie bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Somit soll die Liebe auch das Charakteristikum des Jüngers sein, der in der Nachfolge des Meisters Gott und den Nächsten lieben will.
Das Wort des Herrn ist aktuell und ermahnt uns, das Evangelium nicht zu banalisieren oder weltlicher Mentalität anpassen zu wollen. Dass sich Menschen immer mehr von Gott und Jesus Christus entfernen, sei eine große Herausforderung, schrieb der evangelische Theologie Dietrich Bonhoeffer 1937 in seiner Schrift Nachfolge und warnte vor einem sogenannten billigen Christentum: „Billige Gnade ist Predigt der Vergebung ohne Buße, ist Taufe ohne Gemeindezucht, ist Abendmahl ohne Bekenntnis der Sünden, ist Absolution ohne persönliche Beichte. Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz, Gnade ohne den lebendigen, menschgewordenen Jesus Christus“ (https://www.evangelischer-glaube.de/bonhoeffer-nachfolge/bonhoeffer-die-teure-gnade/).
Liebe Brüder und Schwestern, das Christentum ist anspruchsvoll, weil es auf das Wort Gottes gründet, das „lebendig ist …, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist“ (Heb 4,12). Dies zeigen auch die Heiligen, die das Evangelium in seiner Radikalität lebten und so Vorbilder dafür sind, wie anziehend der christliche Glaube ist, insbesondere für junge Menschen, die offen sind für die großen Ideale.
2. Der Lohn im Glauben
Gott in seiner großen Liebe lässt den Gläubigen nicht unbelohnt, wenn sein Jünger seiner Lehre folgt, was deutlich aus den Worten des Herrn Jesus folgt: „Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen“ (Mt 10,42). Die erste Lesung aus dem zweiten Buch der König beschreibt diese Haltung von JHWH bereits im Alten Testament. Inspiriert vom Heiligen Geist erkannte eine vornehme Frau den Propheten Elischa als einen Mann Gottes und nahm ihn bereitwillig in ihr Haus auf. Diese Großherzigkeit wurde vom Allmächtigen mit Fruchtbarkeit gesegnet, denn die Frau war zwar reich, aber unglücklich darüber, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Als Zeichen seiner Dankbarkeit für ihre Großzügigkeit verkündete der Prophet Elischa freudig: „Im nächsten Jahr um diese Zeit wirst du einen Sohn liebkosen“ (2 Kön 4,16). Die Worte des Herrn Jesus folgen derselben Logik. Denn er versichert uns: „Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat“ (Mt 10,40). Im Nächsten, der unsere Liebe braucht, umfassen wir nicht nur Jesus, sondern auch den Vater, der Ihn zu uns in die Welt gesandt hat. Nach dem Herrn Jesus gibt es eine Staffelung bei der Belohnung dafür, dass man dem Nächsten Gutes getan hat: „Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten“ (Mt 10,41).
Liebe Schwestern und Brüder, im Licht dieser Worte verstehen wir tiefer, was Jesus sagt: „Wer das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden“ (Mt 10,39). Nur ein Mensch, der dem Egoismus entsagt und nicht für sich selbst lebt, sondern bemüht ist, für die anderen zu leben, ein solcher Mensch folgt Jesus auf dem Kreuzweg. Um Jesu willen verliert er sein Leben im Dienst an den Armen und den Menschen am Rande der Gesellschaft. Die an Leib und Seele Hilfsbedürftigen werden das Leben schon in dieser Welt finden und großen Lohn im Himmelreich erhalten.
Vertrauen wir unsere Gedanken der Fürsprache der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria an, der ersten Jüngerin Jesu Christi, damit wir uns nicht mit einem billigen, mittelmäßigen Christentum abfinden, sondern die Gabe des Heiligen Geistes erlangen, um in radikaler Liebe dem Herrn zu folgen und ihm auf dem Kreuzweg nachgehen, damit wir seinen Lohn empfangen (vgl. Mt 10,42), nämlich Glück bereits in dieser Welt und die Freude der Auferstehung und das ewige Leben. Amen.