Predigt von Nuntius Eterovic am 16. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 18. Juli 2021

(Jer 23,1-6; Ps 23; Eph 2,13-18; Mk 6,30-34)

„Er sah die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen“ (Mk 6,34).

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Monate Juli und August gelten als Ferienmonate, als Zeit der Ruhe für Kinder, Jugendliche und auch Eltern oder für alle, denen es möglich ist, eine Pause von der alltäglichen Tätigkeit einzulegen. Das Wort Gottes erleuchtet uns auch in dieser Zeit der Ruhe und Ferien, wie wir im Abschnitt des Markusevangeliums gehört haben. Wir öffnen uns der Gnade des Heiligen Geistes und verweilen dabei, insbesondere bei der verdienten Ruhepause der Jünger des Herrn (I), bei der Suche der Leute nach Jesus (II), wie auch bei der Antwort seitens des Meisters (III).

1. „Ruht ein wenig aus“ (Mk 6,31).

Die Apostel erzählten Jesus freudig von ihrem Missionserfolg „und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten“ (Mk 6,30). Die Mission war anstrengend, und die Zwölf waren erschöpft. Nach dem Evangelisten kamen die Menschen angerannt, nachdem sie von ihrer Mission zurückgekehrt waren, und sammelten sich um Jesus und seine Jünger, so dass „sie nicht einmal Zeit zum Essen fanden, so zahlreich waren die Leute“ (Mk 6,31). Daher sagte der Meister zu ihnen: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus“ (ebd.). Die Apostel folgten dem Vorschlag des Meisters gern, und „sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein“ (Mk 6,32).

Der Herr besitzt eine gute Menschenkenntnis, kennt die menschliche Natur und weiß um ihre materiellen und geistlichen Bedürfnisse. Er war sich bewußt, wie notwendig eine Zeit der Erholung nach einer langen und aufreibenden Tätigkeit der Hirtensorge ist, die er seinen Jüngern anvertraut hatte. Sie waren zu zweit zu verschiedenen Orten unterwegs, um das Evangelium, die gute Nachricht zu verkünden und die Menschen zur Umkehr aufzurufen. Gott beglaubigte ihre Tätigkeit durch viele Wunder (vgl. Mk 6,6-13). Nun aber waren sie müde und brauchten ein wenig Ruhe. Jesus empfahl ihnen, einen einsamen Ort aufzusuchen, um sich von den physischen Anstrengungen und der geistlichen Anspannung zu erholen. Erholung ist nämlich für ein gesundes Leben und für das Gleichgewicht des Menschen notwendig. Dies korrespondiert mit dem Projekt Gottes vom Menschsein, von Mann und Frau. Und so heißt es: „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk gemacht hatte“ (Gen 2,2). Und so heiligen die Juden diesen siebten, von JHWH geheiligten Tag, und sehen von schwerer Arbeit ab. Für die Christen verlagerte sich der Sabbat auf den Sonntag, denn an diesem Tag ist unser Herr Jesus Christus auferstanden. Dieser Tag muss durch Ruhe, Gebet und die Begegnung mit dem dreieinen Gott geheiligt sein, wie er außerdem den Besuch von Familienangehörigen, Freunden und nahen Menschen ermöglicht. Gott sei Dank wird in der Bundesrepublik Deutschland die Sonntagsruhe auch im zivilen Bereich respektiert. Neben den Sonntagen sind auch die Feiertage im Lauf eines Jahres wichtig, vor allem in unserer durch stressige und aufreibende Arbeit gekennzeichneten Welt, die besonders dann erschöpft, wenn es sich um eine eintönige Arbeit handelt, wo nicht selten die Beziehungen mit Vorgesetzten und Kollegen schwierig sind.

2. „Aber man sah sie abfahren“ (Mk 6,33).

Die kurze Wendung bei Markus verdient besondere Beachtung. „Aber man sah sie abfahren und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an“ (Mk 6,33). Jesus lehrte mit Vollmacht (vgl. Mk 1,22) und wirkte Wunder der Heilung an Leib und Seele (vgl. Mk 1,23-26). Die Leute sahen Jesus und die Apostel mit einem Boot zu einem abgelegenen Ort abfahren. Doch sie kannten die Gegend gut. Als sie die Richtung ausmachten, in die das Boot fuhr, erkannten sie leicht, zu welchem Ort sie unterwegs waren, um auszuruhen. Jeder von ihnen hatte einen persönlichen oder familiären Grund, Jesus aufzusuchen und um Gnade zu flehen.

Das Bedürfnis, Jesus begegnen zu wollen, ist zu loben. Denn es handelt sich um einen wichtigen Schritt auf dem Weg der Umkehr. Ohne das Verlangen, Jesus sehen und sein Wort hören zu wollen, ja in Kontakt mit ihm zu treten, kann man nicht Christ werden. Dies gilt für alle Menschen zu jeder Zeit; auch für den zeitgenössischen Menschen, der von seiner Selbstzufriedenheit ablassen, der seine Grenzen, seine eigenen Verwundungen und Sünden anerkennen muss, um das Heil zu suchen, das allein in Ihm zu finden ist und der es ihm schenken kann: Jesus Christus, der Gott und Mensch, der allein sagen kann: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6).

3. „Er sah die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen“ (Mk 6,34).

Jesus und die Apostel waren möglicherweise überrascht, als sie die vielen Menschen sahen, die auf sie warteten (vgl. Mk 6,34), denn sie wollten an einem abgelegenen Ort zur Ruhe kommen. Die Reaktion Jesu ist auch für uns tröstlich. Er ist nicht enttäuscht darüber, dass es mit der erholsamen Ruhe nichts wird. Im Gegenteil, er „hatte Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mk 6,34). Um dem abzuhelfen, „lehrte er sie lange“ (ebd.).

Aus dem Evangelium wissen wir, dass der Herr die Menge nicht nur lange lehrte, sondern auch ein Wunder tat, um sie zu speisen (vgl. Mk 6,35-42). Jesus lehrte die Menschen die Wahrheit über Gott und über den Nächsten, über die Beziehungen der Menschen untereinander und zur Schöpfung. Er belehrte sie außerdem darüber, wie sie die Wahrheit im Gebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten finden können oder in den Zehn Geboten, den Seligpreisungen oder dem Gebet des Vaterunser. Wie viele Getaufte, wie viele Christen also kennen den Kern ihres Glaubens nicht? Viele sind wie Analphabeten, wenn es um die Kenntnis der Bibel, des geschriebenen Wortes Gottes geht? Die Sommerferien mögen eine Gelegenheit sein, Gott über die Betrachtung der Natur zu suchen, die das wunderbare Werk des Schöpfers ist. Auch der Besuch von Kirchen ist eine solche Gelegenheit, die Zeugnisse des Glaubens und der Kultur sind; oder bei Konzerten geistlicher Musik; bei der Lektüre von Werken mit religiösen Themen oder im Gespräch mit glaubenden Menschen. Gott sei Dank nähern sich viele während der Sommerferien der Kirche und entdecken die Bedeutung des Glaubens in ihrem Leben und verlangen nicht selten nach den Sakramenten, die sie noch nicht empfangen haben, vor allem die Taufe für sich oder ihre Kinder.

Liebe Brüder und Schwestern, die Ferien sind eine gute Gelegenheit, die Bedeutung von Familie auch im weiten Sinn erneut zu entdecken. Das gilt, wie wir Christen wissen, auch für die Heilige Familie von Jesus, Maria und Josef, die nicht allein ein Beispiel eines Lebens nach dem Willen Gottes in Liebe und Harmonie ist, sondern die selige Jungfrau Maria und der Heilige Josef sind auch mächtige Fürsprecher am himmlischen Thron. Vertrauen wir ihnen den guten Vorsatz an, jeden Sonntag und insbesondere die Ferien zu nutzen, körperlich und geistlich zu erholen, damit wir mit neuer Kraft unserer Arbeit und der kirchlichen Sendung nachgehen können. Amen.

Zurück