Predigt von Nuntius Eterovic am 3. Fastensonntag

Apostolische Nuntiatur, 7. März 2021

(Ex 20,1-17; Ps 19; 1 Kor 1,22-25; Joh 2,13-25)

„Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19).

Liebe Schwestern und Brüder,

Das Wort Gottes an diesem dritten Fastensonntag ruft uns die Zehn Gebote in Erinnerung (I). Die ersten drei beziehen sich auf Gott und unsere Beziehung zu Ihm, während die übrigen sieben nach dem Willen Gottes die Beziehungen zwischen den Menschen regeln. Im Evangelium kämpft Jesus um die Reinheit des Tempels, der von Götzen verunreinigt ist (II). Als Zeichen seiner Vollmacht, diese Reinigung vollziehen zu dürfen, verkündet Jesus sein österliches Geheimnis (III).

1. „Ich bin der Herr, dein Gott“ (Ex 20,2).

Das erste Gebot ist das Fundament aller übrigen Gebote: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ (Ex 20,2-3). JHWH ist ein guter und barmherziger Gott, jedoch auch eifersüchtig, und er verheißt denen Segen, die ihn anbeten, und Fluch jenen, die Götzen folgen: „Du sollst dir kein Kultbild machen und keine Gestalt von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, ein eifersüchtiger Gott: Ich suche die Schuld der Väter an den Kindern heim, an der dritten und vierten Generation, bei denen, die mich hassen; doch ich erweise Tausenden meine Huld bei denen, die mich lieben und meine Gebote bewahren“ (Ex 20,4-6). Der Monotheismus ist der Basispunkt im Glauben des jüdischen Volkes. Diese Wahrheit, die schon am Beginn der Offenbarung ausgesagt war, findet ihren Höhepunkt in den Mose übergebenen Zehn Geboten. Doch diese Wahrheit wurde vom erwählten Volk erst allmählich angenommen. Es genügt, an die Verehrung des goldenen Kalbes in der Wüste zu erinnern, als Mose für eine längere Zeit abwesend war (vgl. Ex 32,1-24). Nachdem die Juden im verheißenen Land angekommen und in Kontakt mit anderen Völkern und ihren vielen Göttern gekommen waren, wuchs die Versuchung des Götzendienstes sehr. Auch eine berühmte Persönlichkeit wie König Salomo wurde hiervon angesteckt (vgl. 1 Kg 11,1-13). Daher mahnte Gott fortwährend sein Volk zur Treue, vor allem durch die Propheten. In der Fülle der Zeit war der stärkste Weckruf Gottes jener durch Jesus, Seinen Eingeborenen Sohn.

Liebe Brüder und Schwestern, auch wir sind angehalten, nur den einen Gott anzubeten, der nach der Offenbarung des Herrn Jesus der Dreieine ist, drei Personen: Vater und Sohn und Heiliger Geist, die aber eines Wesens sind. Dennoch werden auch wir oft genug von Götzen angezogen, vor allem vom Geld. Das gilt auf der persönlichen, wie auf der gemeinschaftlichen Ebene. Reichtum kann zu einem falschen Gott werden, dessen Anforderungen all unsere Energie aufzehrt und das Herz für Gott und die Bedürfnisse des Nächsten verschließt. Auch Gemeinschaften und Institutionen, sogar die Kirche selbst, können in diese Versuchung geraten. Daher ist es wichtig und notwendig, immer wieder an das erste Gebot zu erinnern: „Ich bin der Herr, dein Gott …. Du sollst keine anderen Götter haben“ (Ex 20,2-3). Der Herr Jesus mahnt uns unaufhörlich: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Mt 6,24). Es klar, dass wir alle die materiellen Güter zum Leben brauchen, vor allem für ein Familienleben unter guten Bedingungen. Wir müssen aber diese Güter auch dazu nutzen, um denen zu helfen, die der Hilfe bedürfen, den vielen Armen in der Welt, und uns nicht von Reichtum und der Gier nach dessen Anhäufung beherrschen lassen. Die Fastenzeit ist dazu geeignet, unser Gewissen zu prüfen, um festzustellen, wie und in welchem Maß wir den Bedürftigen helfen, sei es durch materielle oder geistliche Unterstützung. Es gibt nämlich durchaus eine geistliche Armut, die in unserer Welt sehr verbreitet ist. Denken wir an die vielen Brüder und Schwestern, die keine persönliche Erfahrung Gottes gemacht haben und leben, als gäbe es Gott nicht.

2. Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19).

Voller Eifer für das Haus des Vaters warf der Herr Jesus „alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um“ (Joh 2,15). Um die Bedeutung dieser Szene zu verstehen, ist zu bedenken, dass der Tempel von Jerusalem ein heiliger Ort mit vielen großen Höfen war, wo man allerlei Aktivitäten nachgehen konnte. In den heiligen Tempelbezirk durften nur die Priester eintreten, und Zugang zum Allerheiligsten hatte einmal im Jahr nur der Hohepriester. Die im Evangelium beschriebene Szene fand im Vorhof des Tempels statt. Jesus war vom Willen des Vaters bewegt. So sagte er denen, die Tauben verkauften: „Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle“ (Joh 2,16). Der Herr wollte den Kult Gottes von materiellen Interessen reinigen, von Verkaufsständen, Geld und materieller Gesinnung, von allem, was das Gebet verdunkelt, die Suche nach der Begegnung mit Gott. Was Jesus tat, war riskant, denn er stieß vielen Leute mit ihren je eigenen Interessen vor den Kopf, angefangen bei den religiösen Autoritäten. Daher überrascht die Frage nach seiner Vollmacht nicht, mit der solches tun durfte. Der Aufforderung: „Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?“ antwortet Jesus mit einem Satz, den die Juden falsch verstehen: „Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19). Während sie an den Jerusalemer Tempel dachten, dessen Bau während der Regentschaft von Herodes dem Großen 46 Jahre dauerte, meinte Jesus „den Tempel seines Leibes“ (Joh 2,21). Dieser Vorwurf wird später auch im Prozess gegen Jesus vor dem Sanhedrin wiederholt werden: „Wir haben ihn sagen hören: Ich werde diesen von Menschenhand gemachten Tempel niederreißen und in drei Tagen einen anderen aufbauen, der nicht von Menschenhand gemacht ist“ (Mk 14,58). Es handelt sich um eine offensichtlich falsche Anschuldigung, denn Jesus hatte nicht gesagt: „Ich werde diesen Tempel niederreißen“, sondern: „Reißt diesen Tempel nieder“. Über den Bezug auf „den Tempel seines Leibes“ hinaus hat Jesus außerdem die Zerstörung Jerusalems vorhergesagt, die sich im Jahre 70 durch römische Truppen ereignen wird. Der Tempelbezug blieb dem Volk so sehr in Erinnerung, dass einige verhöhnend zu dem am Kreuz hängenden Jesus sagten: „Ach, du willst den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen?“ (Mk 15,29-30). Das Kreuz und der Tod aber waren nur der Durchgang zur glorreichen Auferstehung des Herrn Jesus. Die Jünger haben nach der Auferstehung Jesu von den Toten die wahre Bedeutung seiner Worte verstanden.

3. „Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren“ (Joh 2,17).

Jesus hat den Tempel im Eifer für das Haus Gottes, seines Vaters, gereinigt. Der wahre Tempel bedeutet sodann das Heiligtum seines Leibes, der für uns hingegeben wurde (vgl. Lk 22,19). Diesen Eifer will er auch auf uns übertragen, vor allem bei der Heiligen Messe. In jeder Eucharistiefeier nimmt der Priester das Brot, bricht es und reicht es nach der Wandlung den Gläubigen, damit auch sie Gemeinschaft mit dem toten und auferstandenen Herrn Jesus haben können, der unter den Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig ist. Hierzu schreibt der Heilige Paulus: „Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?“ (1 Kor 10,16).

Durch die Taufe sind wir Christen alle Glieder des mystischen Leibes Jesu Christi geworden. Der Völkerapostel erinnert uns: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib“ (1 Kor 6,19-20). Die Reinigung des Tempels in Jerusalem, liebe Brüder und Schwestern, ruft uns dazu auf, unseren Leib zu reinigen, der von Sünden beschmutzt ist, vom Verhalten gegen die Zehn Gebote und vor allem durch die zahlreichen Götzen, denen wir den Platz des einen und einzigen Gottes eingeräumt haben. Das Bußsakrament erlaubt, uns mit dem guten und barmherzigen Gott zu versöhnen. Besonders in dieser österlichen Bußzeit wollen wir vom Heiligen Geist den Tempel unseres Geistes von jeder Sünde, den kleinen wie großen, reinigen lassen, um Jesus auf dem Kreuzweg folgen können und gemeinsam mit Ihm zum neuen Leben auferstehen. Dies ist die Zeit, die Bedeutung des Sakramentes der Versöhnung wiederzuentdecken, dessen wir alle bedürfen, weil wir alle Sünder sind. Der Heilige Johannes mahnt uns: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1 Joh 1,8).

Auf dem Weg der österlichen Bußzeit sind wir nicht allein. Uns helfen unsere heiligen Fürsprecher und insbesondere die selige Jungfrau Maria, die in dieser Gnadenzeit als Schmerzensmutter angerufen wird. Sie war die treue Zeugin des österlichen Geheimnisses, das auch in den Worten ihres geliebten Sohnes zum Ausdruck kommt: „Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Joh 2,19). Vertrauen wir uns ihrer mächtigen Fürsprache an, damit auch wir die Kraft des Heiligen Geistes erhalten, den verschiedenen Götzen zu widerstehen und um unseren Glauben an Gott zu erneuern, der „die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“ (Joh 3,16). Amen.

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