Predigt von Nuntius Eterovic am 3. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 27. Januar 2019

(Neh 8,2-4a.5-6.8-10; Ps 19; 1 Kor 12,12-31a; Lk 1,1-4.14-21)

„Der Geist des Herrn ruht auf mir“ (Lk 4,18).

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Abschnitte aus der Bibel, die uns heute von der Kirche zur Meditation ans Herz gelegt werden, unterstreichen die Bedeutung des Wortes Gottes, das uns schriftlich überliefert ist. Es geschriebene Wort diente dazu, wie wir in der ersten Lesung aus dem Buch Nehemia gehört haben, den Bund des erwählten Volkes mit JHWH nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil zu erneuern. Im heutigen Evangelium gibt die Lesung aus der Prophetie des Jesaja über einen namenlosen Knecht Gottes, der kommen soll, Jesus die Gelegenheit, sich den Bewohnern von Nazareth, wo er viele Jahre gelebt hat, zu offenbaren. Auf dieses Ereignis wollen wir uns aufmerksam konzentrieren und besonders bei zwei eindrücklichen Sätzen verweilen: bei der Gegenwart des Heiligen Geistes in der Person Jesu (I) und bei der Prophezeiung des Jesaja, die sich im Heute in der heiligenden Gegenwart Jesu erfüllt (II).

1. „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ (Lk 4,18).

Der Evangelist Lukas unterstreicht die Bedeutung des Heiligen Geistes in der Person und Sendung Jesu Christi. Er war durch das Wirken des Geistes empfangen worden (vgl. Lk 1,35). Der Geist stieg nach der Taufe im Jordan auf Jesus herab (vgl. Lk 3,22). Der gleiche Geist hat Jesus in die Wüste geführt, wo er in Versuchung geriet und Satan und seine Verführungen besiegt hat (vgl. Lk 4,1). Im heutigen Evangelium ist es wiederum der Heilige Geist, der Jesus nach Nazareth in Galiläa führt, „wo er aufgewachsen war“ (Lk 4,16). Mehr noch, der Evangelist betont, daß Jesus „erfüllt von der Kraft des Geistes“ (Lk 4,14) war. Er war nicht wie einer der Propheten des Alten Testamentes, wo der Geist wirkte, wenn sie berufen wurden, im Namen Gottes zu sprechen und zu prophezeien. Vielmehr war der Geist ständig auf Jesus, in Ihm ruhte und lebte der Geist. Nach dem Heiligen Basilius von Caesarea ist der Heilige Geist untrennbar mit Jesus verbunden (vgl. Traktat über den Heiligen Geist IX,22). Der Heilige Geist ist gegenwärtig, wenn Jesus Wunder wirkt. Jesus selbst sagt: „Wenn ich aber im Geist Gottes die Dämonen austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen“ (Mt 12,28). Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, daß sich Jesus mit der Ankündigung des Propheten Jesaja über den Gottesknecht, der kommen soll, identifiziert: „Der Geist GOTTES, des Herrn, ruht auf mir“ (Jes 61,1) und mit der Sendung, die nur in der Kraft des Heiligen Geistes möglich ist: den Armen die frohe Botschaft zu verkünden, das heißt das Evangelium, was eine gute, frohe Kunde bedeutet; den Gefangenen die Befreiung anzusagen; den Blinden das Augenlicht zu schenken; die Unterdrückten in Freiheit zu setzen; ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen (vgl. Lk 4,18-19).

2. „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“
(Lk 4,21).

Der Kommentar Jesu zu dem ihm vorgelegten Abschnitt der Schrift ist wohl die kürzeste Predigt der Geschichte. Die Worte des Herrn aber sind wegweisend. Von jetzt an gibt es keinen Zweifel mehr an der Bedeutung der Verheißung des Propheten Jesaja. Jesus Christus ist der Gottesknecht, der gesalbt ist (ἔχρισέν), was nach der Überlieferung bedeutet, daß er mit der Salbung geweiht ist. Damit ist mehr gemeint, als eine mit Öl, sondern sie ist eine Salbung im Heiligen Geist. Achten wir aber auf das erste Wort, das Jesus sagt: „Heute hat sich das Schriftwort erfüllt“. Der Evangelist Lukas verwendet gut zwölfmal das Adjektiv „heute“ in seinem Evangelium. Heute (σήμερον) bedeutet, daß Gott, der durch sein Wort spricht, es gleichzeitig erfüllt. Wenn wir heute das Wort Gottes hören, ist es in diesem Moment bei und für uns „lebendig und wirksam“ (Hebr 4,12). Bei Gott gibt es nur das Heute: sein Wort trifft uns in unserem konkreten Leben, hier und jetzt. Wir untersuchen nicht alle zwölf Stellen, wo der Heilige Lukas das genannte Adjektiv verwendet. Es genügt, die wichtigsten anzuführen. Die Engel haben den Hirten verkündet: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr“ (Lk 2,11). „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben“ (Lk 19,5). Und daher gilt, als Jesus bei Zachäus einkehrt: „Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden“. Der gekreuzigte Jesus verspricht dem guten Schächer: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Jeden Tag beten wir aus dem Psalm 95: „Würdet ihr doch heute auf seine Stimme hören! Verhärtet euer Herz nicht wie in Meríba, wie in der Wüste am Tag von Massa! Dort haben eure Väter mich versucht, sie stellten mich auf die Probe und hatten doch mein Tun gesehen“ Ps 95,7-9).

Liebe Brüder und Schwestern, das Wort Gottes ruft uns in diesem Augenblick, wo wir es hören und seine Bedeutung bedenken. Heute reift in unseren Herzen die Antwort an Gott, der uns in seinen Dienst ruft. Vertrauen wir der Gnade des Heiligen Geistes, den jeder von uns im Sakrament der Taufe empfangen hat, um eine positive Antwort zu geben, nicht nur auf theoretischer Ebene, sondern durch ein christliches Leben, das dem Lob Gottes und zum Dienst am Nächsten geweiht ist. Mit Bezug auf den Heiligen Geist beten wir jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht“. Erlauben wir Gott, in uns, in der heiligen Kirche Gottes und bei allen Christen diese Gabe zu beleben. Wir haben dies nötig, auch mit Blick auf die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die vor einigen Tagen beendet wurde. Der Heilige Paulus erinnert uns in der zweiten Lesung aus dem ersten Korintherbrief daran, „wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus“ (1 Kor 12,12). Leider ist der Leib Christi, die Kirche, schon lange gespalten, weswegen das Gebet Jesu immer aktuell bleibt: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21).

Liebe Brüder und Schwestern, das heutige Evangelium zeigt uns Jesus Christus nicht nur als Vorleser und Interpret des Wortes Gottes, sondern auch als dessen Erfüllung: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk 4,21). Auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter Jesu und Mutter der Kirche, wollen wir unsere Herzen und unseren Geist der Gnade des Heiligen Geistes öffnen, damit wir den Herrn Jesus als das letzte und definitive Wort erkennen, das Gott der Vater an die Welt gerichtet hat, und damit wir darin die Botschaft des Heils für alle entdecken, die sie hören und in die Praxis im Heute ihres Lebens umsetzen. Amen.

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