Predigt von Nuntius Eterovic am 5. Fastensonntag

Apostolische Nuntiatur, 29. März 2020

(Ez 17,12-14; Ps 130; Röm 8,8-11; Joh 11,1-45)

Passionssonntag

„Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25).

Liebe Schwestern und Brüder!

Aus dem Evangelium des Heiligen Johannes haben wir die Erzählung der Auferweckung des Lazarus gehört, des Freundes Jesu. Das Wort Gottes ermuntert uns, über die Auferstehung nachzudenken, die uns nach dem Tod als Wirklichkeit erwartet und zum menschlichen Leben gehört, was aber heutzutage oftmals an den Rand gedrängt wird. Indem man den Tod ignoriert, geht man den Fragen, die sich jedem Menschen in diesem Zusammenhang stellen, aus dem Weg. Die Corona-Pandemie hat diese Haltung radikal verändert. Die hohe Zahl der Infizierten und leider auch der Toten hat die Wirklichkeit des Todes wieder allen vor Augen geführt. Die Reaktionen sind unterschiedlich und reichen von Panik bis Resignation und von Prävention bis hin zum Kampf gegen das Böse. In diesem Zusammenhang bekommt das heutige Evangelium eine ganz besondere Bedeutung. Aus der langen Erzählung möchte ich folgende Punkte unterstreichen: die Freunde Jesu (I); das Gespräch zwischen Jesus und Marta (II); die Auferweckung des Lazarus (III).

1. Die Freunde Jesu

Im 11. Kapitel des Johannesevangeliums werden drei Freunde Jesu beschrieben: Lazarus, Maria und Marta. Sie lebten in Betanien, einem Dorf in Judäa, das etwa drei Kilometer von Jerusalem entfernt ist. Jesus war außer bei der erwähnten Gelegenheit der Auferweckung des Lazarus sechs Tage vor dem Paschafest dort und wurde von Maria während des Essens mit wohlriechendem Öl gesalbt (vgl. Joh 12,2). Es gibt auch andere Stellen in der Heiligen Schrift, die sich auf die Freundschaft mit Angehörigen dieser Familie beziehen, beispielsweise das Gespräch Jesu mit Maria und Marta (vgl. Lk 10,38-42). Es war eine wirkliche Freundschaft, was man daran erkennt, wie Jesus auf den Tod seines Freundes Lazarus reagiert, denn „er war im Innersten erregt und erschüttert“ (Joh 11,33), vor allem als er Maria und die Menschen um sie herum weinen sieht. Der Herr Jesus ging nicht sogleich nach Betanien, als er von der Krankheit des Lazarus erfuhr. Er wollte den Willen Gottes erfüllen. Und der bestand nicht darin, den Freund von einer Krankheit zu heilen, sondern in seiner Auferweckung von den Toten, was ein noch viel größeres Wunder war. Das hat Jesus sogleich gesagt, als er erfuhr, Lazarus sei krank: „Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes“ (Joh 11,4).

2. Der Glaube von Marta

Dem Gespräch zwischen Jesus und Marta ist klar zu entnehmen, daß ihre Freundschaft nicht allein auf menschlichen Aspekten gegründet war, sondern sie der Glaube einte. Marta war sich bewußt, Jesus hätte den Tod des Lazarus nicht zugelassen, wenn er in Betanien gewesen wäre (vgl. Joh 11,21). Unter der Führung des Geistes fügt sie hinzu: „Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben“ (Joh 11,22). Im weiteren Verlauf des Gespräches erklärt Jesus seine Macht über den Tod. Als Marta den Glauben an die Auferstehung am letzten Tag zum Ausdruck bringt, versichert Jesus: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25-26). Auf die Frage Jesu: „Glaubst du das?“ (Joh 11,26) antwortet Marta mit dem Ausdruck tiefen Glaubens: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh 11,27). Dieses Glaubensbekenntnis erinnert an das des Simon Petrus in Cäsarea Philippi: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Diese Bekenntnisse konnten nur durch die Inspiration des Heiligen Geistes und nach dem Willen des Vaters abgelegt werden (vgl. Mt 16,17).

3. Die Auferweckung des Lazarus

Als Maria die Worte ihrer Schwester hört: „Der Meister ist da und lässt dich rufen“ (Joh 11,28), macht sie sich sofort auf, erreichte Jesus und wendet sich mit den gleichen Worte an ihn, die vorher Marta gesagt hatte: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben“ (Joh 11,32). Die Haltung von Verehrung und Vertrauen bewegt Jesus, der beschlossen hatte, seinen Freund Lazarus von den Toten zu erwecken. Es war dies jedoch nicht allein sein Wille, sondern auch der von Gottvater. So hebt Jesus die Augen und sagt: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herumsteht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast“ (Joh 11,41-42). Mit der Unterstützung des Vaters, dessen Willen er stets erfüllen wollte, rief Jesus „mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11,43). Lazarus, der schon vier Tage tot war, kehrte ins Leben zurück. Die bei dem großen Wunder Anwesenden wurden Zeugen dessen, was geschehen war. „Viele der Juden, die zu Maria gekommen waren und gesehen hatten, was Jesus getan hatte, kamen zum Glauben an ihn“ (Joh 11,45).

Liebe Brüder und Schwestern, in diesen Zeiten großer weltweiter Verwirrung wegen der Pandemie des Coronavirus, woran schon eine hohe Zahl von Menschen gestorben ist, hat das Wunder der Auferweckung des Lazarus von den Toten eine besondere Bedeutung. Diese Auferweckung steht am Ende eines Prozesses, der mit der Freundschaft von Jesus, Maria, Marta und Lazarus begonnen hat. Es ist tröstlich zu wissen, daß Jesus diese guten Freunde in Betanien hatte. Wir wissen bereits, daß es sich dabei nicht nur um eine menschliche Freundschaft handelte, sondern auch eine Einheit im Glauben hatte. Die beiden Schwestern glaubten an die Auferstehung der Toten und waren überzeugt, daß Lazarus nicht gestorben wäre, wenn Jesus schon zur Zeit seiner Krankheit bei ihnen gewesen wäre. Sie konnten sich außerdem nicht vorstellen, daß Jesus das große Wunder der Auferstehung ihres Bruders Lazarus wirken würde. Es handelt sich tatsächlich um ein einmaliges Ereignis in der Geschichte und steht als Symbol für die Auferstehung Jesu selbst. Der Tod des Lazarus hat die Herzen von Maria und Marta und auch jener Menschen, die ihn kannten, mit Trauer erfüllt. Auch Jesus empfand tiefen Schmerz; auch er war zutiefst bewegt und nahm Anteil am Weinen und den Tränen der Anwesenden. Der Tod ist leidvoll für alle, auch für die Gläubigen, denn er steht für den radikalen Bruch von Beziehungen. Der Schmerz ist daher ein spontanes, menschliches Gefühl, das alle erleben, die einen lieben Menschen verlieren. Doch dieses Leid ist nicht das letzte Wort, auch nicht der Tod. Das zeigt die Auferstehung des Lazarus. Seine Rückkehr zum Leben ist ein kraftvolles Zeichen der Macht des Herrn Jesus, der seine Worte in die Tat umsetzt: „Ich bin die Auferstehung und Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25-26). Angesichts des Dramas, das wir zurzeit erleben, müssen wir diese Wahrheit verkünden, denn sie allein ist imstande, denen Hoffnung zu schenken, die sich in ihrer Todesstunde befinden oder unter dem Verlust ihrer Lieben leiden. Als Christen unterstützen wir alle Maßnahmen, die Verbreitung des Virus einzudämmen, auch durch verantwortliches Verhalten nach den Vorgaben der Fachleute. Wir sind den Ärzten und allen Menschen, die sich im Kampf gegen die Pandemie einsetzen, zutiefst dankbar. Danke auch an die Helferinnen und Helfer und all denen, die großherzig in diesen schwierigen Zeiten den Alten und Hilfsbedürftigen beistehen und sie materiell und geistlich unterstützen.

Vertrauen wir unser Gebet der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, die wir als Heil der Kranken anrufen, damit der gute und barmherzige Gott die Corona-Pandemie eindämme, so wie er zu Zeiten von König David die Pest, die Israel heimsuchte, beendet hat (vgl. 2 Sam 24,16). In diesen Zeiten der Prüfung wenden wir uns über die Gottesmutter an Gott und flehen mit dem uralten Ruf: „Von Pest, Krieg und Hunger, befreie uns, o Herr“. Amen.

 

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