Predigt von Nuntius Eterovic am Christkönigs-Sonntag

Apostolische Nuntiatur, 22. November 2020

(Ez 34,11-12.15-17; Ps 23; 1 Kor 15,20-26.28; Mt 25,31-46)

„Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt“ (Mt 25,31).

Liebe Schwestern und Brüder!

Mit großer Freude begehen wir das Hochfest von Christkönig. Es ist der letzte Sonntag des Kirchenjahres, denn mit dem kommenden Sonntag beginnt die Adventszeit. Das heutige Hochfest ermahnt uns daher, im Licht des Wortes Gottes über die letzten Dinge nachzudenken, über unser und der Menschheit Schicksal am Ende von Zeit und Geschichte. Unter der Führung des Heiligen Geistes sollen wir erkennen, dass unser Leben in dieser Welt einen Sinn hat. Das bereitet uns auf die endgültige und entscheidende Begegnung mit dem Herrn Jesus vor (I). Er wird kommen, die Lebenden und die Toten nach dem Kriterium der Liebe zu richten, die wir den Kleinsten und Hilfsbedürftigen erwiesen haben (II). Die herrliche Vision des heutigen Hochfestes erneuert unseren Glauben an das Königtum des verherrlichten Herrn, dem alles unterworfen wird, damit er alles Gottvater übergeben kann (III).

1. „Alle Völker werden vor ihm versammelt werden“ (Mt 25,32).

Die Erzählung im heutigen Evangelium beschreibt das Endgericht. Der Menschensohn Jesus Christus erscheint nicht mehr in der Bescheidenheit der menschlichen Natur, wie er es während seines irdischen Lebens tat, sondern in der Herrlichkeit seiner göttlichen Natur. So unterstreicht der Evangelist Matthäus: „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen“ (Mt 25,31). Vor dem verherrlichen Herrn werden „alle Völker“ (Mt 25,32) versammelt. Diese Worte beziehen sich auf uns alle; auch wir werden am Ende der Zeiten vor Jesus Christus erscheinen. Diese Wahrheit sollte uns mit Freude erfüllen, weil dies den Sinn unseres Lebens zeigt. Es ist kein zufälliges Produkt. Außerdem ist es nicht mit der Auflösung der Materie verbunden, aus der unser menschlicher Leib geformt ist. Die menschliche Person, jeder Mensch, hat eine ewige Bestimmung. Sie existiert, seit er zur Welt gekommen ist, da seine Eltern am Projekt Gottes mitwirkten. Denn einmal geboren, hat der Mensch die Berufung zum ewigen Leben. Der Tod ist der schmerzvolle Übergang von dieser Welt zur seligen Schau Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes in der Gemeinschaft der Heiligen. Der Mensch ist zu einer personalen Begegnung mit Gott bestimmt, der in Jesus Christus Mensch geworden ist. Diese Wahrheit verleiht der menschlichen Person einen besonderen Wert und gibt ihm unschätzbare Würde. Jeder trägt in sich den Samen der Unsterblichkeit, die vollends im Himmel, dem ewigen Leben verwirklicht sein wird.

Diese christliche Hoffnung steht allen philosophischen und religiösen Konzeptionen oder nihilistischen Strömungen entgegen, die den Menschen allein auf die materielle Dimension reduzieren und meinen, dass sein Leben mit dem physischen Tod beendet sei. Hierin eingeschlossen sind auch jene, die glauben, der Mensch kehre ewig in Zyklen wieder. Der Glaube an den dreieinen Gott ist daher die Quelle der großen Hoffnung für den Menschen, für die Menschheit insgesamt und daher für eine optimistische Sicht auf das Leben trotz aller Begrenzungen und Schwierigkeiten der menschlichen Existenz.

2. „Denn er muss herrschen“ (1 Kor 15,25).

Jesus Christus ist der Hirte, der sich um seine Herde sorgt. Wie wir in der ersten Lesung gehört haben, sucht er selbst seine Schafe, sammelt und führt sie in den Schafstall, wo sie Ruhe finden. Die folgen Worte zeigen die fürsorgliche Pflege des Hirten: „Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen, das Verletzte werde ich verbinden, das Kranke werde ich kräftigen. Doch das Fette und Starke werde ich vertilgen“ (Ez 34,16). Der Prophet verheißt, dass Gott die Schafe in Gerechtigkeit weiden wird (vgl. Ez 34,16). Er schafft Recht „zwischen Schaf und Schaf, zwischen Widdern und Böcken“ (Ez 34,17). Diese Verheißung erfüllt sich im Matthäusevangelium. Am Ende der Zeit erscheint Jesus Christus nicht allein als guter Hirt, sondern auch als Richter. In dieser Eigenschaft trennt er die Guten von den Bösen. Die ersten stehen zu seiner Rechten, die anderen zu seiner Linken. Alle werden von ihm nach dem gleichen Kriterium gerichtet. Den ersten gegenüber formuliert er es in positiver Weise: „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25,35-36). Diese Worte werden mit kleinen Nuancen viermal im Evangelium wiederholt. Zu jenen an seiner Linken werden die gleichen Worte im negativen Sinn gerichtet. Angesichts der Überraschung beider Gruppen, die sich nicht erinnern können, wann sie Jesus auf diese Weise oder eben nicht gedient haben, führt er erklärend hinzu: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Der ersten Gruppe verheißen diese Worte daher das ewige Leben: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“ (Mt 25,34). Die anderen hingegen hören die Worte als Urteil: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist“ (Mt 25,41). Sie haben Jesus Christus nicht in den Armen und Hilfsbedürftigen erkannt, die der Heilige Vater Franziskus oft jene nennt, die von den Menschen für Abfall gehalten werden.

Liebe Brüder und Schwestern, das Gericht Gottes gehört zu unserem Glauben. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir, dass der Herr Jesus vom Himmel her kommen wird, „um Lebende und Tote zu richten“. Das Urteil Gottes gehört jedoch nicht allein zum christlichen Glauben. Es ist auch ein Postulat der menschlichen Vernunft, die angesichts so großer und zum Himmel schreiender Kriminalität, Verbrechen und Ungerechtigkeiten einen gerechten, objektiven und endgültigen Urteilsspruch erwartet, was jedoch allein Gott geben kann, der gleichermaßen barmherzig wie gerecht ist. Alle Kriminellen beispielsweise müssen sich eines Tages für ihre bösen Taten verantworten. Ohne Reue steht ihnen der Weg zur Hölle offen.

3. Christus „übergibt die Herrschaft Gott, dem Vater“ (1 Kor 15,24).

Im ersten Brief an die Korinther beschreibt der Heilige Paulus, wie der Sieg Jesu Christi und seine Verherrlichung stufenweise voranschreiten. Mit seiner Auferstehung hat der Herr Jesus den Tod besiegt und wurde zum „Ersten der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20). Das bedeutet, Jesus Christus ist nicht allein für sich selbst auferstanden, sondern für uns alle. Denn wenn alle wie in Adam sterben, „so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15,22). Er garantiert in der Tat unsere Auferstehung: „Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten“ (1 Kor 15,21). Nach dem Völkerapostel gibt es eine Stufenfolge dieser Verherrlichung der Christen. Jesus Christus gehört der Vorrang, der alle seine Feinde besiegen muss. „Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße gelegt hat“ (1 Kor 15,25). Diese Feinde sind all die teuflischen Mächte, die gegen Sein Reich kämpfen (vgl. 1 Kor 15,24). Der letzte furchterregende Feind, den es zu besiegen gilt, wird der Tod sein (vgl. 1 Kor 15,24). Dieser Kampf und der Sieg Jesu Christi gehen uns alle an. Denn bei seinem Kommen in Herrlichkeit werden alle lebendig gemacht werden, „die zu Christus gehören“ (1 Kor 15,23). Danach und am Ende wird der Herr Jesus „die Herrschaft Gott, dem Vater, übergeben“ (1 Kor 15,24). „Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei“ (1 Kor 15,28).

Liebe Brüder und Schwestern, diese wunderbare Vision Gottes, der alles in seinem Sohn Jesus Christus, dem König des Universums, erneuern will, erfüllt uns mit großer Freude und lebendiger Hoffnung. Zugleich werden wir zur Verantwortung gemahnt, gut und mit Rücksicht auf unsere christliche Berufung zu leben. Dabei können wir dem Beispiel der vielen Heiligen folgen, unter denen die selige Jungfrau Maria, die Mutter Jesu und unsere Mutter, hervorragt. Ihrer mächtigen Fürsprache vertrauen wir unsere Überlegungen und unser Gebet an, damit wir, wenn „der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt“, bei der Umsetzung des Liebesgebots gefunden werden und jeder von uns die Heilsworte hören darf: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“ (Mt 25,34). Amen.

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