Predigt von Nuntius Eterovic am Hochfest der Gottesmutter Maria - Neujahr

Apostolische Nuntiatur, 1. Januar 2023

(Num 6,22-27; Ps 67; Gal 4,4-7; Lk 2,16-21)

„Gruß dir, heilige Mutter, du hast den König geboren,
der in Ewigkeit herrscht über Himmel und Erde“ (Eingangsvers).

Liebe Schwestern und Brüder,

mit der ganzen Kirche feiern wir den Beginn des neuen Jahres mit dem Hochfest der Gottesmutter Maria. Sie ist auch die Königin des Friedens. Durch die Gottesmutter können wir uns zu ihrem Sohn Jesus führen lassen, der zugleich auch der Eingeborene Sohn des Vaters ist, empfangen vom Heiligen Geist und von der Jungfrau Maria geboren. Daher verdient Maria besondere Verehrung, denn sie tritt auch im Himmel ein für das pilgernde Volk auf Erden, das auf dem Weg zur endgültigen himmlischen Heimat in der Gemeinschaft aller Heiligen ist, die auf ewig unseren Gott preist, den Vater, Sohn und Heiligen Geist. Öffnen wir unsere Herzen der Gnade des Heiligen Geistes, damit wir die Bedeutung des Wortes Gottes, das wir gehört haben, erfassen können. Versammeln auch wir uns wie die Hirten um die Heilige Familie in Bethlehem (I), um die Wichtigkeit unserer personalen Beziehung mit dem in Jesus Christus offenbarten Gott zu entdecken (II) und von ihm die Gabe des Friedens für unsere Welt zu erflehen, vor allem in Ukraine (III).

1. Die Hirten eilten nach Bethlehem (vgl. Lk 2,15-16).

Der Abschnitt im Lukasevangelium beschreibt die Begegnung der Hirten mit Jesus im Stall zu Bethlehem, wo sie auch seine Mutter Maria und ihren Bräutigam Josef trafen. Auch wir, liebe Brüder und Schwestern, sind in dieser Weihnachtszeit gerne in die Kirchen gegangen und haben uns um die Krippe versammelt, die für die Geburt Christi in Bethlehem steht. Das Wort Gottes aber lehrt uns, das über diese physische Gegenwart nötig ist, dem Jesuskind im Glauben zu begegnen. Dafür müssen wir ihm unsere Herzen öffnen und in der Stille und der Meditation die Botschaft erfassen, die er uns überbringen will. Sie wird in folgenden Haltungen der Hirten und von Maria zum Ausdruck gebracht.

- Das Verbreiten der guten Nachricht

Die spontane Reaktion der Hirten war, anderen zu erzählen, was sie im Stall von Bethlehem gesehen hatten und wie das mit der Botschaft des Engels übereinstimmte, der zu ihnen sprach: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“ (Lk 2,10-12). Sie konnten die frohe Kunde nicht für sich behalten, sondern „als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war“ (Lk 2,17).

- Das Staunen der Weihnacht

Die Reaktion jener, welche die gute Nachricht vernommen hatten, war Staunen. Angesichts des göttlichen Geheimnisses, das von jeher verborgen war und jetzt in der Fülle der Zeit offenbar wurde, kann man nicht gleichgültig bleiben. Der Evangelist berichtet: „Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde“ (Lk 2,18). Als gute und fromme Juden erwarteten sie das Kommen des Messias. Die Botschaft der Hirten allerdings übertraf bei weitem ihre Erwartungen.

- Das Geheimnis in Erinnerung behalten.

Nach der Beschreibung der Reaktion der Hirten und jener, die ihre frohe Nachricht vernahmen, skizziert der Evangelist mit wenigen Worten die Haltung der Mutter Jesu: „Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen“ (Lk 2,19). In ihrem Herzen war schon die Begegnung mit dem Engel Gabriel bewahrt, sowie die Ankündigung, sie würde durch das Wirken des Heiligen Geistes die Mutter Jesu (vgl. Lk 1,30-33). Nun erlebt sie, wie die Hirten nach der Ankündigung der Engel nach Bethlehem kommen und das Jesuskind anbeten, was ihr Mutterherz ganz erfüllt. Als sie all das, was geschehen war, erwägt, wird ihr immer mehr die Wahrheit bewußt, die Gott ihr durch den Engel Gabriel verkündet hatte.
Liebe Brüder und Schwestern, unsere Haltung angesichts des Weihnachtsgeheimnisses sollte eine ähnliche sein. Einerseits lässt uns die Liebe Gottes staunen, die sich in der Menschwerdung seines Eingeborenen Sohnes zeigt: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Wie Maria, so sollen auch wir dieses große Geheimnis betrachten und seine tiefe Bedeutung für uns und die Kirche erfassen. Natürlich ist die Wahrheit von Weihnachten nicht allein uns, unsere Familien, Pfarrgemeinden und Gemeinschaften vorbehalten, sondern muss den Fernen verkündet werden, wie es die Hirten getan haben. Andererseits soll die gute Nachricht von der Geburt Jesu unser Herz mit Freude erfüllen und bewegen, davon Kunde zu geben, wie es die Hirten taten. Denn nachdem sie das Kind gesehen hatten, das „in einer Krippe lag“ (Lk 2,17), kehrten sie zurück, „rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war“ (Lk 2,20).

2. „Der Herr segne und behüte dich“ (Num 6,24).

Zu Beginn des neuen Jahres wird uns der priesterliche Segen zugesprochen, den das Buch Numeri enthält. Segen, das ist ein guter Wunsch. Es ist eine personale Segnung, die darin besteht, den Namen des Herrn auf eine Person zu legen. Der priesterliche Segen hingegen ruft den Namen des Herrn an und spendet damit den Segen dem ganzen Volk Israel. Dreimal wird der Name des Herrn, JHWH, wiederholt. Im Licht des Weihnachtsgeheimnisses und der Offenbarung Jesu Christi wissen wir Christen, dass es der Name des dreieinen Gottes ist, von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Dessen sind wir uns bewußt, wenn wir die alttestamentliche Segnung vernehmen: „Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der HERR wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden“ (Num 6,24-26). Diese Segensformel lehrt uns sodann, dass es wesentlich ist, unsere personale Beziehung mit Gott lebendig zu halten. Wenn wir wollen, dass alle Tage des neuen Jahres gesegnet seien, glücklich und menschlich wie christlich erfüllt, müssen wir zulassen, dass der Name des Herrn nicht allein durch die erwähnte Formel auf uns ruht, sondern zum Band er Liebe wird, die uns mit jener großen Liebe Gottes verbindet, die in Jesus für uns und zu unserem Heil Mensch geworden ist.

3. Weltfriedenstag

Um das Geschenk des Friedens in unserer Welt zu erlangen, die voller Gewalt und Krieg ist, muss man eine lebendige Beziehung mit Gott, der Quelle des Friedens, halten. Jesus, Sein Eingeborener Sohn ist „der Fürst des Friedens“ (Jes 6,5). Mit dieser Sichtweise muss man auch die Botschaft des Heiligen Vaters Franziskus aus Anlass des 56. Weltfriedenstages lesen, der unter dem Thema steht: „Niemand kann sich allein retten. Nach Covid-19 neu beginnen, um gemeinsam Wege des Friedens zu erkunden“. Die Botschaft gliedert sich in zwei Teile. Im ersten erinnert der Bischof von Rom an die negativen Folgen der Corona-Pandemie, doch auch positive Aspekte werden unterstrichen, vor allem das Bewußtsein, gemeinsam den großen Herausforderungen begegnen zu müssen: „Aus dieser Erfahrung ist das Bewusstsein gestärkt hervorgegangen, das alle Völker und Nationen dazu einlädt, das Wort „gemeinsam“ wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Denn nur gemeinsam, in Geschwisterlichkeit und Solidarität, sind wir in der Lage Frieden zu schaffen, Gerechtigkeit zu gewährleisten und die schmerzlichsten Ereignisse zu überwinden“ (Botschaft zum 56. Weltfriedenstag, 3). Im zweiten Teil widmet sich Papst Franziskus stärker dem Dienst am Frieden in unserer Welt, die voller Gewalt und Krieg ist. Der Papst stellt fest: „Der Krieg in Ukraine rafft unschuldige Opfer hinweg und verbreitet Unsicherheit, nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern in diffuser und unterschiedsloser Weise für alle, auch für diejenigen, die Tausende von Kilometern entfernt unter seinen Nebenwirkungen leiden – man denke bloß an die Getreidelieferungen und an die Kraftstoffpreise“ (a.a.O., 4). Papst Franziskus verbindet das erste Thema mit dem zweiten durch folgende Beobachtungen: „Während man für Covid-19 einen Impfstoff gefunden hat, wurde gegen den Krieg noch keine geeignete Lösung gefunden. Sicher ist der Virus des Kriegs schwieriger zu besiegen als jene, die den menschlichen Organismus befallen, weil er nicht von außen kommt, sondern aus dem Inneren des menschlichen Herzens, das durch die Sünde verdorben ist (vgl. Mk 7,17-23)“ (a.a.O., ebd.). Der Heilige Vater fordert alle Menschen zur Umkehr des Herzen auf, angefangen bei den politisch Verantwortlichen, indem man mit Blick auf das Gemeinwohl denkt und handelt. So schreibt er: „Wir dürfen nicht nur unseren eigenen Schutz anstreben, sondern es ist an der Zeit, dass wir uns alle für die Heilung unserer Gesellschaft und unseres Planeten einsetzen und die Grundlagen für eine gerechtere und friedlichere Welt schaffen, die sich ernsthaft um ein Gemeinwohl müht, das wirklich alle miteinschließt“ (a.a.O., 5). Die Krisen, die wir in unserer Welt erleben, sind nach dem Papst alle miteinander verbunden. Deshalb zählt er folgende dringende Probleme auf, die nach einer gemeinsamen Lösung verlangen: „Wir müssen uns erneut mit der Gewährleistung einer öffentlichen Gesundheitsversorgung für alle befassen; Friedensaktionen fördern, um den Konflikten und den Kriegen ein Ende zu setzen, die fortwährend Opfer und Armut verursachen; uns konzertiert um unser gemeinsames Haus kümmern sowie klare und wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels treffen; den Virus der Ungleichheit bekämpfen sowie Nahrung und menschenwürdige Arbeit für alle sicherstellen und diejenigen unterstützen, die nicht einmal einen Mindestlohn erhalten und sich in großen Schwierigkeiten befinden. Der Skandal hungernder Bevölkerungen verletzt uns. Wir müssen mit geeigneten Maßnahmen die Aufnahme und die Integration fördern, insbesondere im Hinblick auf die Migranten und auf diejenigen, die wie Ausgestoßene in unserer Gesellschaft leben. Nur wenn wir uns in diese Situationen mit einem altruistischen Verlangen, das von Gottes unendlicher und barmherziger Liebe inspiriert ist, hineingeben, werden wir eine neue Welt aufbauen und dazu beitragen können, das Reich Gottes zu errichten, das ein Reich der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens ist“ (a.a.O., ebd.).

Mit Papst Franziskus können wir sagen: „Allen Männern und Frauen guten Willens wünsche ich, dass es ihnen Tag für Tag gelingt, als Handwerker des Friedens, an einem guten neuen Jahr mitzuwirken! Möge Maria, die Unbefleckte, die Mutter Jesu, die Königin des Friedens, für uns und die ganze Welt Fürsprecherin sein“ (a.a.O., ebd.).

Liebe Brüder und Schwestern, auf die Fürsprache der Jungfrau und Gottesmutter Maria, der Königin des Friedens, segne Euch der allmächtige Gott. Er bewahre Euch vor jeder Gefahr der geistlichen Krankheit, nämlich der Sünde, und vor der des Leibes, vor Krankheiten und Leiden. Jeden Tag des Jahres 2023 behüte Er Euch mit Seiner Gnade und schenke Er Euch Glück. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

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