Predigt von Nuntius Eterovic am Weihetag der Lateranbasilika
St. Hedwigskathedrale zu Berlin, 9. November 2025
(Ez 47,1-2.8-9.12; Ps 45; 1 Kor 3,9-11.16-17; Joh 2,13-22)
Weihetag der Lateranbasilika
150 Jahre KAV Suevia im CV zu Berlin
„Denn Gottes Tempel ist heilig und der seid ihr“ (1 Kor 3,17).
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Liturgie der Kirche lässt uns heute nach Rom blicken, wenn wir das Weihefest der Lateranbasilika feiern, die Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt und des Erdkreises ist (Omnium urbis et orbis ecclesiarum mater et caput). Sie ist die Kathedrale des Bischofs von Rom, die dem Erlöser Jesus Christus und Johannes dem Täufer geweiht ist. Es wundert daher nicht, dass das Wort Gottes am heutigen Festtag vom Begriff des Tempels durchzogen ist: dem Tempel in Jerusalem, von wo das lebendig machende Wasser hinausströmt in das Land und alles gesund macht und mit Leben erfüllt, wie die erste Lesung aus dem Buch des Propheten Ezechiel verkündet (vgl. Ez 47,9). Im heutigen Evangelium des heiligen Johannes spricht Jesus von sich als dem Tempel, der im Ostergeheimnis zerstört wird, doch nach drei Tagen wieder aufersteht. Der Herr ist also jener „Stein, die Bauleute verwarfen und der zum Eckstein geworden ist“ (Ps 118,22). Jesus Christus ist der Grund, das Fundament, das gelegt ist (vgl. 1 Kor 3,11). Der heilige Paulus erinnert die junge Gemeinde in Korinth daran, dass sie der neue, lebendige und gesunde Tempel Gottes sind, worin der Heilige Geist durch das lebensspendende Wasser der Taufe und die Salbung des Geistes wohnt (vgl. 1 Kor 3,16). Das Weihefest der Lateranbasilika in Rom führt uns also zurück zu den Grundlagen unseres Glaubens, die wir bedenken wollen.
In illo uno unum
An diesem Sonntag beschließt die Katholische Akademische Verbindung Suevia ihr 150. Stiftungsfest. Mitten im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts haben katholische Christen in der Hauptstadt des noch jungen deutschen Reiches und inmitten von Preußen, das ihnen misstrauisch und zu jener Zeit auch feindlich begegnete, eine katholische Studentenverbindung gegründet. Einige Zeit später wurde sie als neunte Verbindung in den noch kleinen Kreis einer Versammlung aufgenommen, der heute als Cartellverband bekannt ist. Es ist mir eine besondere Freude, dieser Eucharistiefeier aus Anlass des 150. Stiftungsfestes einer KAV Suevia vorzustehen. Ich danke dem Hohen Senior Benedikt Maximilian Schöllkopf und dem Philister-Senior Wolfgang Damberg für die freundliche Einladung, die ich gerne angenommen habe. Als Vertreter des Heiligen Vaters Leo XIV. in der Bundesrepublik Deutschland grüße ich besonders alle Aktiven und Alten Herren der verehrten Suevia. Sein Wahlspruch: in dem Einen (Christus) sind wir eins – In illo uno unum zeigt ihn als Sohn des heiligen Augustinus und des Augustiner-Ordens. Das in katholischen Verbindungen geltende Prinzip der Einheit in Nöten, der Freiheit im Zweifel und der Liebe in allem weist auf das Denken des großen Kirchenlehrers, das auch in die Lehre des II. Vatikanischen Konzils Eingang gefunden hat, wen es heißt: „Stärker ist, was die Gläubigen eint als was sie trennt. Es gelte im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem die Liebe“ (Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 92). Am Ende dieser Heiligen Messe erteile ich allen, die diese Eucharistie mitfeiern, den Apostolischen Segen, in die ich ausdrücklich alle Eure Lieben einschließe, vor allem die Alten und Kranken Eurer lieben Suevia, aber auch die Kinder und jene, die gehindert sind, diese Heiligen Messe zu besuchen.
Per tenebras ad lucem
Dieser Wahlspruch Eurer Verbindung hat sich in vielerlei Hinsicht als Trost in vielen Schwierigkeiten, vor allem in Zeiten von Krieg und Gewalt erwiesen. „Durch Dunkelheiten zum Licht“ beschreibt eine tiefe christliche Lebenserfahrung. Im Leben eines jeden von uns, einer Gemeinschaft, Verbindung und auch der Kirche sammelt sich im Laufe der Zeit manches an, was zu nichts taugt, sondern wo der Eifer des Herrn Jesus verständlich wird, der im Jerusalemer Tempel rief: „Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle“ (Joh 2,16). Das christliche Leben darf sich nicht in Devotionalien, Frömmigkeitsübungen oder freudlosen Phrasen erschöpfen. Vielmehr steht dem Christen der Fluss der Gnade zur Verfügung, „da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können“ (Ez 47,9). Die Wahrheit des Wortes Gottes: „Weil dieses Wasser dort hinkommt, werden sie gesund“ erweist sich für uns im Sakrament der Taufe und immer wieder im Bußsakrament; für die immer aktuelle Wirklichkeit von Ostern und jeder Eucharistie rings um den Erdkreis gilt das prophetische Wort: „Wohin der Fluss kommt, dort bleibt alles am Leben“ (Ez 47,9). Die Mitglieder der verehrten Sueviae vor uns Heutigen, sie wussten um diese wertvollen Sakramente, wo man aus Finsternis zum Licht gelangt: „Die Früchte werden als Speise und die Blätter als Heilmittel dienen“ (Ez 47,12).
Die Geschichte der Sueviae, wie der Menschen in Deutschland und auf dem ganzen geliebten Kontinent Europa kennt die Finsternisse, in die wir Menschen geraten können. Die schreckliche Finsternis des Krieges erleben heute die Menschen in Ukraine im vierten Jahr, erfahren grausam die verfolgten Christen in vielen Ländern der Erde, erleben die Unschuldigen in unzähligen Gegenden von Krieg, Terror und Gewalt weltweit, auch im Nahen Osten, im Heiligen Land. Das Wort des Psalmisten ist gerade hier eine immer moderne Wendung des Wortes durch Finsternis zum Licht, wenn es heißt: „Darum fürchten wir uns nicht, wenn die Erde auch wankt, wenn Berge stürzen in die Tiefe des Meeres“ (Ps 46,3). Die Toten der Kriege, des Großen Krieges und des Zweiten Weltkrieges, haben die Finsternis erlitten. Die Schützengräben und die Gräuel, die Menschen einander antun, sind grausam. Der geliebte Kontinent Europa vergisst immer mehr seine christlichen Wurzeln. Diese Wurzeln gründen im Wort Gottes, das schon seinem erwählten Volk, das in der Gottesstadt wohnt, gegolten hat: „Gott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken. Gott hilft ihr, wenn der Morgen anbricht“ (Ps 46,6). Auch die Suevia hatte in den Kriegen Opfer zu beklagen und erinnert ihrer. Sie wurden getötet und zerstört, nicht zuletzt wegen ihres Glaubens. Der Völkerapostel meint zwar: „Wer den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören“ (1 Kor 3,17). Aber die Gläubigen müssen auch mit dem langen Atem Gottes rechnen. Aus Erfahrung wissen wir alle: das Zerstören geht schnell, das Aufbauen braucht lange Zeit. Der Tempel von Jerusalem wurde mehrfach zerstört. Deswegen erinnern die Juden daran, wie lange und mühsam es war, diesen Tempel zur Zeit des Herrn Jesus wieder aufgebaut zu haben: „Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten?“ (Joh 2,20).
Durch die Dunkelheiten zum Licht, das meint in der Konsequenz den Ostermorgen, der mit Gottes Hilfe angebrochen ist (vgl. Ps 46,6). Die Jünger Jesu haben daran gedacht: „Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte“ (Joh 2,22). Viele Christen haben in Krieg und Ideologie daran festgehalten, dass Gott die zerstören wird, die den Tempel Gottes zerstören oder zerstören wollen, wie es die Nationalsozialisten in Deutschland wollten (vgl. 1 Kor 3,17). Dazu gehörte auch der letzte Staatspräsident von Württemberg und Mitglied der Suevia Eugen Bolz (15.12.1881 bis 23.01.1945), der den Nationalsozialisten Widerstand leistete. Vor achtzig Jahren wurde er am 23. Januar 1945 nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Schon im Jahr 1934 hat er vom Widerstand gesprochen und schrieb: „Bei offensichtlichem und dauerndem Missbrauch der Staatsgewalt besteht ein Notwehrrecht des Volkes“ (Katholische Aktion und Politik). In gewisser Weise darf man sagen, dass dieser Satz in der Finsternis zum Licht reifte, wenn in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, dem Grundgesetz das Recht auf Widerstand gegen die Feinde der rechtsstaatlichen Ordnung festgeschrieben wurde (vgl. GG Art 20, Abs 4). Vom Licht des Ostermorgens her strahlen manche Opfer, die Kriege und Gewalt gefordert haben, hell und rein. Per tenebras ad lucem!
„Ihr seid der Tempel Gottes“ (1 Kor 3,16).
Es ist gut, dass wir immer wieder erinnern und uns durch das Wort Gottes erinnern lassen, was wir Christen sind, nämlich ein aus lebendigen Steinen erbauter Tempel des dreieinen Gottes. Der himmlische Vater selbst ist der Baumeister, „Denn du erbaust uns zum Tempel des Heiligen Geistes, dessen Glanz im Leben der Gläubigen aufstrahlt“ (Präfation). Durch unser Leben bezeugen wir unseren Glauben an den einen Herrn Jesus Christus; und nur, wenn es nötig ist, bezeugen wir ihn mit Worten. Mit Worten des Heiligen Vaters Leo XIV. heißt das, wir sollen Menschen des Wortes sein, das wir mit unserem Leben aussprechen. Wir können dies nicht anderen überlassen, denn „so wie wir unsere Muttersprache gelernt haben, kann auch die Verkündigung des Glaubens nicht an andere delegiert werden, sondern findet dort statt, wo wir leben“ (Predigt, Petersplatz, 28. September 2025). So möge jedes Haus, auch das Haus der Schwaben in Berlin, ein lebendiger Ort sein, wo wir nicht nur nach Erkenntnis in Welt und Wissenschaft suchen, sondern auch nach der Einsicht im Glauben. Das Geschenk des Glaubens kann man nicht egoistisch für sich behalten wollen, sondern er ist, wie auch die Liebe und die Hoffnung, umso dynamischer, wenn er anderen mitgeteilt und verschenkt wird. Das Evangelium soll in Eurem Haus gelebt werden. Das gelingt, wenn Ihr einander aufrichtig annehmt. „Es ist diese Liebe, die uns das Evangelium verstehen hilft, weil sie uns verwandelt, indem sie unser Herz für das Wort Gottes und das Angesicht des Nächsten öffnet“, wie der Heilige Vater Leo XIV. sagt (a.a.O., ebd.). Ich ermutige, diejenigen im Glauben zu unterweisen, die danach fragen. Diese Art eines Katechumenats sei eine Lebenskunde, wo wir als das erkannt werden, was wir sind, nämlich Gottes heiliger Tempel, denn „wenn wir zum Glauben anleiten, geben wir keine Belehrung, sondern legen das Wort des Lebens in die Herzen, damit es Früchte des guten Lebens trägt“ (a.a.O., ebd.).
Auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter Jesu und unsere Mutter, erbitten wir vom dreieinen Gott die tiefe Einsicht, dass wir getreu der Lehre der Kirche auf dem Grund weiterbauen, der gelegt ist, damit wir leben, was wir sind: „Denn Gottes Tempel ist heilig und der seid ihr“ (1 Kor 3,17). Amen.
