Predigt von Nuntius Eterovic am Weißen Sonntag - Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit

Apostolische Nuntiatur, 19. April 2020

(Apg 2,42-47; Ps 118; 1 Petr 1,3-9; Joh 20,19-31)

Weißer Sonntag – Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit

„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29).

Liebe Schwestern und Brüder!

Voller Freude setzen wir die Feier des Hochfestes der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus fort. Die Auferstehung ist das höchste Fest unseres Glaubens, das die Kirche acht Tage feiert. Heute begehen wir den Oktavtag, den zweiten Ostersonntag. Er wird traditionell Domenica in albis – Weißer Sonntag – genannt wegen der weißen Kleider, welche die Neugetauften an diesem Tag ablegten, nachdem sie diese eine Woche getragen hatten. Heute ist auch das Fest der Divina Misericordia – der Göttlichen Barmherzigkeit -, wie es der heilige Johannes Paul II. bei der Heiligsprechung von Schwester Faustina Kowalska am 30. April 2000 angeordnet hatte, jener polnischen Mystikerin und Förderin der Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit. Im Heiligen Jahr 2000 wollte der Papst im Namen der ganzen Kirche dem dreieinen Gott für das Geschenk der Erlösung danken, die eine zweite Schöpfung darstellt, die als Frucht des Leidens, des Todes und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus noch schöner ist als die erste. Auch wir vereinen uns 20 Jahre nach dieser Entscheidung zum Gebet der Danksagung an den dreieinen Gott (I), der uns in seiner großen Barmherzigkeit stets die Fülle seiner Gaben schenkt (II).

1. Der Dank an Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist

Das Ostergeheimnis wirken alle drei Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Das konnten wir in der Fastenzeit und vor allem in der Heiligen Karwoche betrachten. Wir sind offen für die Gnade des Heiligen Geistes und danken daher Gott, der „reich ist an Erbarmen“ (Eph 2,4), für seine große Liebe zu uns Menschen und zur Welt. Er kennt jeden mit Namen, er hat uns geschaffen, und wir alle existieren nach seinem Willen. Er will, dass wir auf ewig in der seligen Einheit mit ihm leben. Die Liebe Gottes zeigt sich vor allem in der Gegenwart des Heiligen Geistes, „der Herr ist und lebendig macht“ (Credo), der auf sakramentale Weise in der Kirche gegenwärtig ist, aber auch in gewisser Weise in jedem Menschen, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes (vgl. Gen 1,26-27) geschaffen ist. Der Heilige Geist legt sodann Zeugnis für Jesus Christus ab, den Menschen und Gott, der in allem unsere menschliche Natur geteilt hat, ausgenommen die Sünde (vgl. Hebr 4,15). In dieser Zeit voller Leid wegen der Corona-Pandemie schenkt diese Wahrheit Hoffnung und Trost. Jesus Christus kennt das Leid und ist auf grausame Weise durch die Kreuzigung getötet worden. Er starb wie alle Gekreuzigten den Erstickungstod. Auch auf diese Weise ist er den vielen am Corona Virus Verstorbenen ähnlich, die ebenso den Erstickungstod erlitten. Der Herr Jesus hat jedoch dem Leid Sinn gegeben, da es in Einheit mit dem Leiden Jesu Christi ergänzen kann, „was an den Bedrängnissen Christi noch fehlt an seinem Leib, der die Kirche ist“ (Kol 1,24). Der Herr hat den Tod besiegt und mit seiner Auferstehung auch uns die Möglichkeit zum Sieg über den gefürchteten Tod – den letzten Feind (vgl. 1 Kor 15,26) geschenkt, indem er uns das Tor zum ewigen Leben geöffnet hat. Wegen dieses großen Geheimnisses des Heils und der Erlösung sei Ehre dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

2. Der Dank für die Gaben der Auferstehung: Glaube, Friede, Freude, Sendung

Danke für den Glauben. Als erstes danken wir dem dreieinen Gott für das Geschenk des Glaubens. Er, der „kostbarer ist als Gold“ (1 Petr 1,7), ist für die Verbindung mit Gott unverzichtbar, um die Offenbarung zu erfassen und die Geheimnisse unseres Heils zu leben. Die Erfahrung des Heiligen Thomas, genannt Didimus, hilft uns allen, die Glaubenszweifel zu überwinden, der sich in der Anmaßung zum Ausdruck bringt, die Wundmale Jesu berühren zu wollen, um glauben zu können, dass er zum Leben zurückgekehrt ist: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25). Der Auferstandene erlaubt dem Thomas, die Zeichen seines Leidens zu sehen und zu berühren, sagt ihm aber zugleich: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). In diesen Worten erkennen wir uns alle wieder: Wir haben Jesus nicht physisch gesehen, doch durch das Geschenk des Glaubens glauben wir an Ihn, an seine Auferstehung und seine Gegenwart mitten unter uns, vor allem bei der Feier der Sakramente. Wir lassen uns an diesem Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit vom Heiligen Geist bewegen und bekennen von ganzem Herzen mit den Worten des Apostels Thomas: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28).

Danke für den Frieden. Die Jünger waren über den Tod des Meisters fassungslos. Sie waren im Abendmahlssaal versammelt und hatten „aus Furcht vor den Juden“ (Joh 20,19) die Türen verschlossen. Der auferstandene Herr grüßt die verstörten und furchtsamen Apostel und spricht: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Es handelt sich um einen besonderen Gruß, den Jesus im Abschnitt des Johannesevangeliums dreimal wiederholt. Es ist der Friede, den allein der Sieger über Sünde und Tod geben kann. Und so haucht er sie an und spricht: „Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22-23). Nur Gott kann Sünden vergeben. Der Herr Jesus vertraut diese Aufgabe den Jüngern und ihren Nachfolgern an. Es handelt sich um eine außergewöhnliche Gabe, die durch die Vergebung der Sünden einen tiefen Frieden in den Herzen der Menschen stiftet. Dieser Friede ist die Voraussetzung für den Frieden in den Familien, in der Gesellschaft und in der Welt. Danken wir daher Gott für dieses große und für die ganze Menschheit wesentliche Geschenk.

Danke für die Freude. Der Tod bringt Trauer, während das Leben Freude schenkt. So waren die Jünger Jesu traurig und wie erstarrt, weil sie die Bedeutung der Ereignisse um Jesus nicht verstanden. Die Auferstehung des Herrn hingegen brachte eine neue Dimension in ihr Leben, nämlich jene der Freude. Nachdem sie Jesu Wundmale an seinen Händen und seiner Seite geschaut hatten, „freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20). Auf sie lassen sich die Worte des Heiligen Petrus anwenden, die sagen, sie seien neu geboren „durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ (1 Petr 1,3). Nach dem Heiligen Petrus ist die Auferstehung Christi der Grund von großer Freude, auch in schwierigen Situationen oder im Leiden, dem die Menschen in dieser Welt begegnen. „Deshalb seid ihr voll Freude, wenn es für kurze Zeit jetzt sein muss, dass ihr durch mancherlei Prüfungen betrübt werdet“ (1 Petr 1,6). Inmitten der Corona-Pandemie muss man uns nicht sagen, in welchen und in wie vielen Schwierigkeiten wir stecken. Aber all das ist nach dem Haupt der Apostel die Gelegenheit, um die Standfestigkeit unseres Glaubens zu prüfen. Die Beständigkeit im Glauben an den Herrn Jesus ist wichtig, den wir lieben und an den wir glauben, auch ohne ihn gesehen zu haben (vgl. 1 Petr 1,8). Auf einem solchen Glauben gründet die wahre Freude: „Daher jubelt in unaussprechlicher und von Herrlichkeit erfüllter Freude, da ihr das Ziel eures Glaubens empfangen werdet: eure Rettung! (1 Petr 1,9). Wir danken Gott, der uns aufruft, uns stets im Herrn zu freuen (vgl. Phil 4,4), für das Geschenk der Freude.

Danke für die Sendung. Der Auferstandene hat seinen Jüngern den Frieden geschenkt und die Gewalt gegeben, die Sünden zu vergeben. Zugleich hat er sie ausgesandt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Sie waren Zeugen seines Lebens, seiner Werke, seines Todes und seiner Auferstehung. Nunmehr sind sie gerufen, diese Wahrheit mit Freude auf der ganzen Welt zu bezeugen. Der Heilige Markus drückt dies unmissverständlich so aus: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung“ (Mk 16,15). Mit dem Dank an Gott für diese Sendung bitten wir zugleich um einen erneuerten Enthusiasmus, damit wir glaubwürdige Missionare seiner Auferstehung und seiner Gegenwart mitten unter uns in seiner heiligen Kirche werden können.

Liebe Brüder und Schwestern, nachdem wir Gott, dem Vater, Sohn und Heiligem Geist für die Auferstehung Jesu Christi und für das Fest der Barmherzigkeit gedankt haben, wollen wir auch der seligen Jungfrau Maria, der Königin des Himmels, danken und sie heute in besonderer Weise als Mutter der Barmherzigkeit anrufen. Möge sie, die selig ist, weil sie geglaubt hat, ohne gesehen zu haben (vgl. Lk 1,45), vom auferstandenen Herrn Jesus, ihrem Sohn und Gott, die Gabe des Glaubens erflehen, die Quelle des Friedens, der Freude und einer neuen missionarischen Dynamik. Amen.

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