Predigt von Nuntius Eterovic bei der Ablegung der Ewigen Gelübde der Cruzadas de Santa Maria

München, St. Ludwig, 14. Dezember 2019

(1 Kor 2,1-10; Ps 16; Joh 15,9-17)

Heiliger Johannes vom Kreuz
Ewige Gelübde Cruzadas de Sancta Maria

„Ich habe euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,15).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort Gottes, das wir gehört haben, wirft ein helles Licht auf die heutige Liturgie, in dessen Verlauf drei junge Frauen der Cruzadas de Santa Maria ihre ewigen Gelübde ablegen werden. Diese Feier findet im Advent statt, jener Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Heute feiern wir außerdem den Gedenktag des Heiligen Johannes vom Kreuz, Ordenspriester und Kirchenlehrer. Ich danke für die Einladung, dieser Heiligen Messe vorzustehen und freue mich, Euch alle im Namen des Heiligen Vaters Franziskus zu grüßen, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. In Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche erteile ich am Ende der Eucharistiefeier den Apostolischen Segen, vor allem den drei Frauen an ihrem Tag der ewigen Profess, aber auch Euch allen und Euren Angehörigen, Freunden und Bekannten. Wir haben also allen Grund, um Gott den Vater, Sohn und Heiligen Geist zu preisen, der uns in dieser historisch bedeutsamen Kirche von St. Ludwig in München zusammengeführt hat. Unter der Anleitung des Heiligen Geistes scheint mir, daß das Wort Gottes zwei Punkte für unsere Betrachtung vorschlägt. Das Christentum ist eine Religion der Liebe (I). Wir sind dazu gerufen, diese Liebe stets mit Leben zu erfüllen, in besonderer Weise in der Adventszeit, wo der Aspekt der Erwartung besonders unterstrichen wird und so die fortwährende Fruchtbarkeit Jesu Christi wiederentdeckt werden kann, wie der Heilige Johannes vom Kreuz lehrt (II).

1. Gott ist die Liebe

Als Augenzeuge der Lehre Jesu durch Wort und Tat hat der Heilige Apostel Johannes, vom Heiligen Geist erleuchtet, die schönste Definition Gottes formuliert, die sagt, daß Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8.16). Es handelt sich dabei nicht um eine abstrakte Definition, die nur durch philosophische Spekulationen erfassbar wäre. Vielmehr ist es eine Lebenserfahrung des an Jahren reifen Apostels, der sich in das Geheimnis Gottes hinabsenkt, der in Jesus Christus Mensch geworden ist, um alles mit unserer menschlichen Natur zu teilen, ausgenommen die Sünde, und uns durch das Opfer seines Lebens zu retten. Das lässt sich leicht aus den Sätzen des Lieblingsjüngers ableiten: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe. Darin offenbarte sich die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Darin besteht die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,8-10).

Auch der Abschnitt aus dem Johannesevangelium führt uns in diese Dimension der göttlichen Liebe und unterstreicht die Bedeutung dieser Wirklichkeit für uns Christen, die wir im Sakrament der Taufe in den Herrn Jesus Christus gleichsam eingefügt wurden. Jesus offenbart uns das Geheimnis der Liebe, das seine Beziehung mit Gottvater charakterisiert und sich nunmehr auch auf seine Jünger ausdehnt: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt“ (Joh 15,9). Um in dieser Liebe zu bleiben, müssen die Gebote gehalten werden (vgl. Joh 15,10). Und diese Gebote fasst Jesus in einem einzigen Gebot zusammenfassen: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Der größte Liebesbeweis ist, „wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Jesus Christus hat seine große Liebe zum Vater und zu uns dadurch gezeigt, daß er sein Leben zu unserem Heil am Holz des Kreuzes geopfert hat. Zwei weitere Punkte der Lehre Jesu sind dabei wichtig. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß es sich um eine Initiative Gottes handelt, der ruft: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Sodann geht es um die Frucht dieses Rufes in der Wirksamkeit des Gebetes: „Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet“ (Joh 15,16) und um das menschliche Glück: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,11).

Liebe Schwester, die ewigen Gelübde betreffen das ganze Leben in der Umsetzung von Gehorsam, Keuschheit und Armut, was auch bedeutet, sich für immer der Liebe Gottes anzuvertrauen, der uns das Geheimnis seines Lebens enthüllt hat, als er sich durch die Gnade des Heiligen Geistes in Seinem Eingeborenen Sohn Jesus Christus offenbarte. Ihr kennt die Wahrheit unseres Glaubens und habt sie schon erfahren, die wir mit den Worten des Heiligen Apostels Johannes wiederholen: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8.16) Gott ruft Euch, in dieses tiefe Meer seiner Liebe einzutauchen, so daß ihr jeden Tag erneut die Ausdrücke dieser Liebe, jene kleinen wie großen, entdeckt, die er seinen Freunden vorbehält: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,15). Das Lebensprogramm einer Gott und dem Dienst am Nächsten in der kirchlichen Gemeinschaft geweihten Person ist die Entdeckung dessen, was Jesus seinen Freunden durch die Heilige Schrift und die lebendige Tradition der Kirche, die auf authentische Weise vom kirchlichen Lehramt ausgelegt wird, offenbart hat.

2. Die Erwartung

Die Feier der ewigen Profess fällt in die Adventszeit, eine Zeit der Erwartung des Herrn Jesus, der in besonderer Weise am Weihnachtsfest kommen wird. Wir Christen erwarten die Ankunft dessen, dem wir schon begegnet sind und dessen Gegenwart wir in jeder Heiligen Messe feiern. Das christliche Leben ist in einem gewissen Sinn eine bleibende Erwartung. Auf diese Weise wird uns die Möglichkeit gegeben, im Glauben zu wachsen und „Gnade über Gnade“ zu empfangen (Joh 1,16). „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Er bleibt der Urgrund der Liebe Gottes, die der Mensch niemals völlig erfassen kann. Es geht also um den christlichen Weg, der einen Anfang hat, aber sich für immer fortsetzt in der seligen Schau des dreieinen Gottes in der Gemeinschaft der Heiligen. Auch der Heilige Johannes vom Kreuz zeigt mit seinem Lebenszeugnis und in seinen Schriften, von denen beispielhaft das Buch Aufstieg zum Berge Karmel erwähnt sei, die mystische Dimension des christlichen Lebens, die in der Nachahmung des gekreuzigten Christus besteht und uns in die dunkle Nacht der Entsagung und der glühenden Liebe zum Kreuz führt. Es handelt sich um die Weisheit des Kreuzes. Der Heilige Paulus beschreibt sie auf negative Weise, denn sie ist „nicht Weisheit dieser Welt oder der Machthaber dieser Welt, die einst entmachtet werden“ (1 Kor 2,6), und positiv, da „wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes verkünden, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung“ (1 Kor 2,7). Gott hat uns diese Weisheit durch den Heiligen Geist offenbart, der in unsere Herzen ausgegossen ist und für Jesus Christus Zeugnis ablegt. Und jener Herr hat versprochen: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen“ (Joh 15,26). Vom Heiligen Geist geführt, hat der Heilige Johannes vom Kreuz die Einzigartigkeit Jesu Christi eindrücklich zum Ausdruck gebracht, durch den Gottvater all das sagen ließ, was er den Menschen offenbaren wollte: „Da Gott uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein einziges und endgültiges Wort ist, hat er uns in diesem einzigen Wort alles auf einmal gesagt und nichts mehr hinzuzufügen ... Denn was er ehedem den Propheten nur teilweise kundgetan hat, das hat er in seinem Sohn vollständig mitgeteilt, indem er uns dieses Ganze gab, seinen Sohn. Wer darum den Herrn jetzt noch befragen oder von ihm Visionen oder Offenbarungen haben wollte, der würde nicht bloß unvernünftig handeln, sondern Gott beleidigen, weil er seine Augen nicht einzig auf Christus richtet, sondern Anderes und Neues sucht“ (Aufstieg zum Berge Karmel, II, 22 – zitiert von Papst Benedikt XVI. im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Verbum Domini, 14).

Liebe Schwestern und Brüder, das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria, das wir am vergangenen Montag gefeiert haben, erinnert uns an das Privileg, das Maria gewährt wurde, da sie schon vom ersten Augenblick ihres Lebens vor der Sünde bewahrt wurde, und wir werden daher ermuntert, Gott für diese große Gnade an die neue Eva zu preisen. Zugleich erinnert uns die selige Jungfrau Maria daran, daß wir alle zur Heiligkeit in dem Lebensstand, zu dem uns Gott gerufen hat, berufen sind. Liebe Schwestern, ergreift die Gnade des Heiligen Geistes und antwortet auch ihr Gott wie Maria es getan hat, als der Engel Gabriel zu ihr kam: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Auf diese Weise wird die heutige Entscheidung immer fruchtbarer in der Verfügbarkeit, Gottes Willen zu erfüllen. Gott ist die Liebe und er verlangt von Euch eine Antwort der Liebe, die jeden Tag zu leben ist, vor allem in der Liebe zu den Menschen, denen ihr im Lauf des Lebens und bei Eurem apostolischen Wirken begegnet. Amen.

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