Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt zum 100. Stiftungsfest der KDStV Niedersachsen

St. Aegidien zu Braunschweig, 29. Mai 2022

(Apg 7,55-60; Ps 97; Offb 22,12-14.16-17.20; Joh 17,20-26)

7. Ostersonntag – LJ C

100.+2 Stiftungsfest der KDStV Niedersachsen

„Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21).

Verehrte Aktivitas und Altherrenschaft der Katholischen Deutschen Studentenverbindung (KDStV) Niedersachsen!

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Evangelium des heutigen Sonntags ist dem Gebet Jesu vor seinem Leiden und Tod entnommen. Dieses Gebet wird traditionell hohepriesterlich genannt, denn in ihm werden die tiefen Empfindungen zum Ausdruck gebracht, die den Herr Jesus beschäftigen, denn für uns und zu unserem Heil nimmt er die Demütigungen, den Verrat, das Leiden und den Tod auf sich. Sein Kreuzweg aber ist der Weg zur Auferstehung und zum endgültigen Sieg über Sünde und Tod. Allen denen, die an den Herrn Jesus glauben, die mit ihm durch das Sakrament der Taufe vereint sind und sich mühen, den Willen Jesu Christi zu erfüllen, der „das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“ (Offb 22,13) ist, allen diesen ist schon das Tor zum Himmel geöffnet, was ewiges Leben bedeutet.

Es ist mir ein Anliegen, Euch alle von Herzen in besonderer Weise zu grüßen, vor allem jene, die zur Katholischen Deutschen Studentenverbindung Niedersachsen gehören oder die Mitglied verschiedener Verbindungen im Cartellverband (CV) oder anderer katholischer Verbände (KV, UNITAS, RKDB) sind und alle Eure lieben Gäste, vor allem die Ehefrauen und Freundinnen. Ich danke für die Einladung durch den Philistersenior Dr. Michael Budde und für die Möglichkeit, mit Euch und dem Hochwürdigen Herrn Propst Reinhard Heine diese festliche Eucharistie hier in Braunschweig zu feiern. Ebenso herzlich grüße ich die Aktivitas unter dem Senior Jan Hömme. Das Wort Gottes, das wir gehört haben, ermuntert uns alle, die zu diesem großen Jubiläumsstiftungsfest (I) gekommen sind, immer mehr zu aktiveren Jüngern Jesu Christi in unserer zunehmend stärker säkularisierten Welt zu werden und eifrige Missionare Seines Evangeliums der Einheit (II) und der Liebe (III) zu sein.

1. „Ich bitte nicht nur für diese hier“ (Joh 17,20).

Der Herr Jesus liebte und kümmerte sich um seine Jünger, die ihm über die drei Jahre seines öffentlichen Wirkens in Galiläa und Judäa gefolgt sind. Vor seinem Tod hinterließ er ihnen seinen letzten Willen, der uns durch den heiligen Johannes überliefert wurde. Es erfüllt uns mit großer Freude, dass der Apostel, „den Jesus liebte“ (Joh 13,23), bezeugt hat, der Herr habe nicht nur für die Zwölf gebetet, sondern für alle Christen, also auch für uns: „Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben“ (Joh 17,20). Auch wir glauben an Jesus durch das Wort der Apostel und aufgrund des Zeugnisses ihres Lebens, das ganz und bis zum Martyrium dem Dienst am Evangelium geweiht war. In der ersten Lesung haben wir vom Zeugnis des heiligen Stephanus gehört, dem ersten Blutzeugen für Christus (Apg 7,55-60). An diese Wahrheit erinnern wir, wenn wir im Glaubensbekenntnis ausdrücken: „Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“. Die Kirche ist apostolisch, denn sie ist auf den Glauben der Apostel gegründet, welche die engsten Gefährten Jesu Christi waren und Zeugnis von seinem Leben gaben und von seiner Verkündigung, die von Wundern begleitet wurden. Vor allem aber verkündeten sie seinen Tod und seine Auferstehung (vgl. Apg 1,21-22).

Liebe Niedersachsen, auch ihr seid im hohepriesterlichen Gebet Jesu Christi enthalten. Das ist eine große Ehre, mit der die Pflicht verbunden ist, der christlichen Berufung würdig zu sein. Im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten, übermittle ich Euch seine herzlichen Grüße und die guten Wünsche zum 100. Stiftungsfest Eurer verehrten Verbindung, die im Jahre 1920 gegründet worden ist. Leider war es aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich, dieses Ereignis vor zwei Jahren in festlichem Rahmen zu feiern. So sind wir heute dem dreieinen Gott dankbar für die Gaben und Wohltaten, die er in diesen 100 plus zwei Jahren Eurer Verbindung und ihren Mitgliedern geschenkt hat, die zur großen Gemeinschaft des Cartellverbandes (CV) der katholischen deutschen Studentenverbindungen gehört. Ihm gehören mehr als 125 Verbindungen mit etwa 30.000 Mitgliedern an. Zu den Grüßen und guten Wünschen des Heiligen Vaters Franziskus erhaltet Ihr seinen Apostolischen Segen, den ich in seinem Namen am Ende der Heiligen Messe auf Euch herabrufe, die Ihr hier in dieser schönen und ehrwürdigen Aegidienkirche anwesend seid, und auf alle, die zu Eurer Verbindung gehören, aber nicht hier sein können, vor allem Eure alten und kranken Bundesbrüder und ihre Familien, sowie auf jene, die Euch lieb sind. Papst Franziskus wünscht, dass sein Gebet und sein Segen für Euch alle Ansporn sei, stets besser die Ideale des Cartellverbandes und damit auch Eurer Verbindung zu leben, die sich in den vier Prinzipien ausdrücken: Religio, Scientia, Amicitia, Patria.

2. „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21).

Der Herr Jesus betet an erster Stelle um die Einheit seiner Jünger. Es handelt sich um eine derart wichtige Wirklichkeit, die insbesondere seine Beziehung zwischen Ihm und seinem Vater auszeichnet: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Die Einheit unter den Jüngern wird zum Argument vor der Welt und notwendig für die Glaubwürdigkeit der Sendung des Herrn Jesus, dem Haupt der Kirche, die sein Leib ist (vgl. Eph 5,23; Kol 1,24). Die Einheit in Gott, die sich bei den Jüngern Jesu Christi widerspiegeln soll, wird zum Ausdruck der Herrlichkeit Gottvaters. Das bringt der Herr selbst im hohepriesterlichen Gebet zum Ausdruck: „Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast“ (Joh 17,22-23).

Liebe Brüder und Schwestern, die Worte des Herrn Jesus verwirklichen sich in seiner Kirche auf konkrete Weise. Das sichtbare Zeichen der Einheit im Glauben, in der Liebe und Caritas ist die lebendige Verbindung mit dem jeweiligen Ortsbischof, wie auch mit dem Heiligen Vater Franziskus, dem Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche. In der Dogmatischen Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, des Zweiten Vatikanischen Konzils wird dies klar und deutlich gelehrt: „Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar“ (LG 23). Daher ist das hohepriesterliche Gebet Jesu für die katholische Kirche wesentlich und zeigt sich in der sichtbaren Einheit zwischen den Bischöfen als Hirten der Teilkirchen und dem Bischof von Rom, mit Papst Franziskus. Das heißt auch für jeden katholischen Christen, dass er mit seinem Bischof und jedem Bischof, der mit dem Heiligen Vater in Einheit verbunden ist, eins sei. In jeder Heiligen Messe beten wir um diese Einheit, die ohne Zweifel eine Gabe Gottes ist, wenn wir den Namen des Papstes und den des Diözesanbischofs nennen. Die Einheit der Kirche hat noch viele andere theologische und ekklesiologische, geistliche und ökumenische Bezüge, die ausführlich im Katechismus der Katholischen Kirche beschrieben sind (Nr. 813-822). In allen Verbindungen des Cartellverbandes ist ein Wort, das dem heiligen Augustinus zugeschrieben wird, bekannt. Noch besser ist, es wird in allen auch gelebt: „Im Notwendigen die Einheit, im Zweifel die Freiheit, in allem die Liebe“.

3. „Damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin“ (Joh 17,26).

Eine weitere wichtige Gabe, die Jesus Christus von seinem und unserem Vater erbittet, ist die Liebe. Im kurzen Text des heutigen Evangeliums wird sie dreimal genannt. Zuerst verbindet der Herr die Liebe mit der vollendeten Einheit: „Ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast“ (Joh 17,23). Deswegen soll die Einheit der Jünger Jesu Christi die Einheit zwischen Ihm und dem Vater spiegeln. Auf diese Weise wird Einheit nicht allein zu einem Kriterium der Glaubwürdigkeit der Kirche in der Welt, sondern drückt die Liebe aus, die der Vater zum Eingeborenen Sohn hat und an der seine Jünger teilhaben, also wir alle. Sodann bittet der Herr Jesus, dass die Jünger seine ursprüngliche Herrlichkeit kennen und die Liebe betrachten, mit welcher der Vater Seinen Sohn schon „vor der Erschaffung er Welt“ geliebt hat. „Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon geliebt hast vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24). Zum dritten Mal bittet der Herr um die Gabe, die Jünger mögen an der tiefen Liebe teilhaben, welche die  Allerheiligste Dreifaltigkeit auszeichnet, insbesondere die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn. Im Unterschied zur Welt, der sich die Liebe Gottes nicht erschließt, haben die Jünger über Jesus Christus seinen und ihren Vater erkannt und haben mittels der Kraft des hohepriesterlichen Gebets Jesu die Möglichkeit, in diesem Geheimnis der Liebe zu bleiben. „Gerechter Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin“ (Joh 17,25-26).

Der heilige Johannes hat uns die schönste Definition Gottes hinterlassen, wenn er sagt: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8.16). Gott, der „uns zuerst geliebt hat“ (1 Joh 4,19), erwartet daher von uns die Antwort der Liebe. In diesem Kontext ermahnt uns der Herr Jesus: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Und Jesus hat uns bis zur Vollendung geliebt (vgl. Joh 13,1), bis hin zum Opfer seines Lebens für uns Sünder. Allein und nur mit unseren Kräften können wir nicht in dieses große Geheimnis der Liebe des dreieinen Gottes vordringen. Daher hat uns der verherrlichte Herr den Heiligen Geist gesandt, den Parakletos (παράκλητος), den Tröster und Anwalt, den Geist der Wahrheit, der uns „in der ganzen Wahrheit leitet“ (Joh 16,13). Diese Botschaft ist hoch aktuell in der Erwartung des Hohen Pfingstfestes.

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir diese guten Vorsätze der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Königin des Friedens, die „voll der Gnade“ (Lk 1,38) ist und in diesem Monat Mai als Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz besonders verehrt wird. Der Maria Immaculata ist dieser Kirchbau geweiht, und die Mutter Jesu und unsere Mutter möge den guten und barmherzigen Gott um die Gabe des Heiligen Geistes bitten, damit wir dem Beispiel Jesu Christi folgen und Gott und den Nächsten lieben, indem wir heute in der Kirche die Einheit in der Liebe leben. Amen.

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