Predigt von Nuntius Eterovic zum Hochfest der Geburt Johannes des Täufers

Dom St. Petri zu Bautzen, 24. Juni 2021

(Jes 49,1-6; Ps 139; Apg 13,16.22-26; Lk 1,57-66.80)

Hochfest der Geburt Johannes des Täufers
800 Jahre Domkapitel St. Petri

„Was wird wohl aus diesem Kind werden?“ (Lk 1,66).

Exzellenz, verehrter Bischof Timmerevers,
sehr geehrte Mitglieder des Domkapitel St. Petri,
liebe Schwestern und Brüder!

Mit diesen Worten drücken die Eltern Zacharias und Elisabeth und die Angehörigen ihre Verwunderung angesichts der außergewöhnlichen Umstände der Geburt Johannes des Täufers aus. Seine Mutter wird noch in ihrem Alter begnadet, ein Kind zu empfangen und zu gebären. Nach einer Vision des Engels im Tempel von Jerusalem verstummt sein Vater Zacharias. Erst nachdem er auf eine Tafel geschrieben hatte: „Johannes ist sein Name“ (Lk 1,63), kann er wieder sprechen. Dieser Name bedeutet: Gott hat erhört oder Gott ist gnädig, aber auch Gabe und Gnade Gottes. Für die Eltern von Johannes drücken all diese Bedeutungen ihre tiefe Dankbarkeit gegenüber JHWH aus, der dem Paar in seiner großen Barmherzigkeit einen Sohn geschenkt und für ihn eine besondere Sendung vorgesehen hat. Das Volk erkannte dies schon zu Beginn des Lebens von Johannes durch die begleitenden ungewöhnlichen Zeichen, angefangen bei seiner Zeugung. Denn als die Mutter Jesu ihre Cousine besuchte und „als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,41-45).

Liebe Brüder und Schwestern, am Hochfest der Geburt Johannes des Täufers ist es richtig zu betonen, dass die Größe von Johannes darin besteht, der Vorläufer Jesu Christi zu sein (I). Sein Bekenntnis zu Jesus erinnert an das des Apostels Petrus (II), der nach dem Willen des Herrn eine fundamentale Rolle in der Kirche gehabt hat. Aus diesem Blickwinkel verstehen wir auch die 800-Jahr-Feier der Errichtung des Domkapitels St. Petri zu Dresden in richtiger Weise, sowie die Aktualität der Botschaft, die der Herr Jesus an uns alle in diesem Moment des kirchlichen Lebens richtet (III).

1. „Seht das Lamm Gottes!“ (Lk 1,36)

Nach den biblischen Berichten hatte Jesus große Wertschätzung für Johannes den Täufer. So hat er dessen Zeugnis gelobt, wenn er sagt: „Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt? Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Siehe, Leute, die sich prächtig kleiden und üppig leben, findet man in den Palästen der Könige. Oder wozu seid ihr hinausgegangen? Um einen Propheten zu sehen? Ja, ich sage euch: Sogar mehr als einen Propheten. Dieser ist es, von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bahnen wird“ (Lk 7,24-27), um abschließend hinzuzufügen: „Ich sage euch: Unter den von einer Frau Geborenen gibt es keinen größeren als Johannes; doch der Kleinste im Reich Gottes ist größer als er“ (Lk 7,28). Es ist offensichtlich, dass Johannes zum Alten Testament gehört, wenn er der Vorläufer gewesen ist. Jene, die im Neuen Testament durch die Taufe mit Jesus Christus und durch den Heiligen Geist mit Gottvater verbunden sind, sind größer als er, nicht durch persönliche Verdienste, sondern wegen der unendlichen Güte unseres dreieinen Gottes.

Seinerseits hat Johanes der Täufer ein einzigartiges Zeugnis über Jesus Christus abgelegt, wenn er ausruft: „Seht das Lamm Gottes!“ (Lk 1,36). Der Evangelist Johannes fügt hinzu: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ (Joh 1,29). Um diese Worte sagen zu können, war eine Inspiration vom Himmel nötig. Denn Johannes der Täufer führt aus: „Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, damit er Israel offenbart wird. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft“ (Joh 1,30-33).

2. „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16)

Das Bekenntnis von Johannes dem Täufer zu Jesus: „Seht das Lamm Gottes“ (Lk 1,36) lässt an das von Simon Petrus in der Gegend von Cäsarea Philippi denken. Auf die Frage Jesu an die Apostel: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich“ (Mt 16,15) ergreift Simon Petrus das Wort und antwortet: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Wie vorher Johannes der Täufer wurde auch der Heilige Petrus vom Heiligen Geist inspiriert, um Jesus als Messias und Sohn Gottes zu erkennen. Das zeigt klar das lobende Wort des Herrn Jesus: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Der Antwort des Apostels folgt die Verheißung des Meisters: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,18-19).

Auch der Petrus unserer Tage, der Heilige Vater Franziskus, der 265. Nachfolger des Heiligen Petrus, hat dieselbe Sendung, Jesus in der Kirche und vor der Welt zu bekennen: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). In diesem Bekenntnis findet sich der Kern seiner kirchlichen Sendung, die der Herr Jesus auch mit den Worten ausgedrückt hat: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du wieder umgekehrt bist, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,31-32). Im Namen von Papst Franziskus, den ich in der Bundesrepublik Deutschland vertrete, lade ich Euch zur Erneuerung unseres Glaubens an Jesus Christus ein, den Sohn des lebendigen Gottes. Zugleich übermittle ich die herzlichen Grüße des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche, „immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (LG 18). Am Ende dieser Heiligen Messe erteile ich Euch gerne in seinem Namen den Apostolischen Segen.

3. Dank für 800 Jahre des Domkapitels St. Petri

Bei dieser festlichen Eucharistiefeier danken wir gemeinsam dem dreieinen Gott für den 800. Jahrestag der Errichtung des Domkapitels St. Petri in Bautzen. Der Bischof von Meißen, Bruno II. (ca. 1209-1228), hat dieses Kapitel einige Zeit vor der Weihe des Chores dieser ehrwürdigen Kirche am 24. Juni 1221 als Kollegiatkapitel errichtet. In den schwierigen Zeiten der Reformation war dem Kapitel die Apostolische Administration der Diözese Meißen in den beiden Lausitzen anvertraut und sorgte für die Seelsorge an den katholischen Sorben, was dieser katholischen Gemeinschaft zu überleben geholfen hat. Papst Benedikt XV. hat 1921 das Bistum Meißen mit Sitz in Bautzen wiedererrichtet und das Kollegiatkapitel zum Kathedralkapitel erhoben. Um dieses freudige Ereignis zu feiern, hat der damalige Nuntius in Deutschland, Erzbischof Eugenio Pacelli, Eure verehrte Diözese besucht. Wie bekannt, hat der Heilige Papst Johannes Paul II. im Jahr 1980 die Diözese Dresden-Meißen errichtet und den Kathedralsitz von Bautzen nach Dresden verlegt. Auch der Sitz des Kathedralkapitels von St. Petri wurde von Bautzen an die Kathedrale der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, der Hofkirche nach Dresden verlegt.

Die Geschichte des Domkapitels St. Petri, wie auch die des Bistums Dresden-Meißen ist eng verbunden mit dem Heiligen Stuhl, der ein besonderes Augenmerk auf diesen Teil des Volkes Gottes hatte, was die unmittelbare Unterstellung des Domkapitels St. Petri unter den Apostolischen Stuhl im Jahre 1570 zeigt. Die Beziehungen zum Bischof von Rom waren während der Zeit des Kommunismus und der DDR besonders wichtig. Auch der Patron des Domkapitels, der Heilige Petrus, bringt die enge kirchliche Gemeinschaft mit dem römischen Pontifex zum Ausdruck. Diese Treue zum Stuhl des Heiligen Petrus, der den Vorsitz in der Liebe innehat (vgl. Hl. Ignatius, Brief an die Römer, 1) soll nicht einfach eine glorreiche Erinnerung sein. Sie ist vor allem die eindringliche Einladung, das Band des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in der einen, heiligen, katholischen Kirche zu erneuern, die im Papst als Nachfolger des Petrus „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ hat (LG 23). Und so schließt die Treue zum Heiligen Vater die Annahme seiner Anordnungen ein, die er auch durch seine verantwortlichen Mitarbeiter in der Römischen Kurie trifft.

Liebe Brüder und Schwestern, kommen wir zur Eingangsfrage zurück: „Was wird wohl aus diesem Kinde werden?“ (Lk 1,66), so können wir antworten, dass Johannes der Täufer der Größte ist, der je von einer Frau geboren wurde, weil er vom Heiligen Geist inspiriert in Jesus Christus das Lamm Gottes erkannt hat, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (vgl. Joh 1,29). Diesem Glaubenszeugnis fügen wir das Bekenntnis des Apostels Petrus hinzu: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Dies ist auch die Botschaft, die auch wir immer wieder ergreifen und den Nahen und Fernen dieser Zeit verkünden müssen, die von einem diffusen Säkularismus und von religiöser Gleichgültigkeit gekennzeichnet ist. Die 800-Jahr-Feier Domkapitels St. Petri zu Dresden hier in Bautzen erinnert uns an diese immer gültig bleibende Wahrheit. Mit dem Apostelfürsten Petrus verkünden auch wir: „Dieser Jesus ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist. Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,11-12).

Vertrauen wir unsere guten Vorsätze der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, deren Verehrung tief im Glauben eures Volkes verwurzelt ist. Mit all Euren heiligen Schutzpatronen möge sie von Gott, dem Vater, Sohn und Heiligem Geist die Gnade eines lebendigen Glaubens, glühender Liebe und unergründlicher Hoffnung erflehen. So sollen wir alle zu eifrigen Christen und glaubwürdigen Zeugen Jesus Christi werden, über die der Herr den Geist in Fülle ausgießt, damit wir immer tiefer Gott und den Nächsten lieben, vor allem jene, die unsere materielle und geistliche Hilfe brauchen. Amen.

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