Wort des Apostolischen Nuntius an die Dritte Synodalversammlung des Synodalen Weges
Frankfurt a.M., den 5. Februar 2022
Liebe Schwestern und Brüder,
„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (1 Kor 1,3). Mit diesem Gruß des heiligen Paulus aus dem ersten Brief an die Gläubigen in Korinth, dem an den ersten Sonntagen des Jahreskreises die zweite Lesung entnommen wird, grüße ich Sie alle sehr herzlich. Der Völkerapostel wendet sich in dieser wohl ältesten Schrift des Neuen Testamentes „an die Kirche Gottes, die in Korinth ist - die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen“ (1 Kor 1,2). Paulus pocht auf diese Berufung, nicht zuletzt, um die Christen vor Spaltungen (1 Kor 1,10-13) und moralisch verwerflichem Handeln (vgl. 1 Kor 5,1-5) zu warnen. Der Apostel drängt zur Umkehr und Wiederaufnahme des Weges zur Heiligkeit, denn sie ist die Berufung eines jeden Christen, was das Zweite Vatikanische Konzil vor allem in der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium (LG) im fünften Kapitel betont hat, das überschrieben ist: Die allgemeine Berufung zur Heiligkeit in der Kirche.
Ich danke besonders dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Seiner Exzellenz Mons. Dr. Georg Bätzing, und der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Frau Dr. Irme Stetter-Karp, für die freundliche Einladung, mich in meiner Eigenschaft als Beobachter an diese Dritte Synodenversammlung zu wenden. Ich tue dies gerne, vor allem im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche, den ich in der Bundesrepublik Deutschland vertrete. Der Papst ist gleichsam der Bezugspunkt und das Zentrum der Einheit von über 1,3 Milliarden (1.328.993.000) Katholiken weltweit, wovon 22,6 Millionen (22.600.371) in Deutschland leben. Die Einheit der Katholischen Kirche drückt sich insbesondere in der Einheit des Bischofskollegiums, wie auch durch die vielfältigen Beziehungen zwischen den einzelnen Ortskirchen und mit der Weltkirche aus. „Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar“ (LG 23).
Das Thema der Synodalität in der Katholischen Kirche liegt dem Heiligen Vater Franziskus sehr am Herzen. Er bringt dies zum Ausdruck, wenn er sagt: „Dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“ (Ansprache zur 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode, 17. Oktober 2017). Er hat angekündigt, dass im Jahr 2023 die XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode unter dem Thema steht: „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“. Wir befinden uns derzeit in der ersten Phase der Vorbereitung auf dieses wichtige Ereignis, in der die Ortskirchen aufgerufen sind, ihre Gedanken und Anliegen zu diesem Thema dem Generalsekretariat der Bischofssynode zu übermitteln. Die Synodenversammlung der Weltkirche dient auch jenen Teilkirchen als Orientierungsrahmen, die sich schon auf einem synodalen Weg befinden, wie es bei der katholischen Kirche in Deutschland der Fall ist. An dieser Stelle danke ich dem Synodalbüro für die regelmäßige Zustellung der jeweiligen Dokumente an die Apostolische Nuntiatur in Berlin. So wird es ihr erleichtert, den Heiligen Vater und seine engsten Mitarbeiter über den Fortgang des synodalen Weges in Deutschland objektiv zu unterrichten. Der Bischof von Rom hat den deutschen Katholiken seine maßgebliche Sicht am 29. Juni 2019 in dem bekannten Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland dargelegt.
Der Papst spricht oft von der Synodalität und den damit verbunden positiven Aspekten, ermuntert aber ebenso, ein falsches Verständnis und Irrtümer zu vermeiden. Als charakteristische Aspekte von Synodalität erwähnt der Bischof von Rom vor allem: Synodalität ist eine Gabe des Heiligen Geistes; sie ist der Weg zu einer kirchlichen Gemeinschaft, deren Auftrag die Mission ist, die Evangelisierung der Welt von heute; die synodale Kirche erfordert die Teilhabe aller, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen. Gleichzeitig warnt Papst Franziskus vor Parlamentarismus, Formalismus, Intellektualismus und Klerikalismus.
In diesem Beitrag möchte ich mich auf zwei jüngste Äußerungen Seiner Heiligkeit beziehen. In der ersten unterstreicht er die Einübung in die Unterscheidung, wenn er ausführt: „Ich möchte auf die Notwendigkeit der Unterscheidung im synodalen Prozess eingehen. Einige mögen denken, dass der synodale Weg darin besteht, allen zuzuhören, Anträge zu stellen und Ergebnisse zu liefern. Viele Stimmen, viele Stimmen, viele Stimmen… Nein. Ein synodaler Weg ohne Unterscheidung ist kein synodaler Weg. Es ist beim synodalen Prozess beständig nötig, Meinungen, Standpunkte, Reflexionen zu unterscheiden. Man kann den Weg der Synode nicht gehen, ohne zu unterscheiden. Diese Unterscheidung wird die Synode zu einer wahren Synode machen, deren wichtigste Person – wir sagen es einmal so – der Heilige Geist ist, und nicht ein Parlament oder eine Befragung von Meinungen, wie es die Medien tun können. Daher betone ich: Unterscheidungsvermögen im synodalen Prozess ist wichtig“ (Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre, 12. Januar 2022). In seiner zweiten Äußerung spricht er von der Bedeutung des Wortes Gottes für eine solche Unterscheidung. Dabei handelt es sich um die Heilige Schrift, die „als Wort Gottes verkündigt, gehört, gelesen, aufgenommen und gelebt werden (muss), und zwar in der Spur der apostolischen Überlieferung, mit der es untrennbar verknüpft ist“ (Verbum Domini, 7; vgl. Dei Verbum 10). Für Papst Franziskus ist „das Wort Gottes auch das Leuchtfeuer, das den synodalen Weg leitet, der in der ganzen Kirche begonnen hat. Während wir uns bemühen, einander mit Aufmerksamkeit und Unterscheidungsvermögen zuzuhören – denn es geht dabei nicht darum, Meinungsforschung zu betreiben, nein, sondern um die Unterscheidung des Wortes –, dann lasst uns gemeinsam auf das Wort Gottes und den Heiligen Geist hören. Und möge uns die Gottesmutter die Beständigkeit geben, uns jeden Tag vom Evangelium zu nähren“ (Angelus, 23. Januar 2022).
Am 21. Januar 2022 hat der Heilige Vater Franziskus den heiligen Irenäus von Lyon (um 135 bis 202) zum Kirchenlehrer unter dem Titel des doctor unitatis (Lehrer der Einheit) erhoben. Mit einem kurzen Abschnitt aus dessen Schrift Adversus haereses beende ich meinen Beitrag: „Die Kirche bewahrt, obwohl sie über die ganze Welt zerstreut ist, sorgfältig [den Glauben der Apostel], als ob sie in einem Haus allein wohnte; auf dieselbe Weise glaubt sie an diese Wahrheiten, als ob sie nur eine Seele und dasselbe Herz hätte; in voller Übereinstimmung verkündigt, lehrt und überliefert sie diese Wahrheiten, als ob sie nur einen Mund hätte. Es gibt verschiedene Sprachen auf der Welt, aber die Kraft der Überlieferung ist einzig und dieselbe: Die in Germanien gegründeten Kirchen glauben und überliefern nicht anders als die in Spanien oder bei den Kelten, die im Orient oder in Ägypten, die in Libyen oder in der Mitte der Welt“ (Adv. Haer., I,10,1-2).
Möge der synodale Weg zur Tiefe dieser katholischen Dimension der Einheit in der Vielfalt gelangen, damit schon in unseren Tagen ein Vorgeschmack jener großartigen Vision der Offenbarung gegeben sei, wenn es heißt: „Ich sah eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“ (Offb 7,9), die wie mit einer Stimme ruft: „Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm“ (Offb 7,10).
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.