Predigt von Nuntius Eterovic am 23. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 8. September 2019

(Weish 9,13-18; Ps 90; Phlm 9b,10.12-17; Lk 14,25-33)

„Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lk 14,27).

Liebe Schwestern und Brüder!

Im Abschnitt aus dem Evangelium des Heiligen Lukas, das verkündet worden ist, finden sich die unverzichtbaren Voraussetzungen dafür, um ein Jünger Jesu Christi zu werden. Es handelt sich zum einen um eine Berufung, andererseits um eine wesentliche Entscheidung, ist also eine Frucht der Gnade Gottes und der Wahlfreiheit des gerufenen Menschen. Der Ruf erfordert eine ernsthafte Prüfung bevor man sie für sein ganzes Leben annimmt, indem man sich Jesus und seinem Evangelium großherzig weiht. Wir wollen bei den Worten Jesu verweilen (I) und bei deren Anforderungen (II), welche wir auf unser Leben anzuwenden suchen (III).

1. Drei Aussprüche Jesu

Unsere Aufmerksamkeit sei auf die drei starken Sätze des Herrn Jesus gelenkt:

Der erste Satz hat in besonderer Weise eine Interpretation nötig, ist er doch ein Ausspruch in semitischer Form. Es ist nötig, den Umfang der Worte Jesu zu erfassen: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben hasst (gering achtet), dann kann er nicht mein Jünger sein“ (Lk 14,26). In dem semitischen Ausspruch, wovon die Bibel voll ist, bedeutet hassen ein weniger lieben. Daher verlangt der Herr von seinem Jünger, daß er ihn seinem Vater, seiner Mutter etc. vorzieht. Der Vorrang kommt Jesus zu, dem Menschen und Gott, der den Menschen in seine Nachfolge ruft. Die gerufene Person wird darauf wahrhaft antworten, wenn er den Herrn mehr als seine Angehörigen liebt und seinen Lebensstil vom Augenblick der Berufung an ändert.

Den zweiten Satz erfassen wir leichter: „Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lk 14,27). Normalerweise verstehen wir unter dem Kreuz, von dem Jesus spricht, Schwierigkeiten, Mühsal, Spott und letztlich Verfolgung, die wir erleiden müssen, weil wir Christen sind. Aber es gibt auch einen tieferen Sinn. Das Tragen des Kreuzes will sagen, Jesus zu folgen, der seine Gottheit nicht festhielt, „sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ (Phil 2,7). Jesus hat darauf verzichtet, wie Gott zu sein, um den Menschen zu dienen und sie durch die Auferstehung zu erlösen, was über den Tod am Kreuz erreicht worden ist. In der Einheit mit dem Herrn Jesus trägt auch der Christ sein Kreuz und nimmt so teil an der Blöße des Meisters, der sein Leben der Liebe zu Gott und dem Nächsten geweiht hat.

Der dritte Satz fordert aufgrund der Nachfolge ein Loslassen der irdischen Güter: „Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet“ (Lk 14,33). Jesus spricht oft von der Beziehung zu den materiellen Dingen und warnt vor der Lust am Reichtum. „Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Mt 6,24). Der Christ sollte von den irdischen Gütern nicht abhängig sein. Er soll sie vielmehr zu seinem Nutzen und zum Wohl des Nächsten einsetzen und niemals deren Sklave werden.

2. Der Weg zur Entscheidung

Mit zwei Beispielen führt die Lehre Jesu seinen Jünger zur Reflektion und zur Entscheidung. Sein Ruf ist ernsthaft, wie es auch die Antwort des Menschen ist. So wie im Beispiel dessen, der einen Turm bauen will und vor den Bauarbeiten die für die Vollendung des Baus nötigen Mittel kalkulieren muss, so muss der Jünger sich selbst kennen und das, was ihm menschlich und geistlich zur Verfügung steht, um auf moralisch gute Weise dem Herrn Jesus folgen zu können. Darüber hinaus muss er ein Mensch des Glaubens sein und auf die Gnade vertrauen, die Gott in Fülle denen schenkt, die er in seinen Dienst ruft. Ohne diese Kraft, die vom anderen, „von oben“ kommt, wäre der Jünger nicht in der Lage, einen geistlichen Kampf gegen das Böse in sich und in der Welt zu führen, insbesondere nicht gegen den Teufel, der „wie ein brüllender Löwe umhergeht und sucht, wen er verschlingen kann“ (1 Petr 5,8).

Das christliche Leben, vor allem das Leben des Jüngers, der zur Vollkommenheit im Priesterstand oder im geweihten Leben gerufen ist, erfordert eine ernsthafte Entscheidung im Licht des Wortes Gottes, wobei in menschlicher und geistlicher Hinsicht erfahrene und reife Persönlichkeiten helfen können.

3. Sich selbst verleugnen

Bei dem Versuch, das Wort Gottes auf uns und auf jene in die Nachfolge Jesu gerufenen Menschen anzuwenden, können wir einen gemeinsamen Nenner aufzeigen: die Selbstverleugnung. Der Mensch ist Sünder, auch wenn er zur Heiligkeit berufen ist. Daher vermischen sich häufig in seinen Absichten und den Motiven des Handelns die guten und bösen Aspekte, besonders der Egoismus, der Wille zum Erfolg, der Hunger nach Anerkennung, Macht und Reichtum. Um Jesus folgen zu können, muss man sich von solchen Gefühlen befreien. Nur in einem reinen Herzen findet der dreieine Gott eine würdige Wohnung. Diese Gegenwart ermöglicht die Verwandlung des Menschen und erschafft aus ihm einen authentischen Jünger Jesu Christi. Gott bittet um alles und gibt seinerseits alles. So ist der Christ, der den Herrn Jesus mehr als seine Angehörigen liebt, ein von der göttlichen Liebe Verwandelter, der mit dem Herzen Jesu seinen Vater, seine Mutter, seine Frau, die Kinder, Brüder und Schwestern liebt, wie auch sein eigenes Leben, das bereit ist, zugunsten des Nächsten geopfert zu werden. Von der Gnade des Heiligen Geistes beseelt, wird der Christ fähig, dem Beispiel Jesu zu folgen, sein Kreuz auf sich zu nehmen, um auf diese Weise das Böse in Gutes zu wandeln und in den Tod den Samen der Auferstehung zu legen. Auf diese Weise nimmt er teil an der wahren Verwandlung der Kirche, deren Mitglied er ist, und zur Besserung der ganzen Welt. Hineingenommen in den Herrn Jesus, entdeckt der Christ, daß der wahre Wert der irdischen Güter darin besteht, sie mit den Armen und den Notleidenden zu teilen, insbesondere mit denen, die Hunger leiden, mit den Kranken und mit jenen, die sich am der Rand der Gesellschaft befinden.

Bitten wir Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist, er möge unsere Herzen für die Tiefe des Rufes zum christlichen Leben öffnen. Auf diesem Weg sind wir nicht allein, denn es sind uns schon viele Heilige vorangegangen, unter denen die selige Jungfrau Maria, die Gottesmutter und unsere Mutter, einen besonderen Platz einnimmt. Ihrer mächtigen Fürsprache vertrauen wir unsere Antwort an, Jesus Christus zu folgen, indem wir das je eigene Kreuz aufnehmen und hinter ihm hergehen (vgl. Lk 14,27) und uns seiner Zusage erinnern: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“ (Mt 11,28-30). Amen.

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