Predigt von Nuntius Eterovic am 28. Sonntag im Jahreskreis
Apostolische Nuntiatur, 13. Oktober 2024
(Weish 7,7-11; Ps 90; Hebr 4,12-13; Mk 10,17-30)
„Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!“ (Mk 10,23).
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Liebe Schwestern und Brüder!
Diese Worte des Herrn Jesus fordern uns jedes Mal heraus, wenn wir sie hören. Sie treffen uns unmittelbar, und wir können provokativ sagen, sie treffen den Sinn unseres Lebens als Menschen und Christen. Daher lehrt uns der Herr den rechten Gebrauch der materiellen Güter, die wir alle nötig haben, was wir jedoch in rechter Weise tun müssen: Wir sollen nicht Knechte von Dingen oder des Reichtums werden, sondern wir müssen lernen, sie zu unserem und zum Wohl des Nächsten einzusetzen.
Um den Willen des Herrn gut zu erfassen, müssen wir unsere Herzen der göttlichen Weisheit öffnen, die uns offenbart wurde, vor allem durch das Wort Gottes.
Die erste Lesung aus dem Buch der Weisheit führt uns in das Thema der Beziehung ein zwischen den geistlichen und den materiellen Gütern, zwischen wahrer Weisheit und Reichtum. Der geistbegabte Autor sagt klar, dass die Weisheit mehr Wert hat, als der Reichtum. Im Vergleich zur Weisheit „erscheint alles Gold neben ihr wie ein wenig Sand und Silber gilt ihr gegenüber so viel wie Lehm“ (Weish 7,9). Die Weisheit ist kostbarer als Gesundheit oder Schönheit. Ihr Glanz, der nicht untergeht, ist strahlender als das Licht (vgl. Weish 7,10). Im Abschnitt der Lesung wird zusammenfassend das Motiv aufgezeigt, warum diese Weisheit so bedeutsam ist, denn sie erlaubt, in rechter Weise das zu bewerten, was ist, und auf diese Weise wahren Reichtum zu erlangen: „Zugleich mit ihr kam alles Gute zu mir, unzählbare Reichtümer waren in ihren Händen“ (Weish 7,11).
Die zweite Lesung aus dem Hebräerbrief beschreibt die Kraft des Wortes Gottes. „Denn lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Im Unterschied zu den menschlichen Worten, die oftmals vergänglich, ohne Kraft und leblos sind, ist das Wort Gottes fähig, das Herz des Menschen zu jeder Zeit seines Lebens und in allen geschichtlichen Epochen zu erreichen und seine Bekehrung, einen radikalen Wandel seines persönlichen, familiären und sozialen Lebens zu verursachen. Das Wort Gottes „richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens“ (Hebr 4,12) und wird so zum Kriterium der Unterscheidung. Es handelt sich um Worte voller Kraft, die von Gott selbst kommt, weswegen sie Wort Gottes genannt werden. Sie wurden uns mit Autorität vom Herrn Jesus, dem fleischgewordenen Wort (vgl. Joh 1,14) geoffenbart, der zweiten Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, die Mensch geworden ist. Daher führen uns die im Evangelium überlieferten Worte des Herrn Jesus zu Ihm, der sowohl die Quelle als auch der eigentliche Ausleger des Wortes ist.
Vor diesem Horizont ist möglich, die wahre Lehre im heutigen Evangelium über die Beziehung zu Gott und zum Reichtum zu entdecken.
„Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!“ (Mk 10,23). Diese starken Worte Jesu versetzten auch die Jünger in Aufruhr. Sie waren tatsächlich „über seine Worte bestürzt“ (Mk 10,24). Der Herr aber nahm keine Notiz davon, sondern verstärkte das Konzept mit noch stärkeren Akzenten: „Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“ (Mk 10,24-25). Auf diese Weise scheint Jesus die Heilsmöglichkeit für die Reichen auszuschließen. Die Zwölf waren bestürzt „und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden?“ (Mk 10,26). Sie teilten die Auffassung des jüdischen Volkes, die ihr Fundament im Alten Testament hatte, dass Reichtum ein Zeichen des Segens von JHWH sei, der Gerechten und guten Menschen gewährt werde. Aus den weiteren Erläuterungen Jesu Christi kann man sein Denken ableiten. Angesichts des Bestürzung der Jünger sagt er: „Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich“ (Mk 10,27). Der gute und barmherzige Gott vermag das Herz des Menschen zu öffnen und zur Einsicht führen, Distanz zu den materiellen Gütern zu wahren. Sie dürfen auf keinen Fall zum Götzen werden, sondern allein zur Sicherung der Existenz des Menschen dienen. Es gibt leider Personen, die niemals genug Güter besitzen können. Sie verwenden all ihre Energie, um noch mehr davon anzuhäufen, nicht selten zu Lasten der Arbeiter, die keinen gerechten Lohn für ihre Arbeit bekommen. Diese Tatsache ist eine der Ursachen für die Ungerechtigkeit in der Welt. Der OXFAM-Report von 2024 stellt heraus, dass seit dem Jahr 2020 die fünf reichsten Menschen der Welt ihr Vermögen mehr als verdoppelt haben, während fünf Milliarden arme Menschen keine Veränderung ihrer Verhältnisse feststellen konnten. Diese Feststellung ist in der Tat ein wahrer Skandal.
Im Gegensatz dazu kann ein reicher Mensch, der in seinem Leben Gott an die erste Stelle setzt und das Reich Gottes sucht, eine gesunde Distanz zu den materiellen Gütern halten, auch wenn er sie auf ehrenhafte Weise verdient hat, sei es dank seiner intellektuellen Fähigkeiten, sei es durch günstige Umstände oder fortwährend fleißige Arbeit. Er ist dadurch in der Lage, anderen Arbeit und guten Lohn zu geben, und auf diese Weise vielen Familien ein gutes Auskommen zu sichern. Er wird auch achtsam und großzügig gegenüber den Hilfsbedürftigen sein und seinen Beitrag zur Kirchensteuer und den verschiedenen Kollekten der Kirche zugunsten der Armen und Hilfsbedürftigen geben.
Mit Blick auf das Reich Gottes und die Nachfolge Jesu Christi braucht es einen radikalen Abstand zu den materiellen Gütern. Im Unterschied zu den Aposteln hat der reiche Jüngling nicht die Kraft zu dieser Entscheidung gefunden, um vollkommen zu werden, wie es ihm der Herr vorgeschlagen hatte (vgl. Mk 10,21-22). Es ist hierzu sodann nötig, auf ein gewisses Paradox hinzuweisen: die Zwölf haben ihr Hab und Gut hinter sich gelassen, doch haben sie auf andere Weise Güter bekommen, um ihre Mission gut zu erfüllen. Auf die Feststellung des Petrus: „Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt“ (Mk 10,28) versichert Jesus: „Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben“ (Mk 10,29-30). Auch Jesus hatte für seine Sendung gewisse materielle Güter nötig und bekam unter anderem die Unterstützung von einigen Frauen, die Ihn und seine Jünger mit ihren Gütern unterstützt haben (vgl. Lk 8,1-3).
Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir unsere Überlegungen der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und unsere Mutter, damit sie für uns beim Heiligen Geist die Gabe der Weisheit erflehe, um immer besser zu verstehen, Gott den ersten Platz im Leben einzuräumen und die materiellen Güter so zu gebrauchen, dass sie uns und dem Nächsten dienen, vor allem den Hilfsbedürftigen. Das erfordert oft einen Mentalitätswechsel, der für Menschen unmöglich scheint, „aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich“ (Mk 10,27). Amen.