Predigt von Nuntius Eterovic am Pfingstmontag, 29. Mai 2023
Wallfahrt nach Maria Meerstern in Sellin auf Rügen, 29. Mai 2023
(Apg 2,1-11; Ps 104; 1 Kor 12,3b-7.12-13; Joh 20,19-23)
Hochfest von Pfingsten
Die Jünger „verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14)
Liebe Schwestern und Brüder!
Am Pfingsttag war auch die selige Jungfrau Maria in Jerusalem zusammen mit den Jüngern Jesu. Sie war „voll der Gnade“ (Lk 1,28), wie der Engel Gabriel sie bei der Ankündigung nannte, sie würde die Mutter Jesu werden. Dennoch kam der Geist auch am Hochfest von Pfingsten erneut auf sie herab. Das erinnert uns an die Aussage des Evangelisten Johannes, der am Anfang seines Evangeliums den Hymnus auf das fleischgewordene Wort schreibt, wo es heißt: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16).
Liebe Brüder und Schwestern, auch wir haben den Heiligen Geist schon in den Sakramenten der Taufe und Firmung empfangen. Dennoch sind wir heute erneut dazu aufgerufen, unsere Herzen Gott zu öffnen, damit sich die Gnade des Heiligen Geistes entfalten kann, er sich in uns erneuere und durch uns in unseren Familien, Gemeinschaften und in der ganzen Gesellschaft. Bei dieser Öffnung auf Gott hin hilft uns das Beispiel der Gottesmutter Maria, der Königin des Himmels, die zugleich Jesu und unsere Mutter ist. Deswegen bin ich sehr froh, die freundliche Einladung Ihres Herr Pfarrer Johannes Schaan angenommen zu haben, dieser Heiligen Messe im Heiligtum von Maria Meerstern in Sellin auf Rügen vorzustehen. Das gibt mir die Gelegenheit, Euch alle im Namen des Heiligen Vaters Franziskus zu grüßen, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Im Namen des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche danke ich Euch für das Gebet für ihn und für seine wichtige Mission für die Einheit in Liebe der Kirche, wie auch für seinen Dienst für den Frieden und die Eintracht in der Welt. Am Ende dieser Heiligen Messe erteile ich Euch gerne den Apostolischen Segen, der auch alle Euch lieben Personen einschließt, vor allem die Kranken, die alten Menschen und jene, die darin gehindert sind, an dieser Eucharistiefeier teilzunehmen.
Öffnen wir also, liebe Brüder und Schwestern, die Herzen dem Heiligen Geist, der unseren Glauben, unsere Hoffnung und die Liebe stärken will. Auf diese Weise können wir zu Zeugen des Herrn Jesus werden, wie Er selbst es vor seiner Himmelfahrt zum Ausdruck brachte: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Beseelt vom Heiligen Geist wollen wir einige Momente bei der Bedeutung der Symbole des Geistes verweilen (I), wie auch bei den Geistesgaben (II) nach dem heute verkündeten Wort Gottes.
1. „Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer“ (Apg 2,3).
Im Unterschied zu Jesus Christus, der in seiner Person zugleich Gott ist und Mensch war, in allem uns gleich, ausgenommen die Sünde (vgl. Hebr 4,15), ist der Heilige Geist unsichtbar. Er wirkt in unserem Inneren, wir nehmen ihn wahr und sind uns seiner Gegenwart und seines positiven Einflusses auf die Weise unseres Seins und Handelns bewußt. Das erfasst man auch an den Symbolen der Zungen aus Feuer und des Sturmes, die in der Apostelgeschichte genannt werden.
Das Feuer ist das Symbol der Liebe, das alle Menschen verstehen können, denn jeder hat die Macht der Liebe erfahren. Sie brennt in den Herzen der verliebten Menschen. Man sieht sie nicht, doch sie sind sich bewußt, dass diese Liebe ihr Leben lenkt, vor allem mit Blick auf den geliebten Menschen. Der Heilige Geist ist das vollkommene Feuer, das die Herzen der Menschen von allem reinigt, was unter Egoismus und Sünde leidet, und eine gute und anziehende Sicht eines christlichen Lebens schenkt. Der Geist gibt den Christen Mut und Kraft dazu, Zeugen Jesu bis hin zum Martyrium werden zu können. Schon der Herr Jesus verwendet dieses Symbol, wenn er sagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen“ (Lk 12,49). Lassen wir den verherrlichten Jesus Christus unsere Herzen mit dem Feuer des Heiligen Geistes entflammen.
Die Zungen sind ein anderes Symbol des Geistes. Sie zeigen eine Wirkung an, die das Kommen des Geistes hat: die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi an alle Völker der Erde. Das geschieht in der Urkirche sogleich nach der Herabkunft des Geistes; die Jünger „wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab“ (Apg 2,4). Die Kirche setzt bis heute das Werk fort, das Evangelium Jesu Christi in allen Sprachen der Welt zu verkünden. Der Heilige Geist drängt die Christen zu dieser wichtigen und herausfordernden Aufgabe. Die Evangelisierung ist auch deswegen ein wichtiges Werk, weil auch nach zweitausend Jahren der Verkündigung der guten Nachricht erst ein Drittel der Weltbevölkerung christlich ist. Mit der Kraft des Heiligen Geistes sind wir also aufgefordert, eine gewisse Trägheit zu überwinden, die vor allem jene Teilkirchen auf unserem europäischen Kontinent erfasst hat, die einst eine reiche Quelle von Missionaren waren, von Frauen und Männern, die sich und ihr Leben dem Evangelium und der Verkündigung des dreieinen Gottes geweiht hatten und auf diese Weise jenen Menschen dienten, welche bis dahin nichts davon gehört hatten.
Der Sturm wird in der Bibel oft genannt. Er dient auch dazu, das Kommen des Heiligen Geistes auf die Jünger Jesu zu beschreiben: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen“ (Apg 2,2). Jesus hat das Symbol des Windes in seinem Gespräch mit Nikodemus benutzt, um das Wirken des Geistes zu beschreiben: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8). Auch den Wind sieht man nicht, doch man spürt ihn. Er hat Kraft, die verschmutzte und verbrauchte Luft zu reinigen und neue Dynamik zu schenken. Wendet man das auf die Kirche an, so reinigt der Sturm von den überflüssigen Dingen, die das Antlitz der Kirche zuweilen trüben, damit sie in ihrer ganzen Schönheit strahlen kann, denn sie ist „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, 1). Lassen wir uns daher vom Wind des Geistes führen, um Jesus Christus und Sein Evangelium an den Orten zu verkünden, wohin der Heilige Geist uns zu leben und arbeiten lenkt.
2. „Gottes große Taten“ (Apg 2,11).
Die Vielzahl der Völker, die sich in Jerusalem fand, lobte Gott für die durch die Jünger Jesu verkündeten Großtaten. Im Heiligen Geist, den der auferstandene Jesus den Seinen in Fülle schenkt (vgl. Joh 3,34) wollen auch wir, liebe Brüder und Schwestern, einige der Werke erflehen. Vor allem beten wir um die Gabe der Glaubensfreude, die Einheit der Kirche und den Frieden in der Welt.
Die Glaubensfreude ist ein bedeutsames Charakteristikum der Jünger Jesu Christi. In einer Welt voller Schwierigkeiten und Herausforderungen, in der sie leben, dürfen sie nie die Gabe der Freude verlieren. Nicht einmal die Skandale der Verbrechen von Menschen in der Kirche dürfen unsere Freude auslöschen. Wir wissen leider aus Erfahrung, dass die heilige Kirche aus sündigen Menschen besteht, die aber zur Umkehr und zum Aufbruch auf dem Weg der Heiligkeit berufen sind. Die Freude kennzeichnet die Begegnung der Apostel mit dem auferstandenen Herrn Jesus. Nachdem er ihnen seine durchbohrten Hände und seine Seitenwunde gezeigt hatte, „freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20). Die Freude ist das Ziel des christlichen Lebens, wie uns Jesus lehrt, als er beim Letzten Abendmahl und im dramatischsten Augenblick seines Lebens sagt: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,11). Bitten wir den Heiligen Geist, er möge in uns die Glaubensfreude erneuern. Evangelium bedeutet nämlich frohe Botschaft. Nur mit dieser frohen Grundeinstellung werden wir authentische Zeugen Jesu und eifrige Apostel des Evangeliums.
Die Einheit der Kirche. Der Heilige Geist erweckt zahlreiche Charismen und Gaben in der Kirche, aber er hat dazu die Fähigkeit, alle diese zum Wohl der Gläubigen und der ganzen Gemeinschaft zu harmonisieren. Hierzu hat der heilige Paulus geschrieben: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen“ (1 Kor 12,4-6). Diese Verschiedenheit, die ein Segen Gottes ist, muss aber auf die Einheit hin orientiert sein. Der Völkerapostel unterstreicht: „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,7).
Liebe Brüder und Schwestern, erflehen wir vom Heiligen Geist die Gabe der Einheit in rechtmäßiger Verschiedenheit. Diese Gabe ist vor allem in unserer Zeit angesichts der Versuchungen aktuell, eigene Wege zu Reformen der Kirche gehen zu wollen. Die Kirche aber, insofern sie katholisch ist, hat im Papst, dem Nachfolger des Petrus „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (Lumen Gentium, 23).
Der Frieden in der Welt. In dieser dramatischen Stunde der Menschheitsgeschichte bitten wir inniglich um die Gabe des Friedens. Wir tun dies auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Königin des Friedens. Jesus Christus ist der „Fürst des Friedens“ (Jes 9,5). Die ersten Worte, die der auferstandene Herr an seine Jünger richtet, sind: „Friede sei mit euch“ (Joh 20,19.21). Erbitten wir die Gabe des Friedens für alle Nationen weltweit, die unter Gewalt, Zerstörung und Tod leiden. Unser besonderes Gebet gilt der geschundenen Ukraine, dessen Bevölkerung seit über einem Jahr die Tragödie eines grausamen und rücksichtslosen Krieges erleben muss, der schon zahlreiche Menschenleben gekostet und immense Zerstörung bewirkt hat.
Damit unser Gebet von Gott, dem Vater, Sohn und Heiligem Geist erhört werde, wollen auch wir, liebe Schwestern und Brüder, nach dem Beispiel der Jünger Jesu beim Beten bleiben, denn sie „verharrten einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14).
Vertrauen wir unsere Überlegungen der Gottesmutter Maria an, der stella maris, dem Meerstern, den wir in kindlicher Liebe heute grüßen. Sie möge von Ihrem Sohn Jesus für die Kirche alle Gaben des Heiligen Geistes erflehen, damit der himmlische Vater auch heute in der Gemeinschaft der Gläubigen jene Wundertaten wirke, die er am Anfang der Verkündigung des Evangeliums gewirkt hat. Amen.