Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt Orgelweihe zum Hohen Pfingstfest
Mariä Geburt zu Rottenbuch, 5. Juni 2022
(Apg 2,1-11; Ps 104; Röm 8,8-17; Joh 14,15-16.23-26)
„Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16).
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Verheißung des verherrlichten und zum Himmel aufgefahrenen Herrn wird am Pfingsttag Wirklichkeit. Dieses Heilsereignis ist nicht allein auf die Apostel beschränkt, sondern gilt uns allen, die wir die Gabe des Heiligen Geistes im Sakrament der Taufe empfangen haben. Auf diesem Fundament der Würde unserer Gotteskindschaft baut der gute und barmherzige Gott mit unserer Mitwirkung in jedem von uns am geistlichen Menschen, wozu er auch andere Geistesgaben schenkt, vor allem durch die übrigen Sakramente, die weitere Gnaden bewirken. Denn „aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16).
Voller Freude über das Kommen des Heiligen Geistes, was auch den Anfang der Kirche kennzeichnet, grüße ich Euch alle ganz herzlich im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Als Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche ist er das Symbol der Einheit in der Liebe. Am Ende der Heiligen Messe erteile ich Euch im Auftrag des Papstes den Apostolischen Segen. Der Segen gilt Euch, aber auch jenen, die Euch lieb sind, vor allem den Alten und Kranken, die heute nicht hier sein können, um mit uns die Pfingstfreude zu teilen. In besonderer Weise grüße ich Euren Hochwürdigen Herrn Pfarrer Josef Fegg, der mich zur Feier des Hochfestes Pfingsten und zur Weihe der wiederhergestellten Freywis-Orgel eingeladen hat. Die von Euren Gebeten begleitete Restaurierung lässt dieses wertvolle Instrument nunmehr in aller Schönheit und klanglichen Harmonie in dieser herrlichen Kirche erklingen.
Aus der Festfreude heraus werde ich einige Akzente des heutigen Festes herausgreifen (I) und dann bei den Symbolen verweilen, die auf den Heiligen Geist verweisen: dem Wind (II), dem Feuer (III), den Zungen (III) und der Taube (IV).
1. Der Geist „wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26).
Fünfzig Tage nach der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus feiern wir das Hochfest von Pfingsten. Beide Feste sind eng miteinander verbunden, wie eben auch Jesus Christus und der Heilige Geist. Der auferstandene Herr schenkt seinen Geist in Fülle (vgl. Joh 3,34). Wir haben im heutigen Evangelium gehört, wie Jesus den Vater bittet, der Heilige Geist möge herabsteigen und für immer bei seinen Jüngern bleiben (vgl. Joh 14,16). Jesus nennt den Geist „einen anderen Beistand“ (Joh 14,16), denn Jesus selbst ist der erste Beistand derer, die an Ihn glauben. Er muss sie aber am Ende seiner irdischen Mission verlassen, um zum Vater in den Himmel zurückzukehren, von wo er herabgestiegen war, um Mensch zu werden (vgl. Eph 4,9-10). Zugleich wird der Heilige Geist für Jesus Zeugnis ablegen: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). In seinen Abschiedsreden vor seiner Passion, seinem Tod und seiner Auferstehung hat der Herr Jesus den Jüngern die tiefe Einheit versichert, die in der Tiefe des Geheimnisses Gottes besteht, die in Jesus Christus offenbart worden ist: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird“ (Joh 16,13). Der Beistand wird den Eingeborenen Sohn Gottes verherrlichen: „Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden“ (Joh 16,14). Es ist wichtig, diese Wahrheit an Pfingsten ins Bewußtsein zu rufen, jenem Geburtstag der Kirche, der Gemeinschaft der Gläubigen, die ihren Glauben an den dreieinen Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist bekennen. Diese Einheit der Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit ist das Fundament der Einheit der Glieder der Kirche, der Gläubigen, die den geheimnisvollen Leib Jesus Christi bilden, dessen Haupt Er ist (vgl. Kol 1,18).
Liebe Brüder und Schwestern, es gibt aber einen Unterschied in der Darstellung zwischen Jesus, dem Menschen und Gott, und dem Heiligen Geist. Aufgrund der Menschwerdung wird Jesus normalerweise als Mensch beschrieben und dargestellt. Denn er war uns in allem gleich, ausgenommen die Sünde (vgl. Hebr 4,15). Beim Heiligen Geist verhält es sich anders, denn zu seiner Darstellung verwenden wir Symbole, wie sie bereits in der Heiligen Schrift benutzt wurden.
2. Der Wind
Das erste Symbol, das in der Apostelgeschichte das Kommen des Heiligen Geistes beschreibt, ist der Wind. „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen“ (Apg 2,2). Der Herr Jesus selbst hat dieses Symbol gebraucht, um auf den Heilige Geist zu verweisen: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8). Dieser Ausdruck wird in der Bibel gleich zu Anfang gebraucht, um die Schöpfung von Welt und Mensch zu beschreiben. In jedem Fall beinhaltet das Wort Kraft und Macht, was unverzichtbar ist, um dem Menschen und auch der Kirche Vitalität zu geben. Der Geist ist für ihre Existenz und Dynamik unverzichtbar. Ein Vergleich mit einer allgemeinen Erfahrung ist hilfreich: der Mensch kann eine längere Zeit ohne feste Nahrung leben; nur wenige Tage auch ohne zu trinken, doch kann er nur einige Minuten leben, ohne zu atmen. Ohne den Heiligen Geist also werden die Gläubigen und auch die Kirche ersticken.
Der Wind lässt uns an die Orgel erinnern, an die Königin der Instrumente und der Kirchenmusik. Vor dem Einbau elektrischer oder elektronischer Technik war leichter einzusehen, wie nötig die Kraft der Luft war, damit eine Orgel überhaupt klingen kann, denn dazu war nötig, die großen Blasebalge mittels Muskelkraft mit Luft zu füllen. Liebe Gläubige, es ist eine große Freude, Eure renovierte Orgel zu segnen, die in den Ursprungszustand des Jahres 1783 zurückgeführt worden ist. Sie ist Teil von über 50.000 Orgeln in ganz Deutschland und gehört so zurecht gemeinsam mit der Orgelmusik zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit, was von der UNESCO als solches anerkannt worden ist. Eure Orgel ist von nationaler Bedeutung, so dass auch die staatlichen Stellen sich an ihrer Renovierung beteiligt haben. Mit der restaurierten Orgel wird diese wunderschöne und über tausendjährige Kirche, die auf die Geburt Mariens geweiht ist, für die Gläubigen noch anziehender, aber auch für alle Menschen auf ihrer Suche nach der Schönheit, deren Ursprung und Höhepunkt Gott selber ist.
3. Das Feuer
Das zweite Symbol des Geistes ist Feuer. „Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder“ (Apg 2,3). Diese Worte erinnern an die Aussage des Herrn Jesus: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen“ (Lk 12,49). Das Feuer symbolisiert Liebe, eine innere Glut, die den Menschen verwandelt, nachdem es ihn gereinigt und geläutert hat. Diese Liebe, jene Gabe des Geistes, leitet uns, in die Tiefe des Geheimnisses Gottes vorzudringen und die tiefe Wahrheit unseres Glaubens zu erkunden: „Gott ist Liebe“ (1 Joh 1,4.8). Vom Heiligen Geist beseelt und aus Liebe zu Gott sind wir in der Lage, den Nächsten zu lieben, vor allem jene, die der geistlichen und materiellen Hilfe benötigen. Unsere Liebe zu Gott zeigen wir, wenn wir die Worte Jesu und seine Gebote in die Tat umsetzen (vgl. Joh 14,15.24).
4. Die Zungen
Das Feuer erscheint in Form von Zungen. Der Heilige Geist, der den Geist erleuchtet und die Vernunft der Gläubigen für das Verständnis des Wortes Gottes öffnet, schenkt die Fähigkeit, in verschiedenen Sprachen zu predigen, wie es in Jerusalem am Pfingsttag geschehen ist. Der Geist war auch im Alten Testament gegenwärtig und hat die Erwählten inspiriert, den Willen Gottes zu verkünden und zu offenbaren, vor allem in Israel, seinem erwählten Volk. Heute spricht die Kirche dank der Gnade Gottes alle Sprachen der Welt, denn sie ist über das ganze Erdenrund und in allen Nationen und Völkern verteilt. Wichtig bleibt, dass die Gläubigen in legitimer Vielheit der Spiritualität, Mentalität, Kultur und Sprachen die Einheit des Glaubens pflegen. Das ist das Beispiel, das uns die erste Gemeinde in Jerusalem schenkt. Die Apostel verkündeten in allen Sprachen „Gottes große Taten“ (Apg 2,11). Hierzu ist uns die Predigt des heiligen Petrus überliefert, die mit dem Bekenntnis des Glaubens endet: „Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“ (Apg 2,36).
5. Die Taube
Hierbei handelt es sich um ein sehr verbreitetes Symbol des Heiligen Geistes. Die Taube erscheint bei der Taufe Jesu, was alle vier Evangelisten bezeugen. So schreibt der heilige Markus: „Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“ (Mk 1,10-11). Schon in vorchristlicher Zeit steht die Taube für Milde, Unschuld, Reinheit und zärtliche Liebe. In der christlichen Welt symbolisiert sie die göttliche Inspiration, wie auch den Frieden. In diesem Sinne sei an die Taube erinnert, die Noah nach der Flut einen Olivenzweig brachte, um so eine Friedenszeit zwischen Gott und den Menschen anzukündigen. Solche Symbole haben auch wir in diesen dramatischen Zeiten von Krieg und Gewalt weltweit nötig. Mit Schmerzen denken wir an den Krieg auf unserem europäischen Kontinent in Ukraine. Dieser Krieg, den die Russische Föderation gegen ein demokratisches, unabhängiges und souveränes Land führt, das Mitglieder der Vereinten Nationen ist, hat schon viele Menschenleben gekostet, zahlreiche zivile Opfer, darunter auch Kinder, und es gibt viel Zerstörung und Leid. Bitten wir den Heiligen Geist, er möge das Gewissen der Verantwortlichen dieser großen Tragödie aufwecken, damit sie bereuen, die unmenschliche Aggression beenden und die Truppen aus dem besetzten Territorium zurückrufen. Sie mögen Schritte des Friedens in Achtung des Internationalen Rechts einleiten.
Unter den Jüngern Jesu im Abendmahlssaal war auch seine und unsere Mutter Maria anwesend, die Mutter der Kirche und Königin des Friedens. Ihr, die den Eingeborenen Sohn Gottes durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen hat (vgl. Lk 1,35), empfehlen wir unsere Reflexionen, damit sie vom dreieinen Gott für jeden von uns und unsere Gemeinden die erneute Gabe des Heiligen Geistes erflehe, der allein imstande ist, eine neue Dynamik der Evangelisierung und der ganzheitlichen Förderung des Menschen in der Katholischen Kirche in Deutschland, in Europa und der ganzen Welt zu bewirken. Amen.