Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt zum 105. Jahrestag der Erscheinung in Fatima

St. Clemens zu Berlin, 12. Oktober 2022

(Gal 5,18-25; Ps 1; Lk 11,42-46)

Dank zum 105. Jahrestag der Erscheinungen von Fatima und für 32 Jahre deutsche Einheit

„Wenn wir im Geist leben, lasst uns auch im Geist wandeln“ (Gal 5,25).

Liebe Schwestern und Brüder!

Jede Heilige Messe ist ein ausgezeichneter Gnadenakt, ein Dank an Gott, den Vater, durch Seinen Eingeborenen Sohn Jesus Christus in der Gnade des Heiligen Geistes. Auch diese Heilige Messe, die wir hier in St. Clemens feiern, fügt sich zu den zahlreichen täglichen Eucharistiefeiern der Katholischen Kirche rund um den Erdkreis, wo sich die Seele zum dreieinen Gott erhebt und für die vielfältigen Gaben im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben dankt und für die nötigen Gnadengaben bittet, die das pilgernde Volk Gottes auf dieser Erde auf dem Weg zum ewigen Vaterhaus im Himmel nötig hat.

An diesem Abend wollen wir sodann besonders dem guten und barmherzigen Gott für zwei Ereignisse danken, welche die Geschichte der Welt und der Kirche prägen: den 105. Jahrestag der Erscheinungen von Fatima (I) und den 32. Jahrestag der deutschen Einheit (II). Wir tun dies als Christen, die aufmerksam auf das verkündete Wort Gottes der biblischen Lesungen hören und es mit der Kraft des Heiligen Geistes in die Tat umzusetzen suchen, denn er lebt in uns, seit wir in vor allem im Sakrament der Taufe empfangen haben. Daher ermahnt uns der heilige Paulus, den alten Menschen mit seinen Leidenschaften zu kreuzigen und als neue Menschen zu leben, die mit dem Heiligen Geist bekleidet sind (III).

1. Die Erscheinungen von Fatima

Vom 13. Mai bis zum 13. Oktober 1917 erschien Unsere Liebe Frau an jedem 13. eines Monats den drei Hirtenkindern von Fatima: der zehnjährigen Lúcia dos Santos, Francesco Marto, der neun Jahre war, und seiner siebenjährigen Schwester Jacinta Marto. Die Erscheinungen geschahen in der für Europa und die Welt dramatischen Zeit des Ersten Weltkrieges, welcher der große Krieg genannt wird. Ihm fiel eine unfassbar große Zahl von Menschen zum Opfer, etwa 16 Millionen wurden getötet und mehr als 20 Millionen verwundet. Um einen weiteren Weltkrieg zu verhindern, sagte die selige Jungfrau Maria: „Der Krieg wird ein Ende nehmen. Wenn man aber nicht aufhört, Gott zu beleidigen, wird unter dem Pontifikat von Papst Pius XI. ein anderer, schlimmerer beginnen. Wenn ihr eine Nacht von einem unbekannten Licht erhellt seht, dann wisst, dass dies das große Zeichen ist, das Gott euch gibt, dass Er die Welt für ihre Missetaten durch Krieg, Hungersnot, Verfolgungen der Kirche und des Heiligen Vaters bestrafen wird. Um das zu verhüten, werde ich kommen, um die Weihe Russlands an mein unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen des Monats zu verlangen. Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren und es wird Friede sein. Wenn nicht, wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, wird Kriege und Kirchenverfolgungen heraufbeschwören. Die Guten werden gemartert werden, der Heilige Vater wird viel zu leiden haben, verschiedene Nationen werden vernichtet werden, am Ende aber wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren. Der Heilige Vater wird mir Russland weihen, das sich bekehren wird, und der Welt wird eine Zeit des Friedens geschenkt werden“ (Zweites Geheimnis von Fatima).

Die Worte Unserer Lieben Frau wurden leider nicht gehört, und die Welt erlebte den noch schlimmeren Zweiten Weltkrieg, mit ungeahnter materieller Zerstörung und noch mehr Opfern als im Ersten Weltkrieg: etwa 54 Millionen Tote, Soldaten wie Zivilbevölkerung, und 56 Millionen Verwundete, wovon 32 Millionen Zivilisten und 24 Millionen Soldaten waren. Nach einer etwa 70-jährigen relativen Friedenszeit in Europa, ausgenommen von den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien, erleben wir seit dem 24. Februar 2022 einen neuen grausamen Krieg, der durch die Aggression der Russischen Föderation in Ukraine verursacht ist. Er fügt sich ein in die lange Reihe anderer Kriege und von Krisen weltweit. Die Organisation ACLED - das Armed Conflict Location & Event Data Project zählt derzeit gut zehn dieser Kriege und Konflikte in der Welt.

Um der von der seligen Jungfrau Maria in Fatima genannten Weise, um Frieden auf Erden zu bitten, hat schon der heilige Papst Johannes Paul II. die Welt dem Unbefleckten Herzen Mariens am 13. Mai 1982 in Fatima und am 25. März 1984 im Vatikan geweiht. Auch der Heilige Vater Franziskus hat dies in Gemeinschaft mit den Bischöfen weltweit am 25. März 2022 getan und vor allem Russland und Ukraine dem Unbefleckten Herzen geweiht. Unterstützen wir diese Weihe von Papst Franziskus mit unserem Gebet, auf dass die Prophetie Mariens eintrete und die Welt wenigstens für einige Zeit in Frieden leben kann.

2. Die deutsche Wiedervereinigung

Vor wenigen Tagen am 3. Oktober 2022 haben wir des 32. Jahrestages der Wiedervereinigung Deutschlands gedacht. Im freudigen Ereignis dieser Wiedervereinigung erblicken wir den Wiederschein der Verheißung der seligen Jungfrau Maria über den Triumpf ihrer Unbefleckten Herzens. Möglich wurde diese Einigung aufgrund komplexer politischer, sozialer und religiöser Umstände. Erinnern wir der christlichen Gebete, vor allem der evangelischen Christen in der DDR, die den Friedensdemonstrationen vorangingen und einen erheblichen Beitrag zur friedlichen Revolution leisteten, welche im Fall der Berliner Mauer ein Symbol bekam, denn sie teilte nicht nur Berlin, sondern Deutschland, mehr noch Europa und die Welt. Das Einreißen der Berliner Mauer symbolisiert den Zusammenbruchs der ideologischen kommunistischen Systeme und der unterdrückenden Strukturen der totalitären Regime, die viele Völker Europas unterjocht hatte. Gemeinsam mit der Wiedervereinigung Deutschlands haben viele Länder Zentral- und Osteuropas ihre Freiheit wiederlangt und Demokratie und Rechtstaatlichkeit erreicht. Es handelt sich dabei um einen fortlaufenden Prozess zur Entwicklung und dem Wohl der menschlichen Person, der nationalen Gemeinschaft und der internationalen Beziehungen. Während sich Deutschland wiedervereinigte, haben sie bestehende Föderationen aufgelöst, die oft nur aufgrund politischer Entscheidungen und militärischer Kraft existierten, wie beispielsweise die Sowjetunion, Jugoslawien oder die Tschechoslowakei. Jedes Volk wollte in einem eigenen Nationalstaat nach dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung leben. Für die Rückeroberung der Freiheit, vor allem der Religionsfreiheit, danken wir der göttlichen Vorsehung, der letztendlich jene Politiker gedient haben, wie in Deutschland Bundeskanzler Kohl und in der Sowjetunion Michail Gorbatschow. Vereinen auch wir uns zum Gebet für Papst Franziskus und unserer Bischöfe, liebe Schwestern und Brüder, und nehmen wir bereitwillig die Botschaft von Fatima auf, die sich mit drei Begriffen zusammenfassen lässt: Gebet, Buße, Bekehrung.

3. Im Geiste wandeln

Die Botschaft von Fatima ist keine neue Offenbarung, sondern unterstreicht vielmehr wesentliche Punkte unseres Glaubens, die schon der in der Heiligen Schrift und der lebendigen Tradition der Kirche gegenwärtig sind. In der ganzen Bibel wird der Mensch zum Gebet aufgerufen. Daher müssen auch wir mehr und tiefer nach dem Willen des Herrn Jesus beten. Die Gottesmutter zeigt sich den Hirtenkindern als Königin des Rosenkranzes. Lasst uns also die Bedeutung des Rosenkranzgebetes wiederentdecken, wo die großen Heilsgeheimnisse betrachtet werden, wir das Vaterunser beten, das der Herr Jesus uns selbst gelehrt hat (vgl. Mt 6,9-13), wie auch das Ave Maria, wo jene Worte aufgegriffen sind, die der Engel Gabriel an Maria bei der Verkündigung richtete, sie solle die Mutter Jesu werden (vgl. Lk 1,28). Das Ehre sei dem Vater ist die Zusammenfassung unseres Lobes an Gott, den Vater als Quelle jeder Gabe, an Gott, den Sohn, der uns durch sein Lebensopfer erlöst hat, an Gott, den Heiligen Geist, der uns erleuchtet und führt zur Fülle der Erkenntnis der Wahrheit über Gott und den Menschen (vgl. Joh 16,13).

In der Bibel wird an vielen Stellen das Fasten beschrieben. Erinnern wir der Anweisungen des Herrn Jesu (vgl. Mt 6,16-18). Traditionell besteht das Fasten aus dem Verzicht an Nahrung, um den Vorrang des Geistes vor dem Körper anzuzeigen. Es gibt aber verschiedene Formen des Fastens. Möglicherweise ist jene des geistlichen Fastens am schwierigsten, wozu uns der heilige Paulus auffordert, wenn er uns ermahnt, die Werkes des Fleisches zu besiegen: „Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid, maßloses Trinken und Essen und Ähnliches mehr“ (Gal 5,19-21). Dies vollbringen wir nur mit der Gnade des Heiligen Geistes.

Am Beginn seines öffentlichen Wirkens hat Jesus seine Jünger aufgefordert: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Umkehr ist daher Teil der christlichen Berufung. Das Wort Gottes, das wir gehört haben, ruft uns auf provokante Weise im Lukasevangelium mit den vier Wehrufen zur Umkehr. Doch ist es eine zutiefst positive Botschaft. Die gesetzlichen Normen zur Abgabe des Zehnten bleiben gültig, doch vor allem ist nötig, in Gerechtigkeit und in Liebe zu Gott und dem Nächsten (vgl. Lk 11,42) zu leben. Man soll nicht die ersten Plätze suchen, sondern demütig und sanftmütig von Herzen nach dem Bild Jesu sein (vgl. Mt 19,29). Ein Christ soll dies nicht nur äußerlich formal tun, sondern wahrhaft und vorbildlich im privaten, familiären und sozialen Leben.

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir die Erfüllung dieser Überlegungen der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, die wir im Oktobermonat besonders als Königin des Rosenkranzes verehren. Sie möge uns die Gabe des Heiligen Geistes erbitten, damit wir im Geist leben und wandeln können und die Früchte hervorbringen, die einem solchen Leben und Wandel im Geist entspringen: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit“ (Gal 5,22-23). Amen.

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