Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt zur 75. Wallfahrt der Schlesier nach Werl

Wallfahrtsbasilika Mariä Heimsuchung, 26. Juni 2022

(1 Kg 19,16.19-21; Ps 16; Gal 5,1.13-18; Lk 9,51-62)

13. Sonntag im Jahreskreis – LJ 3

„Du aber geh und verkünde das Reich Gottes“ (Lk 9,60).

Liebe Schwestern und Brüder,

Die Lesungen dieses 13. Sonntags im Jahreskreis, die wir aufmerksam vernommen haben, beschreiben zusammengefasst den Ruf Gottes in Seinen Dienst an unterschiedliche Personen im Alten und Neuen Testament. Sie erinnern, dass jeder Christ und somit jeder von uns dazu gerufen ist, Zeuge Jesu Christi und eifriger Missionar Seines Evangeliums zu sein, das auch für die Menschen unserer Tage eine gute Nachricht ist.

Im Rahmen dieser Eucharistiefeier freue ich mich, Euch alle im Namen des Heiligen Vaters Franziskus zu grüßen, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten (I). Sodann vergleichen wir den Propheten Elija und Jesus Christus, wobei wir erkennen, dass der Herr Jesus größer ist als irgendeiner der Propheten (II).

1. Der Gruß des Heiligen Vaters

Ich danke der göttlichen Vorsehung sehr, die mir erlaubt, die Heilige Messe hier in der Basilika Mariä Heimsuchung in Werl aus Anlass der 75. Wallfahrt der Schlesier und Oberschlesier, sowie der Grafschaft Glatz nach Werl. Dem Wallfahrtsleiter, Hochwürdigen Herrn Domkapitular Pastor Dr. Gerhard Best, danke ich für die freundliche Begrüßung. Herrn Antonius Bögner, dem Schriftführer des St. Hedwigswerkes bin ich für die Einladung dankbar, dieser Heiligen Messe vorzustehen, was ich gerne angenommen habe, um nicht zuletzt daran zu erinnern, dass mein Vorgänger, Apostolischer Nuntius Dr. Aloysius Muench, vor 70 Jahren, also im Jahr 1952 an dieser Wallfahrt in Werl teilgenommen hat. Bei dieser Gelegenheit danke ich herzlich allen, die sich bei der Errichtung des Hedwigswerkes im Jahr 1947 verdient gemacht haben, denn dieses Werk ist seit Generationen so etwas wie die geistliche Heimat vieler Schlesier, die seinerzeit ihre Heimat verlassen mussten und in den Westen Deutschlands kamen. Eine große Zahl fand Aufnahme im Erzbistum Paderborn und in der Diözese Osnabrück. Das Hedwigswerk ist auf geistlichem, kulturellem, sozialen und politischen Gebiet sehr rührig und hilft zahlreichen Menschen, eine innere wie äußere Heimat zu finden, Grenzen zu überwinden und Versöhnung zu stiften, vor allem mit den Menschen in Polen, sowie im Glauben an Gott stark und der Katholischen Kirche treu zu bleiben. Gott sei Dank habt Ihr und Eure Vorfahren hier eine neue Heimat gefunden und Euch nach vielen Schwierigkeiten und auch Anfeindungen gut eingegliedert. Die Erinnerung an die schlesische Heimat und an die Leiden des Krieges, der Flucht und der Vertreibung machen Euch sensibel für die Flüchtlinge unserer Tage, die ihre Lieben und ihre Häuser verlassen müssen, um ihr Leben zu retten. Dies geschieht derzeit bei vielen Bewohnern von Ukraine, einem souveränen und unabhängigem Staat, der jene brutale Aggression seitens der Russischen Föderation und den Bruch des Internationalen Rechts erleben muss. Ich danke Euch und über Euch allen Deutschen für die großherzige Aufnahme so vieler ukrainischer Flüchtlinge, vor allem von Frauen und Kindern, wie auch für die Unterstützung und humanitäre Hilfe an die geschundenen Menschen in Ukraine.

Über die Grüße von Papst Franziskus, dem Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche, hinaus freue ich mich, Euch auch seinen Apostolischen Segen zu geben, den ich am Ende dieser Heiligen Messe Euch allen spenden werde; Euch, die Ihr hier in dieser Basilika seid, aber auch allen Euren Lieben, vor allem den Alten und Kranken.

2. „Du aber geh und verkünde das Reich Gottes“ (Lk 9,60).

Die erste Lesung aus dem ersten Buch der Könige und der Abschnitt aus dem Lukasevangelium bieten sich an, den großen Propheten Elija und den Herrn Jesus zu vergleichen. Nach dem Willen von JHWH wird Elischa von Elija zum nachfolgenden Propheten eingesetzt, denn „im Vorbeigehen warf Elija seinen Mantel über ihn“ (1 Kg 19,19). Elischa ist sich seiner neuen Mission bewusst, die eine Veränderung des Lebenswandels mit sich bringt. Bevor er aber Elija folgt, bittet er darum, sich von seinen Eltern zu verabschieden. Der Prophet gewährt dies und sagt: „Geh, kehr um! Denn was habe ich dir getan?“ (1 Kg 19,20).

Im heutigen Evangelium hingegen ist Jesus anspruchsvoller mit denen, die er in seinen Dienst ruft. Nicht einmal die Zeit, sich von den Eltern zu verabschieden, gibt er ihnen: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes“ (Lk 9,62). Ähnlich antwortet er auch jenem, der darum bittet, den Vater zu begraben, bevor er ihm folgt: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!“ (Lk 9,60).

Die Reaktion der Jünger Johannes und Jakobus auf die Weigerung der Bewohner eines samaritischen Dorfes, Jesus aufzunehmen: „Herr, sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie verzehrt?“ (Lk 9,54) erinnert uns an eine Szene im Leben des Propheten Elija. Der König Ahasja von Samarien, der sich vom wahren Gott weit entfernt hatte, wollte Elija sehen und sandte zweimal einen Hauptmann mit fünfzig Leuten, der zu ihm sagte: „Mann Gottes, der König befiehlt dir herabzukommen“ (2 Kg 1,9.11). Doch Elija gab jeweils zur Antwort: „Wenn ich ein Mann Gottes bin, so falle Feuer vom Himmel und verzehre dich und deine Fünfzig“ (2 Kg 1,10.12). Die Antwort Jesu jedoch geht in eine ganz andere Richtung. Er „wandte sich um und wies sie zurecht“ (Lk 9,55). Diese Haltung ist insofern bedeutsam, weil sie die Dimension des „Wundersamen“ oder von „Beschwörungen“ aus dem Christentum tilgt. Jesus entzog sich stets dem Verlangen, Wunder zu tun, um ein Spektakel zu veranstalten. Denn um Zeichen und Wunder zu wirken, verlangte er Glauben, denn er wollte die Menschen auf geistliche und leibliche Weise heilen. Jesus folgt nicht dem Beispiel des Elija. Er ist größer als Elija und lehrt den Seinen den Weg der Demut, des Dienstes und der sich schenkenden Liebe, die den Kreuzweg wählt, um die Sünde und den Tod zu überwinden, um auf diese Weise das ewige Leben zu erlangen. Nach der Zurechtweisung der beiden Jünger, welche die Samariter bestrafen wollten, notiert der Evangelist, dass sie auf dem Weg nach Jerusalem „in ein anderes Dorf gingen“ (Lk 9,56). Nichts sollte den Herrn Jesus von seinem Entschluss abbringen, nach Jerusalem zu gehen, in die heilige Stadt, wo sich das Ostergeheimnis vollziehen wird und „sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte“ (Lk 9,51).

Daher zeigt er sich den Samaritern gegenüber milde, doch streng gegenüber seinen Jüngern. Er sagt: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele“ (Mt 11,29). Jesus droht den Menschen nicht, die ihm die Aufnahme verweigern, sondern wartet geduldig, dass sie sich bekehren und wohlgesonnen wie aufnahmebereit werden. Bei der Erfüllung seiner Mission jedoch ist er unnachgiebig und setzt seinen Weg über andere Wege und andere Dörfer fort (vgl. Lk 9,56). Zugleich weiß er um die Bedeutung und Dringlichkeit seiner Sendung und drängt seine Jünger daher, ihm unverzüglich zu folgen. Dieser Ruf bedingt jedoch auch Schwierigkeiten und Entbehrungen, denn Jesus sagt: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Lk 9,58). Die Anforderungen des Herrn Jesus sind jedoch nicht streng, sondern sie sind Ausdruck der Liebe zu seinen Jüngern, die bereit sein sollen, „um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker zu verlassen“ (Mk 10,29). Jesus ist anspruchsvoll, denn er ist der Messias, der Gott und Mensch, der Erlöser. Der Herr war nicht zufrieden, als die Jünger ihm sagten, wofür ihn die Leute hielten: „Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten“ (Mt 16,14). Darum will er wissen: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,15). Im Namen aller antwortet Simon Petrus: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16), wofür ihn der Herr Jesus lobt: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,17-18). Nur Jesus Christus konnte mit solcher Autorität sprechen und Petrus und seinen Nachfolgern die Schlüssel des Himmelreiches anvertrauen (vgl. Mt 16,19). Andererseits hatte der Apostel Petrus das Vertrauen des Herrn verdient aufgrund des lebendigen Glaubens, mit dem er bekannt hat, dass Er, Jesus Christus, der Messias ist, der Sohn des lebendigen Gottes. Und so hat Jesus dem Petrus die Aufgabe anvertraut, seine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Wenn wir diese Aufforderung an den Petrus unserer Tage, an Papst Franziskus hören, so bitten wir ebenso, wie es die Jünger Jesu taten: „Herr, stärke unseren Glauben“ (Lk 17,5).

Liebe Brüder und Schwestern, in dieser schönen Basilika, die der Heimsuchung Mariens geweiht ist, vertrauen wir diese guten Vorsätze der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche und Königin des Friedens. Sie möge uns immer zu ihrem Sohn und unseren Bruder und Herrn führen, damit wir mit der Kraft des Heiligen Geistes seinem Ruf folgen können, Christen auf dem Weg zu sein, das heißt praktizierende, aktive Christen nach Seinem Wort: „Du aber geh und verkünde das Reich Gottes“ (Lk 9,60). Setzen wir diese Aufforderung durch das Beispiel eines christlichen Lebens um, das sich nicht durch spektakuläre Religiosität auszeichnet, sondern durch die demütige Haltung eines Jüngers, der sich bewusst ist, alles, was er hat, vom göttlichen Meister empfangen zu haben. Deswegen drängt es uns, Seinem Beispiel der Sanftmut mit Blick auf den Nächsten zu folgen und die Anforderungen des Evangeliums im persönlichen, familiären und sozialen Leben zu erfüllen. Amen.

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