Schreiben von Nuntius Eterovic an den Herrn Bundespräsidenten
Berlin, den 3. Januar 2022
Berlin, 3. Januar 2022
Exzellenz,
sehr geehrter Herr Bundespräsident Dr. Steinmeier!
Auch in diesem Jahr wende ich mich schriftlich an Ihre Exzellenz, um Ihnen zu Beginn des Jahres 2022 im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen des Diplomatischen Corps, sowie der Vertretungen der Internationalen Organisationen, die ihre Mission in der Bundesrepublik Deutschland versehen, die besten Wünsche zu übermitteln. Diesen guten Wünschen schließen sich insbesondere die dreißig neuen Botschafterinnen und Botschafter an, die ihren Dienst im Laufe des vergangenen Jahres aufgenommen haben. Wegen der Corona-Pandemie können wir Ihnen, Exzellenz, zum zweiten Mal in Folge leider nicht persönlich diese Neujahrsgrüße nach der schönen und geschätzten Tradition im Schloss Bellevue überbringen.
Fast das ganze Jahr 2021 stand im Zeichen der Corona-Pandemie und des Kampfes gegen die Ausbreitung des Virus. Zuweilen schien es, dass die Bekämpfung erfolgreich sei, vor allem dank der Impfstoffe, die Wissenschaftler entdeckt und von den politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurden. Aufgrund der Virusmutationen wurde diese Abwehr und die zwischenmenschlich familiären und sozialen, aber auch die nationalen und internationalen Kontakte erschwert. Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, den Mund-Nase-Schutz zu tragen, Desinfektionsmittel zu nutzen, Abstand zu halten und vor Treffen mit mehreren Personen Antigentests zu machen.
Wir, die Mitglieder des Diplomatischen Corps, haben in dieser schwierigen Situation die Bemühungen der Verantwortlichen des deutschen Staates verfolgt, die negativen Auswirkungen der Pandemie auf das soziale und kulturelle Leben, sowie auf die Industrieproduktion oder die Wirtschaft aufzufangen und die wesentlichen politischen Kontakte auf internationaler und nationaler Ebene aufrechtzuerhalten.
Auf internationaler Ebene war Deutschland bei den wichtigen Versammlungen und Initiativen vertreten und unterstützte maßgeblich Länder bei ihrer Entwicklung, nicht zuletzt durch Hilfe bei der Beschaffung von Corona-Impfstoffen. Was den Klimawandel angeht, ist die aktive Rolle Deutschlands bei der XXVI. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP26) hervorzuheben, die vom 31. Oktober bis 12. November 2021 im schottischen Glasgow stattfand. Wegen der Pandemie war sie bekanntlich um ein Jahr verschoben worden. Es bleibt zu hoffen, dass die getroffenen Vereinbarungen von allen Ländern zum Wohle der gesamten Menschheit, welche diese Erde als „unser gemeinsames Haus“ (Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si‘, 1) bewohnt, ohne weitere Verzögerung umgesetzt werden. „Von ihr hatte all der Fortschritt seinen Anfang genommen – und auf ihr leben wir alle, mit unseren Sorgen und Hoffnungen, mit unserem Leid und unserem Glück“ (Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier, Weihnachtsansprache 2021).
Deutschland beteiligt sich weiterhin weltweit an Friedenseinsätzen. Besondere Aufmerksamkeit verdiente der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, wo sie bis zum August 2021 Teil der dort stationierten NATO-Truppen war. Beim Abzug wurden neben den militärischen Kräften auch die zivilen Mitarbeiter bei diesem langjährigen Einsatz berücksichtigt.
Mit Blick auf das nationale Leben erlebten die Mitglieder des Diplomatischen Corps das Engagement der staatlichen Ebenen und vor allem die große Solidarität der Bürger für die von der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands heimgesuchten Menschen, wo viele Tote zu beklagen waren, unermesslich viel seelische Not und riesiger materieller Schaden entstanden ist. Auch die Nachbarländer Belgien, die Niederlande und Luxemburg waren davon betroffen.
Mit großer Aufmerksamkeit haben wir aus politischer Sicht die Bundestagswahl vom 26. September und die anschließenden Koalitionsverhandlungen verfolgt, die am 8. Dezember nach vorheriger Zustimmung der drei Parteien zum Koalitionsvertrag ihren guten Abschluss in der Wahl von Herrn Olaf Scholz zum Bundeskanzler fanden. Der friedliche und behutsame Übergang der Regierungsverantwortung von Frau Bundeskanzlerin a.D. Dr. Angela Merkel, die 16 Jahre und mit vier Regierungen im Amt war, kann ein Beispiel für alle Länder sein, auch für jene, die sich einer langen demokratischen Geschichte rühmen.
Wir hoffen, dass die neue Regierung im Einvernehmen mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ihre Bemühungen in Deutschland und weltweit intensiviere, um effektiv gegen Covid-19 zu kämpfen und um neue Energiequellen zu erschließen, die das Ziel der CO2-Neutralität beschleunigen. Zugleich geben wir der Hoffnung Ausdruck, dass sich die deutschen Autoritäten weiterhin für eine bessere soziale Gerechtigkeit, für die Achtung der Menschenrechte, darunter für die Religionsfreiheit, einsetzen und zur Lösung der schwerwiegenden Fragen der Migration, des Hungers und des Weltfriedens beitragen.
Exzellenz, sehr geehrter Herr Bundespräsident, im Namen des in der Bundesrepublik Deutschland akkreditierten Diplomatischen Corps wünsche ich Ihnen, Ihrer Familie und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und durch Sie allen Bewohnern dieses großartigen Landes alles Gute für das neue Jahr 2022. Ihnen allen erbitte ich den Segen Gottes. Ich tue dies mit den Worten der von Ihnen in Ihrer Weihnachtsansprache zitierten Astronauten der Apollo 8, die, nachdem sie den Anfang der biblischen Schöpfungsgeschichte gelesen hatten, sagten: „Gott segne euch alle auf der guten Erde.“ Möge Gott alle Bewohner unserer Erde segnen, sei es in Deutschland, in Europa und wo auch immer sie leben.
Erzbischof Dr. Nikola Eterović
Doyen des Diplomatischen Corps