Grußwort von Nuntius Eterovic zur Veranstaltung "90 Jahre Reichskonkordat" 1933-2023

Katholische Akademie Berlin, 14. Juni 2023

Exzellenzen,
sehr geehrter Herr Direktor Hake,
verehrter Herr Prof. Dr. Hense,
sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich begrüße ich Sie zu dieser Tagung in der Katholischen Akademie in Berlin anlässlich der Unterzeichnung des sogenannten Reichskonkordats vor 90 Jahren.

Der Heilige Stuhl schaut heute auf das Bestehen dieses Konkordats mit Zufriedenheit zurück, obwohl seine Entstehung in die frühe Epoche der nationalsozialistischen Gleichschaltung des kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Lebens in Deutschland fiel.

Es war die sowjetische und nationalsozialistische Propaganda, die das Konkordat als ersten außenpolitischen Erfolg des nationalsozialistischen Reichskanzlers Adolf Hitler bezeichnete, um vor allem den Heiligen Stuhl zu diskreditieren. Tatsächlich ratifizierte Nazi-Deutschland schon am 5. Mai 1933 die Verlängerung eines Freundschaftsvertrages mit der Sowjetunion aus dem Jahre 1926. So war das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 bereits der zweite außenpolitische Vertrag der Hitlerregierung, bevor Deutschland schon am 14. Oktober 1933 aus dem Völkerbund austrat und sich damit politisch isolierte.

Die Propaganda anlässlich des Konkordatsabschlusses von 1933 und erneut zum einjährigen Bestehen des Konkordates im Jahre 1934 beeinflusst bis heute die Historiker je nach ihrer eigenen weltanschaulichen Überzeugung. Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass für manche Behauptungen sogar Quellen aus dem italienischen verfälscht interpretiert und sogar falsch übersetzt worden sind. Sie sind inzwischen zum Narrativ einer international agierenden anti-kirchlichen Geschichts-schreibung eingegangen.

Professor Günther Wassilowsky hat zum 100-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Deutschland im Jahre 2021 eine Festschrift herausgegeben. Hier rief Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in seinem Beitrag in Erinnerung, dass Papst Pius XII. auch nach dem Zweiten Weltkrieg vom Reichskonkordat als „sein“ Konkordat gesprochen hatte. Kardinal Parolin zitiert den Papst wörtlich: „C’est mon Concordat“!

Das Reichskonkordat war vor allem in der Polemik der Gegner der Kirche ein „Hitler Konkordat“. Unbeirrt von dieser zeitgenössisch und bis in die bürgerlichen Parteien propagierten Polemik hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Konkordatsurteil von 1957 die Gültigkeit des Reichskonkordates für die Bundesrepublik Deutschland anerkannt, weil die Bundesrepublik völkerrechtlich identisch mit dem Deutschen Reich ist. Aus diesem Grund betonte ich eingangs: „Der Heilige Stuhl schaut heute auf das Bestehen dieses Konkordats mit Zufriedenheit zurück!“

Schon vor einigen Jahren hat der Heilige Stuhl seine Akten zur Entstehung des Reichskonkordats uneingeschränkt öffentlich zugänglich gemacht. Inzwischen wissen wir, dass die gründliche Quelleneditionen des Historikers und Jesuitenpater Ludwig Volk aus dem Jahre 1969 keiner grundlegenden Korrektur bedarf. Die neuen Quellen haben vielmehr unsere Kenntnis über die Zusammenhänge bestätigt und ergänzt und somit bereichert. So kann die Haltung des Heiligen Stuhls zu Fragen der Auflösung der katholischen Zentrumspartei genauso zuverlässig dargestellt werden wie das Verhältnis der katholischen Kirche zum verbrecherischen Nationalsozialismus.

Das Reichskonkordat hat dazu beigetragen, kirchliches Leben in Deutschland zu garantieren, auch wenn es den nationalsozialistischen Kirchenkampf nicht verhindert hat.

Die „freie Religionsausübung zu garantieren“ ist stets der Kern aller Konkordate, die der Heilige Stuhl seit dem Wormser Konkordat 1122 – und nicht erst im letzten Jahrhundert – mit vielen Staaten in der ganzen Welt abgeschlossen hat.

Die Nationalsozialisten hatten zwar von Beginn an die bilateralen Vereinbarungen des Reichskonkordats missachtet. Aber sein Wortlaut diente als Grundlage für die vielen Proteste des Heiligen Stuhls und seines Nuntius Cesare Orsenigo, dessen Nuntiaturberichte bisher noch nicht publiziert worden sind, wenn ich das richtig sehe.

In einer zunehmend laizistischen Gesellschaft spielen Konkordate meines Erachtens eine noch größere Bedeutung als in der vergangenen Zeit.

Längst hat auch der Heilige Stuhl erkannt, dass Konkordate tatsächlich die Trennung von Kirche und Staat voraussetzen. Durch diese Trennung ist für beide Vertragspartner garantiert, dass sie in Freiheit und Verantwortlichkeit aufrichtige bilaterale Vereinbarungen treffen können.

Der Heilige Stuhl hat heute 241 gültige Konkordatsverträge mit 74 Staaten abgeschlossen. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Reichskonkordat aufgrund der föderalen Struktur dieses Staates nur einer von insgesamt 15 gültigen Konkordatsverträgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kerngeschäft einer Nuntiatur ist der Einsatz für ein einvernehmliches Miteinander von Kirche und Staat zum Wohle aller Menschen. So können Sie sich sicherlich vorstellen, dass ich gerne – und aus ureigenem Interesse – an dieser Veranstaltung teilnehme, auch wenn ich kein Fachmann für die Geschichte des Reichskonkordats bin.

So verspreche ich mir von den Fachleuten, die hier zu Wort kommen, neue und vertiefte Erkenntnisse zur Bedeutung des Reichskonkordats sowohl für den Kirchenkampf in der nationalsozialistischen Zeit wie auch für die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die im nächsten Jahr immerhin 75 Jahre alt wird.
Uns allen wünsche ich eine offene und ehrliche Diskussion und einen anregenden Austausch. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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