Grußadresse von S.E. Nikola Eterovic an S.E. Herrn Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier beim Neujahrsempfang des für das Diplomatische Corps

Schloß Bellevue zu Berlin, 12. Januar 2023

Grußadresse
Seiner Exzellenz, des Apostolischen Nuntius
Erzbischof Dr. Nikola Eterović,
Doyen des Diplomatischen Corps,
an Seine Exzellenz,
den Herrn Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
Dr. Frank-Walter Steinmeier

Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

Es ist mir eine Ehre, Ihrer Exzellenz im Namen der Kolleginnen und Kollegen des Diplomatischen Corps, wie auch der Vertreter der Internationalen Organisationen, die ihre Mission in Deutschland erfüllen, die herzlichsten Grüße zu überbringen. Zu Ihrer Wiederwahl in das Amt des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland am 14. Februar 2022 möchte ich an dieser Stelle gratulieren. Sie geschah mit großer Mehrheit und in einer Atmosphäre der Geschlossenheit und Eintracht. Wir danken für die Einladung in das Schloss Bellevue, um die Grüße zum Neuen Jahr auszutauschen. Nach zweijähriger Unterbrechung durch die Corona-Pandemie freuen wir uns, Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und durch Sie allen Menschen, die in Deutschland leben, persönlich unsere besten Wünsche für das begonnene Jahr 2023 zu übermitteln. Besondere Grüße überbringe ich nicht nur für die 32 Botschafterinnen und Botschafter, die im Jahr 2022 ihre Mission angetreten haben, sondern auch im Namen derer, die heute zum ersten Mal an dieser traditionellen Zeremonie teilnehmen. Aus diesem feierlichen Anlass erlaube ich mir, daran zu erinnern, dass im Jahr 2022 37 Kolleginnen und Kollegen ihren diplomatischen Dienst in Deutschland beendet haben. Darüber hinaus sind leider drei Botschafter verstorben, jene von Äquatorialguinea, Nordmazedonien und von Togo. Mögen sie in Frieden ruhen.

Ich nutze diese Gelegenheit, um Eurer Exzellenz im Namen aller für die Einladung zu danken, Sie am 5. Juli des vergangenen Jahres nach Nürnberg und Bamberg begleitet haben zu dürfen, um mehr über diese beiden Städte im Freistaat Bayern und ihr reiches historisches und kulturelles Erbe zu erfahren. Weiter konnten wir Kenntnis nehmen von den vielversprechenden Entwicklungen innovativer Technologien für alternative Energiequellen, die über Deutschland hinaus weltweit wichtig sind.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, dieses Treffen bietet die Gelegenheit, kurz auf das vergangene Jahr zurückzublicken und gute Vorsätze für das begonnene Jahr zu formulieren.
Im Jahr 2022 haben wir uns zunächst über die Eindämmung der Corona-Pandemie gefreut. Doch leider begann am 24. Februar der kriegerische Angriff der Russischen Föderation auf Ukraine. In diesem Zusammenhang formulierte Papst Franziskus: „Während man für Covid-19 einen Impfstoff gefunden hat, wurde gegen den Krieg noch keine geeignete Lösung gefunden“ (Botschaft zum 56. Weltfriedenstag, 01. Januar 2023).

Ihre Exzellenz haben die tragische Dimension dieses Krieges gut beschrieben und auch die Folgen für die Bundesrepublik Deutschland, was sich auch auf andere Länder weltweit und vor allem in Europa übertragen lässt: „Der 24. Februar war ein Epochenbruch. Er hat auch uns in Deutschland in eine andere Zeit, in eine überwunden geglaubte Unsicherheit gestürzt: eine Zeit, gezeichnet von Krieg, Gewalt und Flucht, von Sorge vor der Ausbreitung des Krieges zum Flächenbrand in Europa. Eine Zeit schwerer wirtschaftlicher Verwerfungen, Energiekrise und explodierender Preise. Eine Zeit, in der unser Erfolgsmodell der weltweit vernetzten Volkswirtschaft unter Druck geraten ist. Eine Zeit, in der gesellschaftlicher Zusammenhalt, das Vertrauen in Demokratie, mehr noch: das Vertrauen in uns selbst Schaden genommen hat“ (Rede: Alles stärken, was uns verbindet, 28. Oktober 2022). Sie haben auch auf die negativen Folgen dieses Krieges auf internationaler Ebene hingewiesen: „Russlands brutaler Angriffskrieg in der Ukraine hat die europäische Sicherheitsordnung in Schutt und Asche gelegt. In seiner imperialen Besessenheit hat der russische Präsident das Völkerrecht gebrochen, Grenzen in Frage gestellt, Landraub begangen. Der russische Angriff ist ein Angriff auf alle Lehren, die die Welt aus zwei Weltkriegen im vergangenen Jahrhundert gezogen hatte“ (a.a.O.).

Die Missachtung des Völkerrechts durch eines der Länder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erleichtert leider nicht die Lösung der zahlreichen anderen Konflikte in der Welt. Nach Angaben der Plattform Guerre nel Mondo vom 01. Januar sind derzeit 70 Staaten an Kriegen beteiligt: 31 in Afrika, 16 in Asien, neun in Europa, sieben im Nahen Osten und sieben in Amerika, wobei hieran 883 Milizen, Guerillas und terroristische, separatistische und anarchistische Gruppen mitwirken, davon 294 in Afrika (Nähere Angaben siehe: https://www.guerrenelmondo.it/?page=static1258218333).

Neben den notwendigen Bemühungen um Frieden steht die Welt vor der Herausforderung des Klimawandels. In ihrer erwähnten Rede vom 28. Oktober 2022 haben Sie, Exzellenz, zu Recht festgestellt: „Denn auch wenn der Krieg die politische Tagesordnung verschoben hat – auch der Klimawandel fordert unser entschiedenes Handeln, auch und gerade jetzt“ (a.a.O.).

Der Klimawandel wird zunehmend zum drängendsten Problem der Menschheit. In diesem Zusammenhang weise ich auf die UN-Klimakonferenz COP 27 hin, die vom 06. bis 18. November in Ägypten in Sharm El-Sheikh stattgefunden hat. Die Teilnehmer bekräftigten ihre Absicht, die globale Erwärmung trotz der schweren Energiekrise bei 1,5 Grad Celsius zum vorindustriellen Niveau zu halten. Eine wichtige Resolution betrifft die Einrichtung des Verlust- und Schadensfonds, der finanzielle Unterstützung für die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Nationen bereitstellen soll. Die Folgen durch die meteorologischen Veränderungen sind der Anstieg des Meeresspiegels, anhaltende Hitzewellen, Wüstenbildung, Versauerung der Meere oder die Verluste der Artenvielfalt. Die Teilnehmerstaaten waren sich einig im Übergang zu erneuerbaren Energiequellen und hoffen auf die Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe und eine Reduzierung der globalen Treibhausgas-Emissionen um 43 Prozent im Vergleich zum Jahr 2019.

Für die Zukunft ist dringend notwendig, Frieden in Ukraine und in den anderen durch Krieg verwüsteten Ländern zu suchen. Nach elf Monaten Krieg fehlen leider ernsthafte Friedensinitiativen, die das Leiden der ukrainischen Bevölkerung und die massive Zerstörung so schnell wie möglich beenden könnten und Voraussetzungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden schaffen, wie es Eure Exzellenz angedeutet hat: „Und es muss ein gerechter Friede sein, der weder den Landraub belohnt noch die Menschen in der Ukraine der Willkür und Gewalt ihrer Besatzer überlässt. Bis Friede einkehren kann, ist es ein Gebot der Menschlichkeit, dass wir den Angegriffenen, den Bedrohten und Bedrückten beistehen. Auch damit setzen wir im Dunkel des Unrechts ein Licht der Hoffnung“ (Weihnachtsansprache 2022).

Gerade in dieser schwierigen internationalen Situation ist es unerlässlich, die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Nationen zu fördern, um sich den großen Herausforderungen unserer Welt zu stellen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Hierzu haben Sie gesagt: „Klimawandel, Artensterben, Pandemien, Hunger, Migration, nichts davon lässt sich lösen ohne die Bereitschaft und den Willen zu internationaler Zusammenarbeit. Und deshalb darf das Bemühen darum – trotz Krise und Krieg – nicht aufgegeben werden“ (Rede, 28. Oktober 2022). Als in Deutschland akkreditierte Botschafter beobachten wir aufmerksam die Bemühungen der Bundesregierung in der 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, die am 08. Dezember 2021 ihr Amt angetreten hat, die großen Herausforderungen der Gegenwart in Deutschland, Europa und weltweit anzugehen. Hierzu gehören die Anstrengungen, die Kapazitäten zur Verteidigung zu erhöhen, alternative Energiequellen zu entwickeln und zu diversifizieren, aber auch die Lebenshaltungskosten zu senken, wobei insbesondere an die Bevölkerung mit niedrigem Einkommen und an die Armen zu denken ist. Wir sind Zeugen der bemerkenswerten und vielfältigen Bemühungen zur Hilfe und Unterstützung für Ukraine, was die großherzige Aufnahme von Kriegsflüchtlingen einschließt, insbesondere von Frauen und Kindern. Im Dezember 2022 betrug ihre Zahl in Deutschland 1.042.786 Menschen. Im Vergleich der europäischen Länder nahm nur Polen mehr ukrainische Flüchtlinge und Vertriebene auf.

In diesem sehr dunklen und ernsten Zusammenhang brachte die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar vom 20. November bis 18. Dezember 2022 Momente der Entspannung und ein globales Miteinander der Bevölkerungen. Wir sind dem Gastgeberland für die gute Organisation sowie den 32 teilnehmenden Mannschaften dankbar, insbesondere den vier, die sich für das Halbfinale qualifiziert haben: Argentinien, Frankreich, Kroatien und Marokko. Trotz einiger Einschränkungen boten dieses und auch andere große Sportereignisse im vergangenen Jahr Gelegenheiten für Männer und Frauen unterschiedlicher Kulturen und Traditionen, sich zu treffen und gegenseitiges Verständnis in Respekt und Toleranz zu erlangen. Diese Werte sind unverzichtbar für den Aufbau einer besseren, friedlicheren und geschwisterlichen Welt. In diesem Sinne ist der Beitrag der großen Religionen von unschätzbarem Wert. Denken wir nur an das Treffen von Papst Franziskus mit den Autoritäten der Republik Kasachstan und den Teilnehmern des VII Congress of the Leaders of World and Traditional Religions in Astana vom 13. bis 15. September 2022. Ähnliches gilt für die Begegnung mit den Autoritäten des Königreiches Bahrain und Vertretern der Weltreligionen beim Bahrain Forum for Dialogue: East and West for Human Coexistence vom 03. bis 06. November 2022. Vor allem der Dialog zwischen Vertretern des Christentums und des Islam ist sehr wichtig, um über wechselseitige Toleranz zum Aufbau universeller Verständigung zu gelangen und so einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung von Spannungen, Gewalt und Kriegen in unserer Welt zu leisten.

Verehrter Herr Bundespräsident, zu Beginn des Jahres 2023 spreche ich im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen die herzlichsten Wünsche aus, damit das erreicht werden kann, was sich Ihre Exzellenz wünschen, wenn Sie sagen: „Wir bewahren unsere Freiheit, unsere Demokratie. Wir machen Deutschland zu einer neuen Industrienation – technologisch führend, klimaverantwortlich, in der Mitte Europas. Vernetzt, aber weniger verwundbar. Wehrhaft, aber nicht kriegerisch. Ein offenes, freundliches Land mit mehr und neuen internationalen Partnern“ (a.a.O.). In diesem Sinn wird Deutschland auch künftig einen wichtigen Platz in Europa und in der Welt einnehmen. Und so wünsche ich Ihnen, Herr Bundespräsident, und durch Sie allen Bürgerinnen und Bürgern sowie allen Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, für das noch neue Jahr 2023 alles Gute und erbitte für alle den Segen Gottes.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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