Predigt von Nuntius Eterovic am 29. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 18. Oktober 2020

(Jes 45,1.4-6; Ps 96, 1 Thess 1,1-5b; Mt 22,15-11)

„So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört“ (Mt 22,21).

Liebe Schwestern und Brüder!

Mit dieser Antwort hat Jesus Christus die Falle vermieden, die ihm die Pharisäer und Anhänger des Herodes gestellt hatten, und außerdem aufgezeigt, wie die Beziehungen zwischen der geistlichen und der weltlichen Macht, zwischen Kirche und Staat sein sollen (I). Gott lenkt die Geschichte und vermag, die Führer der Heidenvölker zugunsten seines Volkes zu bewegen (II). Aus dem Wort Gottes, das wir gehört haben, können wir einige Betrachtungen zur Haltung der Christen gegenüber der zivilen Macht ableiten (III). Lassen wir uns vom Heiligen Geist leiten, um das Wort Gottes gut zu verstehen, das unser Leben erleuchten und uns auf unserem irdischen Pilgerweg zur himmlischen Heimat führen soll.

1. „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört“ (Mt 22,21).

Dieser Antwort Jesu an seine Gegner geht seine Frage voraus: „Ihr Heuchler, warum versucht ihr mich?“ (Mt 22,18). Jesus erkannte, daß die Pharisäer und Anhänger des Herodes ihm eine Falle stellen wollten und ihre Lobrede, mit der sie ihre Frage umgaben, nur taktischen Wert hatte, um seine Selbstzufriedenheit zu mehren und letztendlich seinen Stolz zu wecken, sich als Meister erkennen zu geben, der wahrhaftig den Weg Gottes lehrt und vor niemandem Ehrfurcht hat, da er keinem ins Gesicht schaut (vgl. Mt 22,16). Der Herr aber durchschaute, daß die ihm gestellte Frage seine Landsleute spaltet. Hätte er geantwortet, man müsse dem Kaiser Steuern zahlen, wäre er vom Volk als ein Unterstützer des heidnischen Herrschers wahrgenommen worden. Im Fall einer negativen Antwort wäre er bei den römischen Autoritäten als deren Feind angezeigt worden. Die ersten, die ihn bei der Besatzungsmacht verleumdet hätten, wären die Anhänger des Herodes gewesen, denn die Partei der Höflinge des Herodes hielt zu den Römern. Um die Bosheit der Gegner Jesu zu umgehen, ließ er sich zunächst eine Steuermünze geben und fragte dann: „Wessen Bild und Aufschrift ist das?“ (Mt 22,20). Auf die Antwort: „Des Kaisers“ sagte der Herr: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört“ (Mt 22,21).
Mit dieser Antwort hat der Herr Jesus den Handlungsspielraum des Kaiser, seine politisch-soziale Macht, von dem Gottes, der die ganze menschliche Person betrifft, unterschieden, insbesondere die geistliche Dimension, die sich vor allem im Doppelgebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten ausdrückt (vgl. Mt 22,37-40). Mit dieser Antwort Jesu beginnt die Geschichte der Beziehungen zwischen Kirche und Staat bis in unsere Tage. Sie hilft der Katholischen Kirche, die Kompetenzfelder von ziviler und religiöser Autorität zu unterscheiden. Die beiden Felder sind zwar voneinander getrennt, doch betreffen sie Personen, die oftmals zugleich Gläubige und Staatsbürger, also Glieder von Kirche und Staat sind, so daß man eine gesunde Zusammenarbeit zwischen den Feldern braucht und fördern muss.

2. „So spricht der HERR zu seinem Gesalbten, zu Kyrus“ (Jes 45,1).

Kyrus der Große, Kyrus II. von Persien (590 bis 530 v. Chr.) erließ im Jahr 538 vor Christus ein Edikt, das es den Juden erlaubte, aus der babylonischen Gefangenschaft in ihre Heimat zurückzukehren und den Tempel von Jerusalem wieder aufzubauen. Möglicherweise wollte der persische Herrscher auf diese Weise die Kontrolle im phönizisch-palästinischen Raum erlangen. In den Augen des Propheten Jesaja und des erwählten Volkes jedoch geschah ein Wunder von JHWH zugunsten seines Volkes Israel. Er hat Kyrus erwählt und geleitet: „Ich habe ihn an seiner rechten Hand gefasst“ (Jes 45,1) damit er die Königreiche und Nationen stürze und dann, um die Juden in ihre Heimat zurückzubringen. Es ist ein großes Werk Gottes, das er aus Liebe zu seinem Knecht Jakob und zu seinem Erwählten Israel tut (vgl. Jes 45,4). Dieses geschichtliche Handeln zeigt, daß JHWH „der HERR ist und sonst niemand“ (Jes 45,5).

Gott, der die Geschichte lenkt, hat die Vorzugsstellung seines Volkes oft durch Heiden bewirkt, wie es beim Perserkönig Kyrus der Fall war, oder in den günstigen Situationen von Fremdherrschaft, wie unter den Bedingungen des römischen Reiches, das bestens organisiert war und gute Straßen, Transportmittel und Kommunikationswege hatte. Diese Situationen haben die Verbreitung des Evangeliums in alle Teile des römischen Reiches begünstigt. Auch in der jüngeren Geschichte hat das menschliche und politische Verhalten von Michael Gorbatschow, des letzten Generalsekretärs des Zentralkomitees der KPDSU, maßgeblich dazu beigetragen, daß viele mittel- und osteuropäische Länder auf gleichsam friedliche Weise ihre politische und religiöse Freiheit wiedererlangten und innerhalb der geschichtlichen Grenzen als Nationalstaaten wieder souverän wurden. Der Fall der Berliner Mauer am 09. November 1989, dem Symbol des Falls der kommunistischen Regime, und die Auflösung der Sowjetunion am 26. Dezember 1992 sind für die Gläubigen Werke der göttlichen Barmherzigkeit.

3. Die Beziehungen zwischen politischer und religiöser Gewalt

Das Wort Gottes erlaubt uns, zwei Grundhaltungen aufzuzeigen, die für einen Gläubigen die Beziehungen zwischen den beiden Mächten von Religion und Politik, zwischen Kirche und Staat regeln. Das erste Prinzip ist der Respekt und die Unterordnung unter die zivile Autorität. Hierzu schreibt der Heilige Paulus: „Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott; die jetzt bestehen, sind von Gott eingesetzt“ (Röm 13,1). Der Heilige Petrus ermahnt sodann die Christen: „Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung: dem Kaiser, weil er über allen steht, den Statthaltern, weil sie von ihm entsandt sind, um die zu bestrafen, die Böses tun, und die auszuzeichnen, die Gutes tun! Denn es ist der Wille Gottes, dass ihr durch eure guten Taten die Unwissenheit unverständiger Menschen zum Schweigen bringt. Handelt als Freie, ohne die Freiheit als Deckmantel der Bosheit zu benutzen, sondern als Knechte Gottes! Erweist allen Menschen Ehre, liebt die Brüder und Schwestern, fürchtet Gott und ehrt den Kaiser“ (1 Petr 2,13-17 – vgl. auch Tit 3,1). Es überrascht daher nicht, daß der Völkerapostel zum Gebet auffordert „für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Das ist recht und wohlgefällig vor Gott, unserem Retter“ (1 Tim 2,2-3).

Wenn jedoch eine irdische Herrschaft beansprucht, den Platz Gottes einzunehmen, beginnen die Schwierigkeiten. Das Christentum hat vom Judentum den monotheistischen Glauben zum Erbe erhalten, der sich klar im ersten Gebot manifestiert: „Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ (Ex 20,2-3). Jesus hat die Gültigkeit dieses Gebotes bestätigt (vgl. Mk 12,29-31; Mt 22,37-40; Lk 10,25-28). Angesichts der Aufforderung durch den Sanhedrin in Jerusalem, nicht mehr im Namen Jesu zu lehren, antworteten Petrus und Johannes: „Ob es vor Gott recht ist, mehr auf euch zu hören als auf Gott, das entscheidet selbst. Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,19-20). Wegen ihres Glaubens an den einen Gott wurden die Christen im römischen Reich verfolgt, und viele haben ihren Glauben mit dem Martyrium besiegelt, mit ihrem Blutzeugnis. Auf diese Weise aber haben sie die Freiheit des Gewissens verteidigt, wie auch die Religionsfreiheit, die in jüngster Zeit durch bedeutende internationale Abkommen akzeptiert und garantiert worden ist.

Liebe Brüder und Schwestern, beten wir zu Gott, dem Vater, Sohn und Heiligen Geist, durch die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter der Kirche, auf daß wir die Legitimität der irdischen Wirklichkeiten (GS 36) annehmen können, jedoch stets den Gesetzen und Geboten Gottes den Vorrang einräumen und auch in unserem Leben die Maxime des Herrn Jesus anwenden: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört“ (Mt 22,21). Amen.

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