Grußwort von Nuntius Eterovic an S.E. Herrn Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps
Schloss Bellevue, 14. Januar 2025
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Einer schönen Tradition folgend, haben Eure Exzellenz auch zu Beginn dieses Jahres 2025 die Mitglieder des Diplomatischen Corps sowie die Vertreter der Internationalen Organisationen, die ihre Mission in der Bundesrepublik Deutschland erfüllen, nach Schloss Bellevue eingeladen, um die guten Wünsche für das neue Jahr auszutauschen. Als Doyen des in Deutschland akkreditierten Diplomatischen Corps habe ich die Ehre, im Namen aller, insbesondere der 59 Botschafterinnen und Botschafter, die ihre Mission im Jahr 2024 begonnen haben und daher zum ersten Mal an dieser bedeutsamen Zeremonie teilnehmen, Eurer Exzellenz meine herzlichsten Grüße auszurichten. Im vergangenen Jahr beendeten 45 Kolleginnen und Kollegen ihre Mission in Deutschland. Einer von ihnen, Herr John Horgan, Botschafter Kanadas, ist verstorben. Erinnern wir uns seiner in Freundschaft und im Gebet. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Ihnen, Herr Bundespräsident, für die Einladung bedanken, Sie am 13. Juni 2024 auf einer Reise in das Bundesland Brandenburg und insbesondere nach Cottbus, Branitz und Lübbenau im Spreewald zu begleiten. Diese Initiativen helfen uns Diplomaten, den geografischen, kulturellen, historischen, wirtschaftlichen und sozialen Reichtum Deutschlands besser kennenzulernen.
Verehrter Herr Bundespräsident, das erste Treffen im Jahr 2025 bietet uns die Möglichkeit, auf die ganze Welt zu blicken, auch angesichts der großen Zahl der hier vertretenen Länder. Leider ist das internationale Panorama besorgniserregend. Bedauerlicherweise konnte keiner der 56 bewaffneten Konflikte, die es bereits seit Jahren gibt, eine friedliche Lösung finden. Im Jahr 2024 wurden mehr als hundert Naturkatastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel registriert, das bedeutet alle drei Tage ein desaströses Ereignis. Kriegerische Konflikte und Umweltkatastrophen forderten in den ersten elf Monaten des Jahres 2024 200.000 Todesopfer und sorgten für die Vertreibung von 117 Millionen Menschen. In diesem alarmierenden Kontext haben humanitäre Helfer, denen wir unseren Dank und unsere Anerkennung für ihre Großherzigkeit aussprechen, über 116 Millionen Menschen geholfen, trotz hoher Risiken für ihr eigenes Leben. Tatsächlich wird es immer schwieriger und gefährlicher, 300 Millionen Menschen, die um das Überleben kämpfen, Hilfe zu leisten. Nach Angaben der nichtstaatlichen humanitären Organisation CESVI starben im Jahr 2024 283 Hilfskräfte vor Ort: 178 in Gaza, 25 im Sudan und 11 in der Ukraine(1). Neben den tragischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten ist vor allem für die Vertreter europäischer Länder die nunmehr fast drei Jahre andauernde Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine besonders schmerzlich, die zahllose Menschenleben gekostet und enorme materielle Zerstörungen verursacht hat. Gewaltsame Auseinandersetzungen säen immer eine gewisse Hass- und Gewaltmentalität, was wir leider auch bei dem schrecklichen Anschlag in Magdeburg erfahren mussten. In diesem Zusammenhang erkennen wir uns in den Worten Eurer Exzellenz zu diesem grausamen Akt wieder: „Trauer, Schmerz, Entsetzen, Fassungslosigkeit“ beschreiben nicht zuletzt auch unsere Gefühle, weswegen Ihre Worte auch die unseren sein können: „Unsere Gedanken, unser tiefes Mitgefühl gelten heute den Angehörigen und Freunden der Menschen, die der Täter auf so grausame Weise getötet hat“(2).
Angesichts solch besorgniserregender Geschehnisse und im Bewusstsein, dass alle Menschen guten Willens ein Leben in Frieden wünschen, muss die Welt sensibler werden, angefangen bei denen, die für das Schicksal der Nationen verantwortlich sind. Bei dieser dringenden Unternehmung wäre es unter anderem nützlich, an die Charta der Vereinten Nationen zu erinnern, deren 80. Jahrestag in diesem Jahr gefeiert wird und in der die allgemein anerkannten Normen enthalten sind, wie zum Beispiel die Bekräftigung der universellen Brüderlichkeit aller Menschen, die auf den Grundrechten „des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein“(3)beruht. Im selben Dokument werden wir aufgefordert, „Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben, unsere Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“(4). Diese Normen sind Teil des Völkerrechts, das in gutem Glauben (in bona fide) respektiert werden muss, um Frieden zu erreichen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, die Diplomatie und die ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu stärken, dem Kriegsgetöse Einhalt zu gebieten und einen geduldigen und ehrlichen Dialog zwischen den Konfliktparteien mit dem Ziel zu beginnen, durch zuverlässige Vermittler eine gerechte Lösung und dauerhaften Frieden zu erreichen. Bei diesem Werk, die Menschen für den Frieden und das Völkerrecht zu sensibilisieren, sollen die großen Weltreligionen eine wichtige Rolle spielen, die sich alle zu Friedensreligionen erklären.
Angesichts der schwerwiegenden Herausforderungen infolge des offensichtlichen Klimawandels hatte das COP 29-Treffen in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, das vom 11. bis 22. November 2024 stattfand, große Erwartungen geweckt, die jedoch nur teilweise erfüllt worden sind. Es wurde eine Einigung über das New Collective Quantified Goal (NCQG) erzielt. Dieses Thema stand im Mittelpunkt der Verhandlungen, und es ist eine Verdreifachung der Finanzierung von Entwicklungsländern vom bisherigen Ziel von 100 Milliarden Dollar pro Jahr auf 300 Milliarden Dollar pro Jahr bis zum Jahr 2035 vorgesehen. Die Vereinbarung umfasst auch einen Fahrplan von Baku nach Belem, eine Stadt in Brasilien, die im Jahr 2025 Gastgeber des nächsten COP-30-Treffens sein wird. Er soll dazu beitragen, bis zum Jahr 2035 1,300 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Quellen zu mobilisieren. Dieser Betrag wird als notwendig erachtet, um den Wandel der Volkswirtschaften der Entwicklungsländer umzusetzen(5). Entwicklungsländer und zivilgesellschaftliche Organisationen waren mit diesem Ergebnis nicht zufrieden. Sie erwarteten, dass die Industrienationen den Schwellenländern bei ihrer Energiewende und Anpassung an den Klimawandel einen höheren Betrag zur Unterstützung garantieren. Der nunmehr vereinbarte Betrag macht nach Schätzungen von Experten der Vereinten Nationen nur die Hälfte dessen aus, was von den Entwicklungsländern gefordert wurde. Den Vorschlag von Papst Franziskus zum Erlass von internationalen Schulden für die Entwicklungsländer anzunehmen, böte eine gute Möglichkeit, diese Meinungsverschiedenheit zu überwinden. In der Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2025, die an die Staats- und Regierungschefs sowie die Leiter Internationaler Organisationen, an Religionsführer und jeden Menschen guten Willens gerichtet ist, appelliert er, „an eine Reduzierung, wenn nicht überhaupt an einen gänzlichen Erlass der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten. Durch die Anerkennung der ökologischen Schulden sollen sich die wohlhabenderen Länder dazu berufen fühlen, alles zu tun, um die Schulden jener Länder zu erlassen, die nicht in der Lage sind, ihre Schulden zurückzuzahlen. Damit dies kein isolierter Akt der Wohltätigkeit ist, der die Gefahr in sich birgt, erneut einen Teufelskreis aus Finanzierung und Verschuldung in Gang zu setzen, muss gleichzeitig eine neue Finanzarchitektur zur Schaffung einer globalen Finanzcharta entwickelt werden, die auf Solidarität und Harmonie zwischen den Völkern beruht“(6). In diesem Jahr, das ein Heiliges Jahr in der Katholischen Kirche ist, hat Papst Franziskus zwei weitere Vorschläge gemacht: erstens die weltweite Ächtung und Abschaffung der Todesstrafe und sodann die Einrichtung eines Weltfonds zur Bekämpfung und Beseitigung des Hungers weltweit. Nach Zahlen der Vereinten Nationen litten im Jahr 2023 mehr als 733 Millionen Menschen unter Hunger. Das ist einer von elf Menschen auf der Erde. In Afrika betrifft der Hunger sogar jeden fünften Menschen(7). In diesem Zusammenhang schlägt Papst Franziskus vor: „Lasst uns wenigstens einen festen Prozentsatz des Rüstungsetats für die Einrichtung eines Weltfonds verwenden, der den Hunger endgültig beseitigen und in den ärmsten Ländern Bildungsmaßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ermöglichen soll, die dem Klimawandel entgegenwirken. Wir sollten versuchen, jedes Motiv zu beseitigen, das junge Menschen dazu bringen könnte, hoffnungslos in die Zukunft zu blicken, in Erwartung das Blut ihrer Angehörigen zu rächen. Die Zukunft ist ein Geschenk, um die Fehler der Vergangenheit zu überwinden und neue Wege des Friedens zu bauen“(8).
Exzellenz, verehrter Herr Bundespräsident, das Jahr 2025 wird in Deutschland von der Bundestagswahl und der Bildung einer neuen Bundesregierung geprägt sein. Wir sind sicher, dass dieser Prozess in einem Land mit gefestigter Demokratie in Frieden und im gegenseitigen Respekt für die Menschen und für einen legitimen Pluralismus politischer Überzeugungen innerhalb des verfassungsmäßigen Rahmens stattfinden wird. Dies setzt den festen Willen zur Ablehnung von Hass und Gewalt voraus, wozu Sie anlässlich des tragischen Ereignisses in Magdeburg aufgerufen haben: „Lassen wir das nicht zu! Hass und Gewalt dürfen nicht das letzte Wort haben. Lassen wir uns nicht auseinandertreiben. Stehen wir zusammen!“(9). Dieser Wille zur Demokratie, in Freiheit und Solidarität sowie in Achtung der verfassungsmäßigen Ordnung, ist nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa und die Europäische Union, in der Deutschland eine wichtige Rolle einnimmt, und für die ganze Welt von großer Bedeutung. Ich überbringe Ihnen, Herr Bundespräsident, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, meine besten Wünsche für das neue Jahr 2025 und erbitte für Sie und alle den Segen des Allmächtigen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(1) Zu den 200.000 Todesfällen weltweit aufgrund von Kriegen und Naturkatastrophen im Jahr 2024 siehe: Sky TG 24 vom 18. Dezember 2024 - https://tg24.sky.it.
(2) Weihnachtsansprache des Herrn Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier vom 25. Dezember 2024: „Stehen wir zusammen“.
(3) Charta der Vereinten Nationen, Präambel, San Francisco, 26. Juni 1945.
(4) A.a.O., ebd.
(5) Siehe UN-Klimakonferenz in Baku vom November 2024 – COP 29 - UNFCCC – https://unfccc.int.
(6) Franziskus, Botschaft zum 58. Weltfriedenstag, 01. Januar 2025, Nr. 11.
(7) Die Daten zum Hunger bleiben alarmierend. Siehe: Aktion gegen den Hunger https://www.aktiongegendenhunger.de/.
(8) Franziskus, a.a.O., ebd.
(9) Weihnachtsansprache, a.a.O., ebd.