Grußwort von Nuntius Eterovic zur Eröffnung der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonfernz
Fulda, 23. September 2024
„Und er konnte dort keine Machttat tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben“ (Mk 6,5-6).
Eminenzen,
Exzellenzen,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!
Jedes Mal, wenn wir diese Erzählung aus dem Markusevangelium lesen, trifft sie uns aufs Neue. In Begleitung seiner Jünger will Jesus seiner Aufgabe nachgehen und das Reich Gottes in seiner Heimat verkünden. Diese Verkündigung wird begleitet von Zeichen und Wundern, was die Heilung der an Leib und Seele kranken Menschen einschließt. Doch sein Vorhaben war wenig erfolgreich. Die Leute in Nazareth hörten ihm nicht richtig zu, und ihre Aufmerksamkeit galt nicht dem Inhalt seiner Botschaft, sondern konzentrierte sich eher auf Zweitrangiges, auf seine Herkunft, Familie und Bildung. Der Herr hat versucht, diese Distanziertheit mit der Maxime zu erklären, die er auf sich selbst bezog: „Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie“ (Mk 6,4). Noch mehr als über diese Beobachtung war er vom fehlenden Glauben seiner Landsleute überrascht. Dabei handelte es sich um normale Menschen und Gläubige, die regelmäßig beteten und die Synagoge besuchten. Zudem war in jener Zeit die Messias-Erwartung weit verbreitet und musste auch in Nazareth bekannt gewesen sein. Daher hatte Jesus Grund genug, über den Unglauben zu erstaunen, der ihm entgegenschlug. Dieser hinderte ihn daran, Wunder an seinen Leuten zu tun, vor allem an denen, die sie besonders nötig gehabt hätten.
Diese schlechte Erfahrung des Herrn Jesus veranschaulicht einmal mehr die Bedeutung des Glaubens. Um mit Gott in Kontakt zu treten, ist der Glaube unverzichtbar. „Ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer hinzutreten will zu Gott, muss glauben, dass er ist und dass er die, die ihn suchen, belohnen wird“ (Hebr 11,6). Mit dem Glauben ist der Mensch offen auf Gott hin und für seine Gnade, womit er Gott erlaubt, in ihm zu wirken, in seiner Person, und dadurch in der Beziehung zu anderen Personen oder allgemein in der Gesellschaft. Es genügt an die Beispiele zu erinnern, wo Jesus Wunder wirken konnte, weil die Menschen, die baten, er möge ihnen helfen, an Ihn glaubten. Dem Blinden in Jericho hatte er gesagt: „Sei sehend! Dein Glaube hat dich gerettet“ (Lk 18,42). Bezeichnend ist auch das Gespräch des Vaters des von einem unreinen Geist besessenen Sohnes mit dem Herrn. Er wandte sich an Jesus und sagte: „Wenn du kannst, hilf uns; hab Mitleid mit uns! Jesus sagte zu ihm: Wenn du kannst? Alles kann, wer glaubt. Da rief der Vater des Knaben: Ich glaube; hilf meinem Unglauben“ (Mk 9,22-24). Und der Junge wurde geheilt.
Die Glaubenskrise
Liebe Mitbrüder, zu Beginn dieser Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz übermittle ich Euch mit Freude als Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus in der Bundesrepublik Deutschland seine herzlichen Grüße, wie auch seine Ermutigung, mit erneuerter Dynamik Eure Mission der Evangelisierung und die Förderung des Menschen in dieser Zeit zu verfolgen, der es an großen Herausforderungen nicht mangelt. Eine davon ist mit dem sichtbar werdenden Fehlen von Glauben verbunden, zumindest im landläufigen Verständnis einer ausdrücklichen und konfessionellen Weise von Glaube. Aus einer kürzlich veröffentlichten Studie geht hervor, dass mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sich selbst als, religionslos bezeichnet (1).
Im Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom 29. Juni 2019 hat der Heilige Vater Franziskus unter anderem geschrieben: „Heute indes stelle ich gemeinsam mit euch schmerzlich die zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens fest mit all dem, was dies nicht nur auf geistlicher, sondern auch auf sozialer und kultureller Ebene einschließt. Diese Situation lässt sich sichtbar feststellen, wie dies bereits Benedikt XVI. aufgezeigt hat, nicht nur im Osten, wie wir wissen, wo ein Großteil der Bevölkerung nicht getauft ist und keinerlei Kontakt zur Kirche hat und oft Christus überhaupt nicht kennt, sondern sogar in sogenannten traditionell katholischen Gebieten mit einem drastischen Rückgang der Besucher der Sonntagsmesse sowie beim Empfang der Sakramente. Es ist dies ein sicherlich facettenreicher und weder bald noch leicht zu lösender Rückgang. Er verlangt ein ernsthaftes und bewusstes Herangehen und fordert uns in diesem geschichtlichen Moment wie jenen Bettler heraus, wenn auch wir das Wort des Apostels hören: „Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, geh umher!“ (Apg 3,6)“ (2).
„Stärke deine Brüder“ (Lk 22,32)
Eine der wesentlichen Aufgaben der Sendung des Apostels Petrus und seiner Nachfolger besteht in der Stärkung der Brüder im Glauben. Der Herr hat versprochen zu beten, damit Petrus trotz seiner Begrenztheit den Glauben nicht verliere (vgl. Lk 22,32). Seit Beginn seines Pontifikates ist dem Heiligen Vater Franziskus leidenschaftlich daran gelegen, die Glieder der Kirche im Glauben zu stärken und die Christen unermüdlich zu ermuntern, ihren Glauben zu leben, den darin liegenden Reichtum zu entdecken und ihn mit anderen zu teilen; und dies vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens, aber auch, wenn nötig, mit Worten und geeigneten Anreden.
Es genügt, an seine erste Enzyklika Lumen fidei vom 29. Juni 2013 zu erinnern. Darin schreibt der Papst: „Das Licht des Glaubens: Mit diesem Ausdruck hat die Tradition der Kirche das große Geschenk bezeichnet, das Jesus gebracht hat […]. Wer glaubt, sieht; er sieht mit einem Licht, das die gesamte Wegstrecke erleuchtet, weil es vom auferstandenen Christus her zu uns kommt, dem Morgenstern, der nicht untergeht“ (3). Auch in dem programmatischen Dokument seines Pontifikates, in Evangelii gaudium vom 24. November 2013 ist der Glaube grundlegend. Dort heißt es unter anderem: „Ich verstehe die Menschen, die wegen der schweren Nöte, unter denen sie zu leiden haben, zur Traurigkeit neigen, doch nach und nach muss man zulassen, dass die Glaubensfreude zu erwachen beginnt, wie eine geheime, aber feste Zuversicht, auch mitten in den schlimmsten Ängsten“ (4). Wider den unfruchtbaren Pessimismus, der auch Christen zuweilen befällt, mahnt Papst Franziskus: „Die Freude aus dem Evangelium kann nichts und niemand uns je nehmen (vgl. Joh 16,22). Die Übel unserer Welt – und die der Kirche – dürften niemals Entschuldigungen sein, um unseren Einsatz und unseren Eifer zu verringern. Betrachten wir sie als Herausforderungen, um zu wachsen. Außerdem ist der Blick des Glaubens fähig, das Licht zu erkennen, das der Heilige Geist immer inmitten der Dunkelheit verbreitet. Er vergisst nicht, dass »wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroß geworden ist« (Röm 5,20)“ (5).
Bei einer der Katechesen dieses Jahres hat der Papst über die göttliche Tugend des Glaubens gesprochen. Um sie zu beschreiben, greift er auf die Formulierung im Katechismus der Katholischen Kirche zurück: „Im Glauben überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit“ (6). Gott ergreift die Initiative und wartet auf die freie Antwort des Menschen. Es sollte eine Antwort sein, die dem entspricht, dass Gott den Menschen nach seinem Bild und ihm ähnlich geschaffen hat (vgl. Gen 1,27) und das Herz des Menschen sich danach sehnt, seinem Herrn zu begegnen (vgl. Ps 63). Nachdem der Papst die Beispiele der Persönlichkeiten mit großem Glauben im Alten Testament aufgeführt hatte – Abraham, Mose und vor allem die selige Jungfrau Maria – sagte er: „Der Glaube ist die Tugend, die den Christen ausmacht. Denn Christ zu sein bedeutet nicht in erster Linie, eine Kultur anzunehmen, mit den Werten, die sie begleiten, sondern Christ zu sein bedeutet, eine Bindung zu bewahren, eine Bindung zu Gott: ich und Gott; meine Person und das liebenswerte Antlitz Jesu. Diese Bindung ist es, die uns zu Christen macht“ (7).
Schlussbemerkungen
Eminenzen, Exzellenzen, im kommenden Monat wird es die zweite Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema geben: Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Mission. Das Generalsekretariat hat dafür das Instrumentum laboris vom 09. Juli 2024 mit dem Titel überschrieben: Come essere Chiesa sinodale missionaria – Wie synodal missionarisch Kirche sein? Darüber hinaus bereiten wir uns auf das Heilige Jahr 2025 vor, das unter dem Leitwort steht: Pilger der Hoffnung. Diese Ereignisse sollten als besondere Momente dazu dienen, den Glauben aller Gläubigen zu stärken, angefangen bei uns selbst. Ohne den lebendigen Glauben an Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist bleiben die Reformversuche der Kirche erfolglos und ist jede Erneuerung von kirchlichen Strukturen ohne Bedeutung. Wir müssen kontinuierlich die Gabe Gottes annehmen und gläubige Menschen bleiben, die glücklich darüber sind, dass der Glaube sich über die ganze Kirche und in alle Welt erstreckt, so dass der Vorwurf Jesu an die heuchlerischen Pharisäer und Schriftgelehrten nicht trifft, die das Himmelreich vor den Menschen verschlossen: „Denn ihr selbst geht nicht hinein und lasst die nicht hinein, die hineingehen wollen“ (Mt 23,13).
Die Logik des Glaubens zielt auf seine Verbreitung. Daher bleibt die Aufforderung von Papst Franziskus zu einer erneuerten Dynamik der Evangelisierung sehr aktuell. „Die Evangelisierung ist ein Weg der Jüngerschaft in Antwort auf die Liebe zu Dem, der uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,19); ein Weg also, der einen Glauben ermöglicht, der mit Freude gelebt, erfahren, gefeiert und bezeugt wird. Die Evangelisierung führt uns dazu, die Freude am Evangelium wiederzugewinnen, die Freude, Christen zu sein. Es gibt sicher harte Momente und Zeiten des Kreuzes; nichts aber kann die übernatürliche Freude zerstören, die es versteht, sich anzupassen, sich zu wandeln und die immer bleibt, wie ein, wenn auch leichtes Aufstrahlen von Licht, das aus der persönlichen Sicherheit hervorgeht, unendlich geliebt zu sein, über alles andere hinaus. Die Evangelisierung bringt innere Sicherheit hervor, „eine hoffnungsfrohe Gelassenheit, die eine geistliche Zufriedenheit schenkt, die für weltliche Maßstäbe unverständlich ist“ (8).
Im Glauben haben die Christen die Welt und ihre Verführungen schon besiegt, wie der heilige Johannes schreibt: „Denn alles, was aus Gott gezeugt ist, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1 Joh 5,4).
Ich schließe mit einem weiteren Zitat des Heiligen Vaters Franziskus aus der Katechese zur göttlichen Tugend des Glaubens: „Gewiss nehmen, wie der Apostel sagt, nicht alle den Glauben an (vgl. 2 Thess 3,2), und auch wir, die wir gläubig sind, merken oft, dass wir nur einen kleinen Vorrat davon haben. Oft kann Jesus uns zurechtweisen, wie er es mit seinen Jüngern getan hat, »Kleingläubige« zu sein. Es ist jedoch die schönste Gabe, die einzige Tugend, um die wir andere beneiden dürfen. Denn wer Glauben hat, dem wohnt eine Kraft inne, die nicht nur menschlich ist; der Glaube ist es nämlich, der die Gnade in uns »entfacht« und den Verstand offen macht für das Geheimnis Gottes. Wie Jesus einmal gesagt hat: »Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen« (Lk 17,6). Daher sagen auch wir, wie die Jünger, immer wieder zu ihm: Herr, stärke unseren Glauben! (vgl. Lk 17,5)“(9).
(1) Vgl. Religiöses Leben in Deutschland vom 05.03.2024: https://migrations-geschichten.de/religioeses-leben-in-deutschland// - zuletzt aufgerufen am 17.09.2024
(2) A.a.O., Nr. 2.
(3) A.a.O., Nr. 1.
(4) A.a.O., Nr. 6.
(5) A.a.O., Nr. 84.
(6) A.a.O., Nr. 1814.
(7) Papst Franziskus, Katechese bei der Generalaudienz am 01. Mai 2024.
(8) Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, a.a.O., Nr. 7.
(9) Katechese bei der Generalaudienz am 01. Mai 2024.