Predigt des Apostolischen Nuntius am Hochfest Allerheiligen

  

(Offb 7,2-4.9-14; Ps 24; 1 Joh 3,1-3; Mt 5,1-12)

Berlin, 1. November 2017

„Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3).

Liebe Brüder und Schwestern!

Im Tagesgebet der heutigen Liturgie wird der Inhalt des Allerheiligenfestes zusammengefasst, wenn es heißt: „Allmächtiger, ewiger Gott, du schenkst uns die Freude, am heutigen Fest die Verdienste aller deiner Heiligen zu feiern. Erfülle auf die Bitten so vieler Fürsprecher unsere Hoffnung und schenke uns dein Erbarmen“. Das Gebet schließt mit der üblichen Formel: „Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit“.

Aus dem genannten Gebet können wir drei wichtige Aspekte ableiten: den Dank (I), die Gemeinschaft (II), die Hoffnung (III).

1. Der Dank.

Die Kirche drückt als erstes den Dank an den dreieinen Gott am heutigen Festtag aus. Das Gebet ist an den allmächtigen und ewigen Gott gerichtet, den Vater, durch Seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus, in der Liebe des Heiligen Geistes. Auf diese Weise danken die Gläubigen, die bei der Feier der Heiligen Mysterien versammelt sind, Gott, der Quelle alles Guten, für das Allerheiligenfest. An diesem Festtag werden „die Verdienste aller deiner Heiligen“ gefeiert. Das Gebet nimmt Bezug auf die erste Lesung aus der Offenbarung, wo die Fülle der Heiligen beschrieben wird. Der Autor des heiligen Buches gibt die Zahl der erlösten Juden mit „hundertvierundvierzigtausend aus allen Stämmen der Söhne Israels“ an; diese Zahl ist die Quadratzahl von 12, die symbolisch für das Ganze steht. In der Folge heißt es: „Danach sah ich und siehe, eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen“ (Offb 7,9). Unter diesen Erlösten werden die Märtyrer in weißen Gewändern besonders hervorgehoben, „jene, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offb 7,14). Danken wir dem guten und barmherzigen Gott für diese frohe Botschaft über so viele Menschen, die auf unserer Erde gelebt haben. Es handelt sich nicht nur um die kanonisierten Heiligen, wie unsere heiligen Schutzpatrone, sondern auch um die vielen Heiligen, die allein Gott in seiner barmherzigen Liebe kennt und der sie verherrlicht hat. Unter ihnen, so hoffen wir, sind auch unsere Angehörigen und viele, die wir im Lauf unseres Lebens kennengelernt haben.

2. Die Gemeinschaft.

Das Hochfest Allerheiligen erinnert uns daran, daß die Kirche das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen ist, die communio sanctorum. Das sind die Heiligen im Himmel, die mit den Engeln Gott von Angesicht zu Angesicht schauen (vgl. Mt 18,10). Es gibt auch jene, die noch im Fegefeuer gereinigt werden und auf die selige Begegnung mit Gott dem Vater, Sohn und Heiligem Geist in der Gemeinschaft der Heiligen warten. Sodann gibt es uns Gläubige hier auf Erden, die wir jener Heimat im Himmel entgegen pilgern. Die Kirche dankt Gott, denn unter allen Gläubigen an Jesus Christus und durch die Gnade des Heiligen Geistes gibt es eine geistliche Gemeinschaft. Das wird durch die Worte des Tagesgebetes ausgedrückt: „Erfülle auf die Bitten so vieler Fürsprecher unsere Hoffnung und schenke uns dein Erbarmen“. Unsere Brüder und Schwestern haben uns also nicht vergessen. Im Gegenteil, sie beten für uns und halten zu unseren Gunsten Fürsprache beim gestorbenen und auferstandenen Herrn Jesus. Sie rufen die Fülle der göttlichen Barmherzigkeit auf uns herab, damit auch wir das Ziel unserer Existenz erreichen, das ewige Leben. Wir alle sind nämlich gemäß dem Wort Gottes zur Heiligkeit gerufen: „Seid heilig, wie auch ich, euer Gott, heilig bin“ (Lev 19,2).

3. Die Hoffnung.

Die Beschreibung der großen Zahl der Erwählten, wie auch die Gemeinschaft der Heiligen erfüllt uns mit großer Freude. Diese Wahrheit unseres Glaubens ist in der christlichen Hoffnung begründet. Das menschliche Leben erschöpft sich nicht in dieser irdischen Dimension unserer Existenz. Wir sind für die Ewigkeit geschaffen. Der mit dem Herrn Jesus vereinte Mensch siegt über die Dimensionen von Zeit und Raum und lebt in der Ewigkeit in der Umarmung Gottes. Das heutige Hochfest bestätigt das Versprechen Jesu Christi: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,25-26).

Die Hoffnung auf das Heil darf uns nicht passiv im christlichen Leben lassen. Im Tagesgebet erinnert die Kirche daran, daß auch unsere Verdienste nötig sind, um den Himmel zu erreichen. Diesbezüglich wird die Freude zum Ausdruck gebracht, daß wir an einem einzigen Festtag „die Verdienste aller deiner Heiligen“ feiern können. Das heutige Evangelium stellt uns wiederum die Seligpreisungen als Weg vor, auf dem wir sicher zum ewigen Leben gelangen werden. Die erste Seligpreisung: „Selig, die arm sind vor Gott, den ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3) ist auf diesem Weg der Vollendung und der Pilgerschaft zum Himmel besonders wichtig. Das erfordert, den alten Menschen abzulegen, um Platz zu schaffen für Gott und seine Gaben. Sicher ist dieser Prozess eine Gnade der göttlichen Güte, aber sie setzt zugleich unsere Mitwirkung oder zumindest unseren Willen zur Umkehr voraus, auf dem Weg der Seligpreisungen mittels der Armut, der Sanftmut, der Barmherzigkeit, der Reinheit, des Vertrauens in den Verfolgungen zu gehen.

Liebe Brüder und Schwestern, unter den Heiligen, die wir heute feiern, nimmt einen besonderen Platz die selige Jungfrau Maria ein, die Mutter Jesu und unsere Mutter, die wir zurecht als Königin aller Heiligen anrufen. Ihrer mütterlichen Fürsprache vertrauen wir unser christliches Leben und das Leben der ganzen heiligen Kirche Gottes an, damit alle ihre Glieder den Ruf zur Heiligkeit aufnehmen und mit der Hilfe der Gnade Gottes, in Gemeinschaft mit dem gestorbenen und auferstandenen Herrn und in der Kraft des Heiligen Geistes in die ewige Seligkeit eingehen, wo sie mit allen Heiligen Gott loben und preisen: „Amen, Lob und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in alle Ewigkeit. Amen“ (Offb 7,12).

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