Predigt des Apostolischen Nuntius auf der Dies Academicus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Dies Academicus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

(Dan 5,1-6.13-14.16-17.23-28; Dan 3, Lk 21,12-19)

Eichstätt, 29. November 2017

„Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können“ (Lk 21,13).

 

Exzellenzen!
Verehrte Damen und Herren Professoren und Studenten!
Liebe Schwestern und Brüder!

In diesen Tagen, die dem Ende des liturgischen Jahres vorangehen – das neue Jahr wird am kommenden Sonntag mit dem ersten Advent beginnen –, stellt uns die Kirche biblische Texte vor, die in apokalyptischer Sprache das Ende der Welt und das Kommen des Herrn Jesus Christus verkünden. Der Herr wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten, wie wir im nicänisch-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis beten. Es handelt sich um starke Bilder und Symbole, die gleichzeitig eine starke Botschaft des Heils für all jene enthält, die an Gott glauben und mit Vertrauen die Wiederkehr Seines eingeborenen Sohnes und unseres Herrn und Heilands Jesus Christus in der Gnade des Heiligen Geistes erwarten. Im eben verkündeten Evangelium, das im apokalyptischen Stil verfasst ist, finden wir zwei Sätze, zwei Botschaften, die man leicht verstehen kann, welche unsere Aufmerksamkeit erregen und unsere Überlegungen leiten. Der erste Satz lautet: „Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können“ (Lk 21,13) und der zweite: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen“ (Lk 21,19). Das Vergehen von Himmel und Erde, die Verfolgungen, der Verrat, die Anklagen vor den Gerichten können für die Christen Gelegenheiten sein, Zeugnis für unseren Glauben abzulegen. Das Wort Gottes lehrt uns, wie wichtig es ist, im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe standhaft zu bleiben. Ein Beispiel der Standhaftigkeit haben uns die Juden gegeben, die von den Propheten dazu ermuntert wurden, die Hoffnung nicht aufzugeben, auch nicht in der Zeit des Babylonischen Exils, das auch im Buch des Propheten Daniel, woraus wir einen Abschnitt in der Lesung gehört haben, beschrieben wird. Vom Heiligen Geist geleitet fordern die Propheten Standhaftigkeit, auch wenn man die Zukunft nicht kennt, die in jenen Zeiten menschlich gesehen sehr unsicher war und völlig im Dunkeln erschienen sein mag. Aus den späteren Erzählungen wissen wir aber, daß ein großer Teil des jüdischen Volkes in die Heimat zurückgekehrt ist und der Tempel in Jerusalem, das Symbol seiner religiösen und nationalen Identität, wieder aufgebaut wurde. Außerdem wurde aus diesem Volk der verheißene Messias geboren, Jesus von Nazareth, gestorben und auferstanden, gegenwärtig in seiner Kirche und unter uns, besonders in dieser Feier der Eucharistie.

Ich danke der göttlichen Vorsehung, die mir erlaubt, dieser festlichen Eucharistiefeier aus Anlass des Dies Academicus in der schönen und geschichtsträchtigen Schutzengelkirche von Eichstätt vorstehen zu dürfen. Herzlich danke ich der Präsidentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Frau Prof. Dr. Gabriele Gien und auch Seiner Exzellenz Mons. Dr. Dr. Anton Losinger, dem Weihbischof in Augsburg und Vorsitzenden des Stiftungsrates der Universität, für die Einladung. Dieser Umstand gibt mir die Gelegenheit, Ihnen und Euch allen die herzlichen Grüße des Heiligen Vaters Franziskus, dem Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche, zu übermitteln, den ich die Freude habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Als Zeichen der Einheit mit dem Stuhl Petri, „welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht, die rechtmäßigen Verschiedenheiten schützt und zugleich darüber wacht, daß die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen“ (LG 13), erteile ich am Ende der Heiligen Messe im Namen von Papst Franziskus den Apostolischen Segen.

Im Licht des Gotteswortes möchte ich kurz mit Euch bei drei Punkten verweilen, die Papst Franziskus in seiner Ansprache an die akademische Gemeinschaft der Katholischen Universität von Portugal am 26. Oktober 2017 angesprochen hat: Was ist eine Universität? (1), was bedeutet es, eine Katholische Universität zu sein? (2) und schließlich, welche Rolle spielt eine Universität in einem Land, in unserem Fall in Eichstätt-Ingolstadt? (3).

1. Die Universität.

Der Heilige Vaters gibt eine positive Beschreibung der Universität, denn sie umfaßt von Natur aus „das Universum des Wissens in seiner menschlichen und göttlichen Bedeutung, um jenen universalen Blick zu gewährleisten, ohne den der Verstand sich mit Teilmodellen zufriedengibt und auf sein höchstes Streben verzichtet: die Suche nach der Wahrheit“. Zugleich warnt er vor den negativen Phänomenen, wenn die Vernunft vor dem Interessendruck und der Attraktivität der Nützlichkeit kapituliert und sie als ultimatives Kriterium akzeptiert. Angesicht der Versuchungen der blinden Kräfte des Unbewussten, der unmittelbaren Bedürfnisse, des Egoismus, welche die Freiheit einschränken, erinnert der Heilige Vater an die Wichtigkeit einer soliden Ethik, einer Kultur und Spiritualität, „die ihm (dem Menschen) wirklich Grenzen setzen und ihn in einer klaren Selbstbeschränkung zügeln“. Der Papst fährt fort, daß „Wahrheit mehr ist als Wissen:
Die Erkenntnis der Wahrheit hat als Endziel die Erkenntnis des Guten. Die Wahrheit macht uns gut, und die Güte ist wahrhaftig“. Deswegen mahnt er: „Es genügt nicht, Analysen durchzuführen, die Wirklichkeit zu beschreiben“ und fordert die universitäre Gemeinschaft zum Konkreten auf: „Es ist notwendig, Räume wahrer Forschung zu schaffen, Debatten, die Alternativen für die heutigen Probleme aufzeigen. Wie wichtig ist es, konkret zu werden“.

2. Die Katholische Universität.

Die Bezeichnung katholisch ist eine Charakteristik, welche die Universität auf höchste aufwertet, denn der Auftrag jeder Universität ist „das ständige Suchen nach Wahrheit durch Erforschen, Bewahren und Verbreiten von Wissen zum Wohl der Gesellschaft“. „Eine katholische akademische Einrichtung (zeichnet sich) durch die christliche Inspiration ihrer Mitglieder und ihrer eigenen Gemeinschaften aus und hilft ihnen, die moralische, geistliche und religiöse Dimension in ihre Forschung einzubinden und die Errungenschaften der Wissenschaft und der Technik im Hinblick auf den ganzen Menschen zu wertschätzen“. So hat Papst Johannes Paul II. geschrieben: „Die Humanwissenschaften (können) unbeschadet des großen Wertes der Erkenntnisse, die sie anbieten, nicht als die entscheidenden Wegweiser für das Aufstellen sittlicher Normen angesehen werden“ (Veritatis splendor, 112). Die Angehörigen einer Katholischen Universität sollten sich stets bewusst sein, daß „das Evangelium, das die ganze Wahrheit über den Menschen und über den sittlichen Weg enthüllt und so die Sünder erleuchtet und ermahnt und ihnen von der Barmherzigkeit Gottes kündet. […] Es erinnert sie darüber hinaus an die Freude der Vergebung, die allein die Kraft dazu verleiht, im sittlichen Gesetz eine befreiende Wahrheit, eine Gnade zur Hoffnung, einen Lebensweg zu erkennen“ (ebd.). Auch jene, die den christlichen Glauben nicht teilen, können „die ethische Grundlage erkennen, die ihnen angeboten wird“, denn sie stammt aus einer langen und erfahrungserprobten Tradition der Weisheit und der Menschheit. Insofern ist die Katholische Universität für die Christen der bevorzugte Ort, Zeugnis zu geben (vgl. Lk 21,13).

3. Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Nach Papst Franziskus bietet die Katholische Universität ein Zeichen der Hoffnung, „das die Kirche dem Land bietet, da sie der Nation eine kulturelle Einrichtung zur Verfügung stellt, die die christliche Vollkommenheit des Menschen zum Ziel hat und aufgerufen ist, dem Anliegen des Menschen selbst zu dienen, in der Gewissheit: »Wer Christus, dem vollkommenen Menschen, folgt, wird auch selbst mehr Mensch«“(Gaudium et spes, 41)“. Er unterstreicht sodann die Notwendigkeit, zum Konkreten fortzuschreiten, im Herzen des Volkes lebendig zu werden: „Seine Fragen stellen auch uns vor Fragen; seine Kämpfe, Träume und Sorgen haben einen hermeneutischen Wert, den wir nicht ignorieren dürfen, wenn wir wirklich das Prinzip der Menschwerdung verfolgen wollen“.

Wenn wir uns diese Worte vor Augen halten, können wir klären, was nötig ist, damit die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt auf die bekannten und nicht thematisierten Hoffnungen der Menschen hierzulande antworten kann, zumal es sich um die einzige Einrichtung dieser Art in den Ländern deutscher Sprache handelt. Mir scheint, die Antwort könnte drei Richtungen folgen:

a) Die Gottesfrage.

Die statistischen Daten zur Religion und zur Zugehörigkeit dazu bzw. zum Glauben und Nichtglauben in Europa und Deutschland appellieren an jeden Christen und müssten das besondere Objekt der Untersuchung an einer Katholischen Universität sein, angefangen bei der Theologischen Fakultät. Die Zahl derer, die in Deutschland erklären, keiner Religion anzugehören hat nahezu 36 Prozent der Bevölkerung erreicht. Damit repräsentieren diese die größte Einzelgruppe, denn die religiöse Zugehörigkeit von Christen teilen sich in diesem Land auf unter 28,9 Prozent Katholiken und 27,1 Prozent evangelische Christen. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands. In Westdeutschland sagen 67 Prozent, daß sie an Gott glauben, während dies in Ostdeutschland lediglich 25 Prozent tun. Die Gottesfrage ist eine fundamentale Frage für die Gläubigen, für die ganze Kirche, und eine Katholische Universität sollte sich ihr stellen und auf interdisziplinäre Weise thematisieren, wobei man beispielsweise zum Dialog zwischen Glaube und Vernunft, von Wissenschaften und Glauben ermuntern sollte. In diesem Zusammenhang ist das Wort des Herrn sehr aktuell: „„Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können“ (Lk 21,13).

b) Die Zukunftsangst.

Das Misstrauen gegenüber der Gegenwart und die Angst vor der Zukunft sind in den Gesellschaften und in den europäischen Ländern weit verbreitet, auch in den wohlhabenden. Für Deutschland ist eine Umfrage aufschlussreich, die am 1. August 2017 in der Tageszeitung Die Welt veröffentlicht wurde: „71 Prozent entschieden sich für die Veränderung des Weltklimas, 65 Prozent nannten neue Kriege, 63 Prozent Terroranschläge, 62 Prozent Kriminalität, 59 Prozent Altersarmut. Am wenigsten Angst haben die Deutschen laut dieser Umfrage vor der Zuwanderung von Flüchtlingen (45 Prozent) und Arbeitslosigkeit (33 Prozent)“. Der christliche Glaube könnte ein wirksames Gegenmittel wider die Angst sein, die unbeweglich macht und die Menschen passiv gegenüber der Gefahr sein lässt, sich zu verschließen und falsche Sicherheit zu suchen in der Rückwendung zur Vergangenheit oder sich vertrauensvoll Bewegungen und Parteien anzuschließen, die populistisch und demagogisch sind. Die christliche Hoffnung öffnet den Horizont des ewigen Lebens im Himmel, wo die wahre Heimat der Christen ist, in der Gemeinschaft der Heiligen (der communio sanctorum). Aber dieses Licht soll vor allem den alltäglichen Weg jedes Christen und der Gemeinschaft der Gläubigen erleuchten, denn so sind sie in der Lage, mit der christlichen Hoffnung unsere Welt zu beseelen und dem zeitgenössischen Menschen die Gründe für die Hoffnung darzulegen.

c) Die Freude des Evangeliums.

Aus diesen Betrachtungen folgt der missionarische Auftrag der Kirche, die nach Papst Franziskus eine Kirche im Aufbruch sein muss, eine missionarische Kirche, die mit der Freude am Evangelium Jesu Christi die Welt ansteckt. Auch die Katholische Universität ist gerufen, Anteil an dieser wesentlichen und spannenden Sendung zu haben, nämlich jedem Menschen, besonders jenen, die Jesus Christus noch nicht kennen oder sich von Seiner Kirche entfernt haben, die Frohe Botschaft zu verkünden, „das Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn“ (Mk 1,1). Bei diesem Werk sind die modernen Kommunikationsmittel von großer Wichtigkeit. Auf diesem Feld ist Eure Universität sehr engagiert. Es handelt sich um einen wesentlichen und dauerhaften Prozess, der Standhaftigkeit erfordert, wie uns Jesus lehrt: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen“ (Lk 21,19).

Vertrauen wir unsere Überlegungen der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, dem Sitz der Weisheit, indem wir einen marianischen Stil bei der evangelisierenden Tätigkeit der Kirche pflegen (vgl. Franziskus Evangelii gaudium, 288). Ihrem mütterlichen Schutz vertrauen wir die ganze Familie dieser Katholischen Universität an: die Leitung, die Professoren, die Studenten, die Verwaltungsmitarbeiter und alle Angestellten, die Freunde und Förderer. Mögen sie alle vom Heiligen Geist geführt dazu fähig sein, in Standhaftigkeit und Freude Zeugnis von ihrem Glauben zu geben. Amen.

 

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