Predigt von Nuntius Eterovic am 4. Ostersonntag

Apostolische Nuntiatur, 21. April 2024

(Apg 4,8-12; Ps 118; 1 Joh 3,1-2; Joh 10,11-18)

„Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11).

Liebe Schwestern und Brüder!

In dieser Osterzeit bedenken wir das Bild von Jesus als dem guten Hirten und insbesondere die Worte des Herrn Jesus, mit denen er das Opfer seines Lebens, seinen Tod und seine Auferstehung erhellt. Das Bild von Jesus als dem guten Hirten ist das wohl bekannteste in der Christenheit. Die frühchristliche Ikonographie zum Beispiel in den Katakomben zeigt, dass es schon den ersten Christen bekannt war. Jenes Abbild mit Jesus Christus, der ein Schaf auf seinen Schultern trägt, also einen der Jünger, ist allen wohlbekannt und präsentiert die innige Beziehung, die der Herr mit jedem Christen eingehen will.

An diesem vierten Ostersonntag sind wir außerdem dazu eingeladen, um Berufungen zu beten. In Einheit mit dem Heiligen Vater Franziskus bitten wir den guten und barmherzigen Gott um viele und heilige Berufungen für den Dienst an den Schwestern und Brüdern in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche.

Wir öffnen uns der Gnade des Heiligen Geistes, den der auferstandene Herr in Fülle ausgießt (vgl. Joh 3,34), und verweilen zunächst bei den Worten Jesu im heutigen Evangelium, die sich auf sein Ostergeheimnis beziehen.

„Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe" (Joh 10,11).

Sofort nach seiner Aussage: „Ich bin der gute Hirt" benennt er, wie diese Art der Hingabe zu verstehen ist, nämlich als Hingabe seines Leben für die Schafe, das heißt für alle Menschen. Denn sein Horizont ist nicht auf die Juden begrenzt, auf das erwählte Volk. Er selbst hat den Heilshorizont erweitert, wenn er sagt: „Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten" (Joh 10,16). Zu diesem Ziel hat der Herr Jesus nach seiner Auferstehung und vor seiner Himmelfahrt die Jünger in die ganze Welt ausgesandt, die gute Nachricht jedem Geschöpf zu verkünden (vgl. Mk 16,15). Um es gut zu verstehen, vergleicht sich Jesus als der gute Hirte mit dem Lohnknecht, dem Bild eines schlechten Hirten. Im Unterschied zum bezahlten Knecht, der die Herde verlässt, sobald er den Wolf kommen sieht, der die Schafe reißt und zerstreut (vgl. Joh 10,12), verteidigt der gute Hirt seine Schafe auf Kosten des eigenen Lebens.

Die Hingabe des Lebens folgt der Logik der Liebe. Alles beginnt mit der Liebe zwischen Vater und Sohn, in die Jesus seine Jünger einführen will: „Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe" (Joh 10,14-15).

Der Herr Jesus weiß um das Lebensopfer, das er in Jerusalem darbringen wird und durch das Er zeigt, dass er wahrhaft der gute Hirte ist, der die Seinen bis zur Vollendung liebt (vgl. Joh 13,1). Mehr noch opfert Jesus Christus sein Leben aus freiem Willen für das Leben seiner Jünger und aller Menschen. Wie Gott hat er die Macht, sich das Leben erneut zu nehmen, „weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen" (Joh 10,17-18). Mit dieser Haltung erfüllt Jesus den Auftrag, den er von seinem Vater empfangen hatte (vgl. Joh 10,18). Und mit dieser Haltung findet er die erneuerte Liebe des Vaters: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen" (Joh 10,17).

Diese Worte des Herrn Jesus bereichern unser Bewusstsein vom Ostergeheimnis. In der Heiligen Schrift findet sich oft die Wendung, dass Gott Jesus auferweckt hat (vgl. Apg 2,24.32). Die Auferstehung ist daher eigentlich ein Werk von Gottvater. Der heilige Johannes zeigt aber, dass in diesem außergewöhnlichen Ereignis göttlicher Macht und unendlicher Barmherzigkeit auch Jesus Christus eine aktive Rolle hatte. Er hat sein Leben hingegeben und hat es wieder genommen, in Einheit mit dem Vater und in der Kraft des Heiligen Geistes. Daher ist das Ostergeheimnis ein Werk, an dem alle drei Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit teilhaben. Hier ist der höchste Ausdruck der barmherzigen Liebe des dreieinen Gottes, woran alle Christen teilhaben dürfen, schon vom Augenblick unserer Taufe an. Wir sind schon wirklich „Kinder Gottes" (1 Joh 3,1).

Darum sollen wir Jesus auch im Dienst und in der Liebe zu Gott und dem Nächsten folgen, indem wir seine Worte erinnern: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt" (Joh 15,13). ER hat diese Lehre mit dem Opfer seines Lebens für uns in die Tat umgesetzt.

„Berufen, Hoffnung zu säen und Frieden zu schaffen'.

So lautet das Motto der Botschaft, die der Heilige Vater Franziskus aus Anlass des 61. Weltgebetstages um geistliche Berufungen geschrieben hat. Die Kirche begeht die Gebetstag traditionell am vierten Ostersonntag und folgt damit dem Willen ihres Meisters: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!" (Mt 9,38).

Die päpstliche Botschaft ist in drei Abschnitte unterteilt: (I) Ein Volk auf dem Weg; (II) Pilger der Hoffnung und (III) Friedensstifter; Mut, sich einzubringen. Papst Franziskus unterstreicht, dass alle Glieder des Volkes Gottes gerufen sind, ihre je eigene Sendung in der Kirche umzusetzen. „Die Vielstimmigkeit der Charismen und Berufungen, die die christliche Gemeinschaft anerkennt und unterstützt, hilft uns, unsere Identität als Christen voll und ganz zu verstehen: Als Volk Gottes, das auf den Straßen der Welt unterwegs ist, beseelt vom Heiligen Geist und als lebendige Steine in den Leib Christi eingefügt, entdeckt sich ein jeder von uns als Mitglied einer großen Familie, als Kind des Vaters und als Bruder und Schwester unserer Mitmenschen". Im Zusammenhang mit der universalen Berufung gibt es auch einen besonderen Ruf für die geweihten Personen: „Ich denke an die Personen des geweihten Lebens, die ihr Leben dem Herrn in der Stille des Gebets wie auch im apostolischen Wirken hingeben, manchmal in Randgebieten und ohne sich zu schonen, indem sie ihr Charisma kreativ entfalten und es jenen zur Verfügung stellen, denen sie begegnen". Papst Franziskus erinnert auch die jungen Männer, die zum Priestertum berufen sind: „Und ich denke an diejenigen, die die Berufung zum Weihepriestertum angenommen haben und sich der Verkündigung des Evangeliums widmen und ihr Leben zusammen mit dem eucharistischen Brot für ihre Brüder und Schwestern hingeben, indem sie Hoffnung säen und allen die Schönheit des Reiches Gottes aufzeigen". Sodann erinnert der Bischof von Rom an das kommende Jubiläum des Jahres 2025 und schreibt: „Dieser Tag ist insbesondere dem Gebet gewidmet, um vom Vater die Gabe geistlicher Berufungen für den Aufbau seines Reiches zu erbitten: »Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!« (Lk 10,2). Und das Gebet - das wissen wir - besteht mehr aus Zuhören als aus an Gott gerichteten Worten. Der Herr spricht zu unserem Herzen und möchte es offen, aufrichtig und großzügig vorfinden. Sein Wort ist in Jesus Christus Fleisch geworden, der uns den ganzen Willen des Vaters offenbart und mitteilt. In diesem Jahr 2024, das eben dem Gebet zur Vorbereitung des Jubiläums gewidmet ist, sind wir aufgerufen, das unschätzbare Geschenk wiederzuentdecken, mit dem Herrn von Herz zu Herz in Dialog treten zu können und so zu Pilgern der Hoffnung zu werden, denn »das Gebet ist die erste Kraft der Hoffnung. Du betest, und die Hoffnung wächst, sie geht voran. Ich würde sagen, dass das Gebet die Tür zur Hoffnung öffnet. Die Hoffnung ist da, aber mit meinem Gebet öffne ich die Tür.« (Katechese, 20. Mai 2020)".

Vertrauen wir unser Gebet um geistliche Berufungen zum Priestertum und Ordensleben der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Königin des Himmel und beten wir mit den Worten des Heiligen Vaters: „Erheben wir uns also und machen wir uns auf den Weg als Pilger der Hoffnung, damit auch wir, wie es Maria der heiligen Elisabet gegenüber getan hat, die Freude verkünden, neues Leben hervorbringen und Baumeister der Geschwisterlichkeit und des Friedens sein können". Amen.

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