Predigt von Nuntius Eterovic am Zweiten Sonntag der Weihnachtszeit

Apostolische Nuntiatur, 2. Januar 2022

(Sir 24,1-4.8-12; Ps 148; Eph 1,3-6.15-18; Joh 1,1-18)

Berlin, 2. Januar 2022

Zweiter Sonntag der Weihnachtszeit

„Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14).

Liebe Schwestern und Brüder,

In dieser gesegneten Weihnachtszeit bietet uns die Kirche verschiedene Gelegenheiten, das Geheimnis tiefer zu betrachten, das wir feiern: das Wort ist Fleisch geworden. Der Sohn Gottes, das Wort, das immer bei Gott war, mehr noch, das Gott ist, wollte in der Fülle der Zeit Mensch werden. Diese Entscheidung betrifft uns alle. Gott wurde Mensch für uns und zu unserem Heil. Das eröffnet uns die Möglichkeit, Kinder Gottes zu werden, Söhne und Töchter im Eingeborenen Sohn des Vaters. Auch dieses Weihnachten feiern wir unter den Vorsichtsmaßnahmen aufgrund von Covid-19 und seinen zahlreichen Mutationen. Denken wir an die vielen Menschen, die unter der Corona-Pandemie leiden, vor allem an jene in den Krankenhäusern und Intensivstationen. Wir beten für alle Kranken oder Hilfsbedürftigen an Leib und Seele, auf dass sie auch in den gegenwärtigen Schwierigkeiten etwas von der Weihnachtsfreude erfahren können. Die Freude der Weihnacht kommt daher, dass Jesus als der Immanuel unter uns gegenwärtig ist, dessen Name uns versichert, dass Gott mit uns ist. Und Gott bleibt treu in der Freude und dem Schmerz in unserem persönlichen, familiären und sozialen Leben.

Das Geheimnis der Menschenwerdung wird im Alten Testament nicht zuletzt durch die Weisheit vorbereitet (I). Sie verwirklicht sich, als „das Wort Fleisch geworden ist“ (II). Gemeinsam mit dem Heiligen Paulus danken wir dem dreieinen Gott für dieses große und unerwartete Geschenk (III). Lassen wir uns vom Heiligen Geist zum stets tieferen Verständnis des Wortes Gottes führen, das uns verkündet worden ist.

1. „Ich ging aus dem Mund des Höchsten hervor“ (Sir 24,3).

Das Buch Jesus Sirach ist das letzte des Alten Testamentes, das von der Katholischen Kirche in den Kanon der biblischen Schriften aufgenommen wurde und zwischen 120 bis 80 vor Christus verfasst worden ist. Hierin wird die Überlegenheit der jüdischen Weisheit gegenüber der griechischen Philosophie und dem Leben der Heiden unterstrichen, weil sie von Gott inspiriert ist und sich im Gesetz niederschlägt, das dem erwählten Volk gegeben worden ist. In diesem Buch lassen verschiedene Aussagen an das Wort Gottes denken, an Jesus Christus und seine Menschwerdung. So rühmt sich die Weisheit zum Beispiel: „Ich ging aus dem Mund des Höchsten hervor und wie Nebel umhüllte ich die Erde“ (Sir 24,3). Diese Aussage zeigt die enge Verbindung zwischen der Weisheit und Gott. Sie geht aus dem Mund des Allmächtigen gleichsam als Atem, als ein Wort hervor. Weiter ist die Idee der Menschwerdung in der Aussage der Weisheit vorweggenommen: „Da gebot mir der Schöpfer des Alls, der mich erschuf, ließ mein Zelt einen Ruheplatz finden. Er sagte: In Jakob schlag dein Zelt auf und in Israel sei dein Erbteil“ (Sir 24,8). Es handelt sich dabei aber um ein unvollkommenes Bild des Wortes, denn die Weisheit lobt, ein Geschöpf Gottes zu sein. Weiter identifiziert sie sich mit dem Gesetz des Mose (vgl. Sir 24,22).

2. „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14).

Die wahre Weisheit ist der Herr Jesus, das Wort, das Fleisch geworden ist, wie wir es im wunderbaren Prolog des Johannesevangeliums vernommen haben. Bei dessen reichen Inhalt wollen wir unter drei Aspekten verweilen.

- Die Präexistenz des Wortes.

Im Unterschied zur Weisheit ist das Wort nicht geschaffen und ist daher immer bei Gott, denn es ist Gott. Der Heilige Johannes sagt es klar: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott“ (Joh 1,1-2). Über die göttliche Natur des Wortes bekennen wir im nicäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“.

- Die Schöpfung durch das Wort.

Im Johannesevangelium wird klar die Wahrheit über den Schöpfergott ausgedrückt, der durch sein Wort, den Logos schafft, was bedeutet, nicht allein durch Weisheit, sondern auch mit der Vernunft. „Alles ist durch das Wort (den Logos) geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,3), wie auch: „Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht“ (Joh 1,10). Daher gibt es eine schöpferische Vernunft, die wir in der Schöpfung finden können. Ausgestattet mit Vernunft und Einsicht, können und müssen die Menschen den Schöpfer der Schönheit und Größe der Welt und des Menschen als Krönung alles Geschaffenen preisen. Die Welt ist nicht das Resultat eines blinden Zufalls, sondern ein vernünftiges Projekt des Logos, den wir als Christen Gott nennen. Hierzu hat Papst Benedikt XVI. gesagt: „Die Mathematik als solche ist eine Schöpfung unserer Intelligenz: Die Übereinstimmung ihrer Strukturen mit den tatsächlichen Strukturen des Universums – diese Übereinstimmung ist die Voraussetzung aller modernen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, was bereits Galileo Galilei in seinem berühmten Wort, daß das Buch der Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben wurde, zum Ausdruck brachte – ruft unsere Bewunderung hervor und stellt uns vor eine große Frage. Sie setzt nämlich voraus, daß das Universum selbst intelligent strukturiert ist, so daß es eine tiefe Entsprechung gibt zwischen unserer subjektiven Vernunft und der objektiven Vernunft in der Natur. Es ist daher unvermeidlich, sich zu fragen, ob es nicht eine einzige ursprüngliche Intelligenz geben muß, die die gemeinsame Quelle der einen und der anderen Vernunft ist. So führt uns die Reflexion über die Entwicklung der Wissenschaften zum »Schöpferlogos« zurück. Die Neigung, dem Irrationalen, dem Zufall und der Notwendigkeit den Primat zuzuerkennen und auch unsere Intelligenz und unsere Freiheit darauf zurückzuführen, wird so in ihr Gegenteil verkehrt. Auf diesen Grundlagen wird es auch wieder möglich, den Horizont unserer Rationalität zu erweitern, ihn wieder zu öffnen gegenüber den großen Fragen des Wahren und des Guten und Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften miteinander zu verbinden, mit vollem Respekt gegenüber den ihnen jeweils eigenen Methoden und ihrer Unabhängigkeit voneinander, aber auch im Bewußtsein der inneren Einheit, die sie zusammenhält. Dies ist eine Aufgabe, die vor uns liegt, ein faszinierendes Abenteuer, dem zu widmen es sich lohnt, um der Kultur unserer Zeit neue Impulse zu geben und um dem christlichen Glauben seine vollen Rechte innerhalb dieser Kultur zurückzuerstatten.“ (Ansprache beim IV. Nationalen Kongress der Katholischen Kirche in Italien, Verona, 19. Oktober 2006).

- Durch das Wort sind wir Kinder Gottes.

Das Wort ist für uns und zu unserem Heil Fleisch geworden. Er ist Mensch geworden, damit wir göttliche Kinder werden können, das heißt Söhne und Töchter Gottes. Denn der Heilige Johannes lehrt: „Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,12-13). Der Apostel Johannes ist sich des großen Projektes Gottes mit uns bewusst. Dem Herrn Jesus reicht es nicht, mitten unter uns zu leben, sondern er will uns zu einem innigeren Verhältnis mit Gott, seinem Vater führen, indem er uns erkennen lässt, seine Kinder zu sein. Die Größe dieser Vision lässt sich mit der Feststellung erfassen: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16).

3. „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 1,3)

Liebe Brüder und Schwestern, mit dem Heiligen Paulus danken wir Gott, dem Vater für das große Geschenk unserer christlichen Berufung. Der Vater hat an uns vor der Erschaffung der Welt gedacht und wollte, dass Sein Eingeborener Sohn mitten unter uns ist, das fleischgewordene Wort, das uns zu Seinen Kindern macht. In der Gnade des Heiligen Geistes und geistlich vereint mit der seligen Jungfrau Maria, der Mutter Jesu und unsere Mutter, wie auch mit allen Heiligen und voller Glauben, Hoffnung und Liebe rufen wir mit der ganzen einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Grundlegung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor ihm. Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen nach seinem gnädigen Willen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn“ (Eph 1,3-6). Amen.

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