Predigt von Nuntius Eterovic zum Jubiläum der 200-jährigen Wiederbegründung des Eichstätter Domkapitels

Schutzengelkirche zu Eichstätt, 25. November 2021

(Ez 34,11-16; Ps 25; Hebr 13,7-8.15-17.20-21; Mt 19,27-29)

„Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben“ (Mt 19,29).

Königliche Hoheit, verehrter Herzog Franz von Bayern!
Exzellenzen,
verehrte Mitglieder des Eichstätter Domkapitels,
sehr geehrte Damen und Herren aus Politik und Gesellschaft,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit Freude begehen wir den 200. Jahrestag der Wiedererrichtung des Domkapitels von Eichstätt. Heute am 25. November 1821 geschah dies, nachdem das Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Bayern am 01. April 1817 unterzeichnet worden war, mit dem man die negativen Auswirkungen der Säkularisierung der Jahre 1802 bis 1803 heilen wollte. Nach Maßgabe des Konkordates besteht das Domkapitel von Eichstatt aus zwei Dignitären – dem Dompropst und dem Domdechant –, acht weiteren Kapitularen und sechs Domvikaren. Diese Bestimmungen wurden von Papst Pius VII. mit der Bulle Dei ac Domini Nostri vom 01. April 1818 gebilligt.

Wir danken der göttlichen Vorsehung für dieses bedeutende Ereignis in der Geschichte der Diözese Eichstätt, aber auch in den anderen Erz/Diözesen des Freistaates Bayern. Zu diesem freudigen Anlass grüße ich sehr herzlich Euren Bischof, Seine Exzellenz Mons. Dr. Gregor Maria Hanke OSB, auch wenn er heute bei dieser Feier wegen längst vorher übernommener Verpflichtungen nicht dabei sein kann. Dass der Apostolische Nuntius dieser bedeutenden Zelebration vorsteht, unterstreicht die Bedeutung des Heiligen Stuhls und somit der Päpste und seiner engsten Mitarbeiter für die Diözese Eichstätt, wie auch in der ganzen katholischen Kirche in Deutschland. Der Bischof von Rom übt sein Amt der Einheit und Liebe in der ganzen Kirche aus, nicht zuletzt durch seine Vertreter. Denn der Papst „ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar“ (LG 23). Als Vertreter des Heiligen Vaters in Deutschland ist es mir eine Ehre, Euch die herzlichen Grüße von Papst Franziskus zu übermitteln und seiner geistliche Nähe zu versichern. Am Ende dieser Heiligen Messe erteile ich sehr gerne als Zeichen der kirchlichen Einheit dieser Diözese mit der Diözese von Rom, welcher Papst Franziskus vorsteht, den Apostolischen Segen.

Verehrte Mitglieder des Domkapitels, es ist Euer Wunsch, bei dieser Gelegenheit Bezug zu nehmen auf den ersten Bischof und Patron des Bistums Eichstätt, den Heiligen Willibald (700-787), weswegen in dieser Eucharistiefeier auch die liturgischen Texte seines Festes genommen werden. Offen für den Heiligen Geist und mit Blick auf den Heiligen Willibald, möchte ich bei zwei Punkten verweilen: Erstens bei der zentralen Bedeutung Jesu Christi (I) und zweitens bei der Wichtigkeit von Synodalität in der Kirche (II).

1. „Jesus sagte ihnen“ (Mt 19,28).

Das Wort Gottes, das wir gehört haben, unterstreicht die Zentralität Jesu, des guten Hirten, für das Leben der Kirche. In Ihm ist die Prophetie des Ezechiel verwirklicht, wonach der Herrgott seine Schafe suchen und für sie sorgen wird. Er wird „sie retten aus all den Orten, wohin sie sich am Tag des Gewölks und des Wolkendunkels zerstreut haben“ (Ez 34,12). Und nach der Sammlung der Zerstreuten gilt die Verheißung: „Ich werde sie aus den Völkern herausführen, ich werde sie aus den Ländern sammeln und ich werde sie in ihr Land bringen. Ich führe sie in den Bergen Israels auf die Weide, in den Tälern und an allen bewohnten Orten des Landes“ (Ez 34,13). Der Herr wird sich besonders um die verwundeten Schafe kümmern und um jene, die in Schwierigkeiten stecken: „Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen, das Verletzte werde ich verbinden, das Kranke werde ich kräftigen. Doch das Fette und Starke werde ich vertilgen. Ich werde sie weiden wie es recht ist“ (Ez 34,16).

Auf dem Hintergrund dieser Verheißungen des Alten Testamentes können wir sowohl die Frage des Apostels Petrus: „Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen?“ (Mt 19,27), als auch die Antwort des Herrn Jesus besser verstehen: „Amen, ich sage euch: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet auch ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten“ (Mt 19,28). Der Herr verheißt eine neue Schöpfung, jene glorreiche Phase, wo das Himmelreich bis zum Ende der Zeiten dauern wird. Die zwölf Stämme Israels weisen auf die Kirche, das neue Volk Gottes, das auf die zwölf Apostel gegründet ist. Dieser globalen Vision entspricht auch die personale eines jeden, der in Jesus Christus geschaffen ist und seinen Willen zu verwirklichen sucht: „Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben“ (Mt 19,29).

Die zentrale Bedeutung des Herrn ist gut in der bekannten Wendung des Hebräerbriefes ausgedrückt: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Das gilt für alle Christen, besonders aber auch für die verehrten Mitglieder des Domkapitels. Haltet Jesus Christus stets im Zentrum Eures kirchlichen Dienstes und bei den Anstrengungen um den Erhalt des ehrwürdigen Domes, in der Feier der Liturgie und bei den Euch anvertrauten Aufgaben innerhalb der Diözese. Seid Euch stets der Mahnung zur Dankbarkeit bewußt: „Gedenkt eurer Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben! Betrachtet den Ertrag ihres Lebenswandels! Ahmt ihren Glauben nach!“ (Hebr 13,7). Gleiches gilt für das Gebet: „Durch ihn also lasst uns Gott allezeit das Opfer des Lobes darbringen, nämlich die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“ (Hebr 13,15); wie auch für die Großherzigkeit: „Vergesst nicht, Gutes zu tun, und vernachlässigt nicht die Gemeinschaft; denn an solchen Opfern hat Gott Gefallen“ (Hebr 13,16); und den Gehorsam: „Gehorcht euren Vorstehern und ordnet euch ihnen unter, denn sie wachen über eure Seelen und müssen Rechenschaft darüber ablegen; sie sollen das mit Freude tun, nicht mit Seufzen, denn das wäre zu eurem Schaden“ (Hebr 13,17).

Der Heilige Willibald hat stets Jesus Christus in die Mitte seines Lebens und pastoralen Wirkens gestellt. So ist er uns ein Vorbild, dem wir in den gegenwärtigen sozialen und kirchlichen Herausforderungen folgen können.

2. „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“

Unter diesem Thema steht die nächste Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode im Oktober 2023, die nach der Entscheidung des Heiligen Vaters Franziskus drei Phasen hat, wozu jene diözesane Phase gehört, die vom 17. Oktober 2021 bis 15. August 2022 dauern soll. Nach Papst Franziskus ist die Synodalität die „konstitutive Dimension der Kirche“. „Der Weg der Synodalität ist der Weg, den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“ (Ansprache zum 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode, 17. Oktober 2015). Die Synodalität aber ist eine konstante Dimension der Kirche, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil wiederbelebt wurde, vor allem durch die Errichtung der Bischofssynode am 15. September 1965. Im Leben des Heiligen Willibald beeindruckt, dass er an verschiedenen Synoden teilgenommen hat, nachdem er im Jahr 741 zum Bischof geweiht worden war. So nimmt er beispielsweise im Jahr 742 am Concilium Germanicum der ostfränkischen Bischöfe gemeinsam mit Bonifatius, dem Bischof von Mainz, und fünf weiteren Bischöfen aus Würzburg, Köln, Büraburg, Erfurt und Straßburg teil.

Das Thema der kommenden Synodalversammlung ist wichtig auch für jene Diözesen oder Kirchen eines Landes, wo, wie in Deutschland, eigene Synoden abgehalten werden, um die universale, katholische Dimension der Synodalität ins Bewußtsein zu rufen. Wiederholt betont der Heilige Vater Franziskus an erster Stelle, „dass die Synode kein Parlament ist, dass die Synode keine Meinungsumfrage ist“, sondern „die Synode ist ein kirchliches Ereignis und der Protagonist der Synode ist der Heilige Geist. Ohne den Heiligen Geist gibt es keine Synode“ (Besinnungsmoment zum Beginn des synodalen Prozesses, 09. Oktober 2021). Die Synodalität in der katholischen Kirche ist daran ausgerichtet, die Gemeinschaft mit Gott und unter den Gläubigen zu stärken, wofür die Bischöfe in Einheit mit dem Bischof von Rom einstehen, der „ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ ist (LG 18). Das zeigt auch das Beispiel des Heiligen Willibald, der auf Geheiß von Papst Gregor III. im Jahr 739 nach Deutschland gekommen war, wie auch das des Heiligen Bonifatius, der nicht nur den Missionsauftrag für die deutschen Völker erhalten hatte, sondern dabei in ständigem Kontakt mit den Päpsten dieser Zeit geblieben war. Aus dieser Gemeinschaft kommt unweigerlich die Mission, das drängende Werk der Evangelisierung. Nach Papst Franziskus heißt das: „Gemeinschaft und Mission sind theologische Ausdrücke, die das Geheimnis der Kirche bezeichnen und die es wert sind, dass sie sich immer wieder ins Gedächtnis ruft. Das Zweite Vatikanische Konzil hat deutlich gemacht, dass die Gemeinschaft das Wesen der Kirche selbst zum Ausdruck bringt, und gleichzeitig bekräftigt, dass die Kirche die Sendung erhalten hat, »das Reich Christi und Gottes anzukündigen und in allen Völkern zu begründen. So stellt sie Keim und Anfang dieses Reiches auf Erden dar« (LG 5). Mit diesen beiden Worten betrachtet und imitiert die Kirche das Leben der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, die ad intra Geheimnis der Gemeinschaft und ad extra Ursprung der Mission ist“ (a.a.O.). Die Synodalität setzt die Teilnahme voraus, die der Taufe entspringt und daher das gemeinsame Priestertum begründet. Aus der Taufe, „unserer Lebensquelle, leitet sich die gleiche Würde der Kinder Gottes ab, wenn auch in der Verschiedenheit der Ämter und Charismen. Deshalb sind alle aufgerufen, am Leben der Kirche und ihrer Sendung teilzunehmen. Wenn nicht das ganze Volk Gottes wirklich daran teilnimmt, besteht die Gefahr, dass die Rede von der Gemeinschaft nur eine fromme Absicht ist“ (a.a.O.). Auch Euer Domkapitel ist, wie die übrigen in Deutschland, gerufen, am Weg der Synodalität teilzunehmen, indem Ihr die Pflichten gemäß den Statuten durch einen erneuerten kirchlichen Dienst gut erfüllt. Synodalität sollte ein kirchlicher Lebensstil sein, was sofort umsetzbar ist, wenn die bereits bestehenden kirchlichen Einrichtungen und Gremien hierzu genutzt und nicht noch weitere zusätzlich errichtet werden.

Liebe Brüder und Schwestern, danken wir gemeinsam Gott, dem Vater, Sohn und Heiligen Geist für das Geschenk der Erinnerung an den 200. Jahrestag der Wiedererrichtung des Domkapitels von Eichstätt und für all das Gute, das die Mitglieder dieses Kapitels in der genannten Zeit für die Diözese Eichstätt getan haben, die als Ortkirche ein aktiver Teil der Universalkirche ist. Auf die Fürsprache der seligen Jungfrau, der Mutter der Kirche, die in Eichstätt sehr verehrt wird, erflehen wir die Verwirklichung der Verheißung des Herrn Jesus für dieses Kapitel, für das Bistum Eichstätt, für die Kirche in Deutschland und in aller Welt: „Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben“ (Mt 19,29). Amen.

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